Happy End?

Zu den Brautwerbungsmärchen der Brüder Grimm

Von Wilhelm SolmsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wilhelm Solms

Grimms Märchen, zumal die Zaubermärchen, handeln vom Weg der Heldin oder des Helden zum Glück, das ihnen am Ende meist mit der Hochzeit zuteilwird oder vom Erzähler versprochen wird. Die höchste Form des Glücks ist für sie ebenso wie für den Erzähler und sein Publikum die Hochzeit. Hochzeiten kommen in achtzig der zweihundert Kinder- und Hausmärchen vor, das sind 40 Prozent, und in 71 der neunzig Zaubermärchen, das sind fast achtzig Prozent.

Ist die Märchenhochzeit tatsächlich das denkbar höchste Glück? Wenn der Erzähler die Märchen mit Sätzen beendet wie „und sie lebten vergnügt bis an ihr seliges Ende“ (Das Mädchen ohne Hände), dann ist dies nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern ein Versprechen. Denn mit der Hochzeit lässt der Märchenerzähler den Vorhang fallen. Was hinter dem Vorhang geschieht, also der Ehe-Alltag, wird meist nur in den Schwänken erzählt und wirkt dort ganz und gar nicht glücklich. Ob das Eheglück des Märchenpaars tatsächlich von Dauer ist, wie uns der Erzähler verspricht, bleibt also offen.

Aber wir, die Zuhörer oder Leser der Märchen, können die der Hochzeit vorausgehende Handlung rekapitulieren und uns fragen: Passen die beiden zusammen? Ist ihre Liebe gegenseitig? Ist er oder sie nur verblendet durch die Schönheit, die Macht oder den Reichtum des anderen? Wird er ihr treu bleiben und ihr auch in schlechten Tagen beistehen? Wird sie, wenn ihre Eltern ihn ablehnen, auf seiner Seite stehen? Und wenn einer von beiden gefehlt hat, wird er den anderen um Verzeihung bitten und wird dieser ihm verzeihen?

Die Heldinnen und Helden der Grimmschen Zaubermärchen sind entweder höchster oder niederster Herkunft, entweder Königskinder oder Kinder armer Leute. Daraus ergeben sich vier verschiedene Verbindungen: 1. Der Sohn armer Leute heiratet eine, meist die einzige Tochter des Königs. 2. Ein armes Mädchen heiratet einen Königssohn oder König. (Das sind die Mesallianzen.) 3. Hochzeiten von Königskindern bzw. von Königstochter und König. Und 4. Hochzeiten von Kindern armer Leute. (Das sind die standesgemäßen Verbindungen.)

Ein bekanntes Sprichwort sagt zwar: „Gleich und gleich gesellt sich gern“, aber ein anderes, nicht weniger bekanntes, sagt: „Gegensätze ziehen sich an“. Ein harmonisches Eheleben ist eher von einem ebenbürtigen Partner zu erwarten, aber das Feuer der Leidenschaft wird eher durch einen fremdartigen und rätselhaften Partner entfacht.

Vom Eheleben wird in den Zaubermärchen, wie schon gesagt, bis auf wenige Ausnahmen nicht erzählt. Aber wenn wir uns die Brautwerbung ansehen, können wir aus ihr erschließen, welche Märchen aus welcher Gruppe ein glückliches Ende erwarten lassen und welche nicht.

1. Der Parvenu und die Königstochter

„Gegensätze ziehen sich an“, aber wenn sie zusammentreffen, kann es gehörig krachen. Wenn ein mittelloser junger Mann eine reiche Erbin heiraten will, stößt er in ihrer Familie und auch in der Gesellschaft meist auf Ablehnung. Deshalb warnt ein anderes Sprichwort: „Gift bleibt Gift, ob Mit- oder andres Gift.“ Und weil es dann meist zu heftigen Konflikten kommt, gibt es was zu erzählen. Deshalb ist es kein Zufall, dass diese Gruppe in der Grimmschen Sammlung die größte ist.

Die goldene Gans: Ausgerechnet ein „Dummling“, der dritte Sohn eines armen Holzhauers, der „verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt wurde“, gewinnt die Hand einer Königstochter. Wie ist ihm das gelungen?

Ein Vater schickt seine Söhne der Reihe nach in den Wald zum Holzhauen. Dort begegnet ihnen ein „altes, graues Männchen“, das sie um einen Teil ihrer Brotzeit bittet. Nur der Dummling ist dazu bereit und erhält zum Dank „eine Gans, die hatte Federn aus reinem Gold“. Danach begegnet er in dem Gasthaus, in dem er übernachtet, den drei Töchtern des Gastwirts, dann dem Pfarrer, dem Küster und schließlich zwei Bauern. Weil die drei Mädchen die goldene Gans, der Pfarrer das junge Mädchen, der Küster den Pfarrer und die Bauern den Küster anfassen, bleiben alle sieben aneinanderhängen und laufen dem Dummling mit der Gans hinterher.

Der Dummling kommt in eine Stadt, „da herrschte ein König, der hatte eine Tochter, die war so ernsthaft, daß sie niemand zum Lachen bringen konnte. Darum hatte er ein Gesetz gegeben, wer sie könne zum Lachen bringen, der sollte sie heiraten.“ Warum kann die Königstochter nicht lachen? Wenn wir uns an den Text halten, dann hat die Königstochter weder eine Mutter noch Geschwister, sondern nur den Vater. Der aber regiert als König das Land, statt sich um seine Tochter zu kümmern. Wie soll sie da lachen können? Als die Königstochter den Dummling mit der Gans und den sieben Personen, die hinterherlaufen, erblickt, „fing sie überlaut an zu lachen und wollte gar nicht wieder aufhören“. Sie will nicht aufhören, denn sie ist endlich einmal vergnügt. Und deshalb, so lässt sich folgern, ist der von allen verachtete und verspottete Dummling für sie genau der Richtige.

Dagegen gefällt er dem König natürlich gar nicht. Dieser wünscht sich als Nachfolger jeden anderen als einen armen „schlechte[n] Bursch, den jedermann einen Dummling nannte“. Deshalb stellt er ihm drei unlösbare Aufgaben, die der Dummling aber mithilfe des „grauen Männchens“ löst. Schließlich muss der König zustimmen, die Hochzeit wird gefeiert, und der Dummling erbt nach des Königs Tod das Reich. Wenn der Erzähler das Märchen mit den Worten beendet: „der Dummling […] lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin“, dann lässt sich ihm diesmal zustimmen und ergänzen, dass auch sie mit ihm vergnügt gelebt hat.

Die goldene Gans, das ist ein Märchen, das wider alle Erwartung glücklich endet. Der Held, ein Dummling, hat einfach Glück gehabt – und er hat sein Glück gemacht.

2. Das arme Mädchen und der Königssohn

Wenn umgekehrt ein armes Mädchen einen reichen und mächtigen Mann heiratet, wird dies von der Gesellschaft toleriert oder findet sogar ihre Zustimmung. Auch heute träumen viele Väter und Mütter von einer guten Partie und bedrängen ihre Töchter, dem reichen Freier das Ja-Wort zu geben, selbst wenn ihr vor ihm graut wie im Räuberbräutigam und im Blaubart.

Die wahre Braut: Ein Mädchen kommt dank der Hilfe einer alten Frau, die die von der Stiefmutter aufgetragenen Arbeiten für sie erledigt, in den Besitz eines Schlosses. Als vermeintliche Prinzessin zieht sie viele Freier an und verlobt sich schließlich mit einem Königssohn, der „ihr Herz zu rühren wußte“. Ob auch sie sein Herz gerührt hat, lässt der Erzähler offen. Der Bräutigam will vor der Hochzeit heimziehen und seinen Vater um Erlaubnis fragen und gibt ihr das Versprechen, ihr treu zu bleiben und sich nicht auf die linke Backe küssen zu lassen, was er aber offensichtlich bricht, denn sie wartet drei Tage lang vergeblich auf seine Rückkehr. Dann bricht sie mit drei schönen Kleidern auf, sucht ihn auf der weiten Welt und lebt schließlich bei einem Bauern als Hirtin.

Nach mehreren Jahren hört sie, dass die Tochter des dortigen Königs heiraten will, sieht den Bräutigam vorbeiziehen und erkennt in ihm ihren Liebsten, während er sie nicht mehr zu kennen scheint. Darauf geht das verlassene Mägdlein wie Aschenputtel mit ihren schönen Kleidern auf das Dreitagesfest. Der Königssohn erkennt sie wieder nicht, ist aber sofort „ganz von Liebe erfüllt“, tanzt nur mit ihr und blickt keine andere mehr an. Dass unter den „anderen“ auch seine zweite Braut, die Königstochter, sein dürfte, da es ja ihr Hochzeitsfest ist, erwähnt der Erzähler nicht. Am dritten Abend erkundigt sich der Königssohn, wer sie sei, und als sie ihn als Antwort auf die linke Backe küsst, erkennt er endlich die „wahre Braut“. Er führt sie, ohne mit seiner zweiten Braut zu sprechen, zu seinem Wagen und fährt mit ihr zu seinem „Wunderschloß“, in dem schon der „Priester“ mit dem ganzen Hofstaat auf die beiden wartet, um sie zu vermählen. Der Erzähler ist über dieses Happy End so begeistert, dass er es mit den Lichtern von Glühwürmchen, dem Duft einer Linde, blühenden Blumen und dem Gesang exotischer Vögel ausschmückt. Dass der Herzensbrecher, falls er nach einigen Jahren erneut einer schönen, jungen Königstochter begegnet, zum dritten Mal untreu werden könnte, kommt dem Erzähler nicht in den Sinn. Wer aber statt dem Erzähler der erzählten Handlung folgt, dem werden spätestens hier Bedenken kommen.

3. Die Hochzeit von Königskindern

In den Kinder- und Hausmärchen gibt es nur halb so viele Heiraten zwischen Königkindern wie Mesalliancen. Und diese Märchen haben meist kein überzeugendes Happy End, auch wenn die Ehen nicht von den königlichen Vätern gemacht sind.

König Drosselbart: „Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Maßen schön, aber dabei so stolz und übermütig, daß ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab und trieb noch dazu Spott mit ihnen.“

Ihr Stolz besteht für den Erzähler darin, dass sie die ihr vom Vater vorgestellten Freier ablehnt, ihr Übermut, dass sie diese auch noch verspottet. Zum Beweis schildert er das große Fest, zu dem der König die „heiratslustigen Männer“, natürlich nur, wenn sie von Adel sind, eingeladen hat. Da sie die einzige Tochter eines Königs und auch noch wunderschön ist, sind natürlich alle gekommen. Die Königstochter lehnt aber alle ab und spottet über sie in witzigen, gereimten Sätzen, die ihre Klugheit zeigen. Von den Freiern weiß sie nur, dass sie von hohem oder niederem Adel sind und wie sie aussehen. Ob sie ebenfalls klug und witzig sind, ob sie Feingefühl haben, Wärme ausstrahlen, ob auf sie Verlass ist oder was sonst einen Bewerber sympathisch macht, weiß sie nicht. Wie ist es ihr da möglich, einen Lebenspartner, der zu ihr passt, auszuwählen? So spottet sie auch über einen „guten König“ – woher weiß der Erzähler, dass er gut ist? –: „der hat ein Kinn wie die Drossel einen Schnabel“, worauf die anderen ihn „König Drosselbart“ nennen.

Als ihr Vater dies hört, wird er zornig und schwört, „sie solle den ersten besten Bettler zum Manne nehmen, der vor seine Türe käme“. Wer nach einigen Tagen unter seinem Fenster singt und bettelt, ist der als Spielmann verkleidete König Drosselbart. Der alte König lässt den Spielmann hinaufkommen und einen Pfarrer holen, der ihn mit seiner Tochter traut. Danach beschimpft er sie als „Bettelweib“ und verstößt sie aus dem Schloss, wofür er vom Erzähler nicht kritisiert wird.

Der Spielmann führt seine Frau zu Fuß durch einen großen, schönen Wald und über eine schöne Wiese. Als er ihr sagt, dass diese dem König Drosselbart gehören, klagt sie:

Ich arme Jungfrau zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!

Endlich kommen sie am Ende einer großen Stadt zu einem winzigen Häuschen, in dem die Königstochter mit dem Spielmann zusammenwohnen muss. Und das bedeutet für sie: Feuer anmachen und Essen kochen, ab dem nächsten Tag Körbe flechten, Geschirr auf dem Markt verkaufen und danach im Schloss des Königs Drosselbart als Küchenmagd dienen. Als sie bei einem Fest im Königsschloss ein paar Essens-Brocken heimtragen will und der König Drosselbart sie vor den Augen aller Gäste als Diebin bloßstellt, möchte sie vor Scham sterben. Als der König Drosselbart ihr sagt, dass er der Spielmann gewesen sei und dass das alles geschehen sei, „um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen“, da weint sie und antwortet: „Ich habe großes Unrecht gehabt und bin nicht wert, deine Frau zu sein.“ Darauf feiern sie ihre Hochzeit, und ihr Vater, der sich natürlich nicht bei ihr entschuldigt, sowie der ganze Hof wünschen ihr Glück zu ihrer Vermählung.

Wenn ein Mann das Selbstbewusstsein seiner Braut oder Ehefrau gebrochen und sie sich unterworfen hat und wenn sie ihm bestätigt, dass er das zu Recht getan hat, dann ist für den Erzähler die Voraussetzung für eine gute Ehe gegeben. Denn er sagt: „und die rechte Freude fing jetzt erst an“, und fügt hinzu: „Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabeigewesen.“ Er zeigt sich überzeugt, dass zumindest seine männlichen Zuhörer und Leser diese „rechte Freude“ mit ihm teilen.

4. Die Hochzeit von Kindern armer Leute

Das Gebot, seinem Stand gemäß zu heiraten, galt zur Zeit der Brüder Grimm nicht nur in Königshäusern, sondern auch in armen Familien und gilt hier überwiegend noch heute. Dies bezeugen Redensarten wie „Wer heiraten will, der suche seinesgleichen“ oder „Wer heiraten will ohne Wehe, suche seinesgleichen zur Ehe“. Und auf dem Dorf hielt man sich an den Spruch: „Heirate über den Mist, so weißt du, wer sie ist.“ Denn eine Heirat mit seinesgleichen oder dem Nachbarskind ist nur selten eine Liebesheirat, erspart aber Konflikte, die wehtun. „Heiraten aus Liebe enden trübe“, lehrt ein anderes Sprichwort.

Der Liebste Roland: Ein schönes und gutes Mädchen hat eine Stiefmutter, die eine „rechte Hexe“ ist und sie töten will. Das Mädchen geht „zu seinem Liebsten, der Roland hieß“, und sagt ihm: „wir müssen eilig flüchten“. Roland gibt ihr zwar den guten Rat, „daß du erst ihren Zauberstab wegnimmst, sonst können wir uns nicht retten“, und er zwingt die Hexe am Ende eines Verwandlungswettkampfs durch seine „Zaubergeige“, sich in einer Dornenhecke zu Tode zu tanzen, womit er dem Mädchen das Leben rettet. Doch als er zu seinem Vater geht, um die Hochzeit zu bestellen, gerät er „in die Fallstricke einer anderen, die es dahin brachte, daß er das Mädchen vergaß.“ Auch wenn der Erzähler die Schuld auf die andere schiebt, es ist Roland, der untreu geworden ist.

Das verlassene Mädchen verwandelt sich in eine Blume in der Hoffnung, dass jemand sie umtritt. Sie ist so traurig, dass sie nicht weiterleben will. Doch es kommt ein Schäfer, der die schöne Blume nach Hause trägt. Nachdem er sie dank dem Rat einer „weisen Frau“ entzaubert hat, steht anstelle der Blume ein schönes Mädchen vor ihm. Er fragt sie, ob sie ihn heiraten will. Das Mädchen will ihrem „Liebsten Roland, obgleich er es verlassen hatte, doch treu bleiben“ und verspricht dem Schäfer, seinen Haushalt zu führen.

Als Roland mit der anderen Hochzeit halten will, sollen alle Mädchen zu Ehren des Brautpaars singen. Als ganz zuletzt das treue Mädchen zu singen anfängt, springt er auf und ruft: „Die Stimme kenne ich, das ist die rechte Braut, eine andere begehr ich nicht.“ „Alles was er vergessen hatte […], das war plötzlich in sein Herz wieder heimgekommen“, berichtet der Erzähler. Aber dass er Reue gezeigt hätte und dass er sie und auch die zweite Braut um Verzeihung gebeten hätte, sagt der Erzähler nicht. „Da hielt das treue Mädchen Hochzeit mit seinem Liebsten Roland und war sein Leid zu Ende und fing seine Freude an.“ „Seine Freude“, das ist die Freude des Mädchens, nicht die von Roland. Wie lange wird ihre Freude anhalten? Bis Roland die nächste Schöne trifft und sich in ihre Fallstricke begibt.

Wenn ein armer Junge um eine Königstochter freit, wird er ihr in der Regel nicht untreu, weil er nur auf den Königsthron aus ist und ein Seitensprung diesem Ziel nicht förderlich wäre, oder weil er trotz des extremen Standesunterschieds zu ihr passt (Die goldene Gans). Ein Königssohn neigt dazu, ob er sich mit einem armen Mädchen (Die wahre Braut) oder mit einer Königstochter verlobt hat, sich, sobald er sie aus den Augen verloren hat, mit einer anderen zu trösten. Wenn er zu guter Letzt zu der „wahren Braut“ zurückfindet, hält er es nicht für nötig, sie um Verzeihung zu bitten, und schiebt die Schuld auf andere oder auf die Umstände.

Dagegen scheint die Heldin, ob sie eine Königstochter ist wie die stolze Schöne in König Drosselbart oder ein einfaches Mädchen wie die wahre Braut und die Braut des liebsten Roland, für ein dauerhaftes Eheglück prädestiniert zu sein – sofern ihre Treue nicht nur auf Gehorsam oder Dankbarkeit beruht, sondern auch auf Liebe. Während die treulosen Bräutigame – meist sind es Königssöhne – trotz ihrer Seitensprünge oder anderer Verstöße ihr Glück machen, werden die treulosen Bräute erst nach schwerer Buße geheiratet oder mit dem Tod bestraft.

Hier möchte ich auch ein Wort für die zweiten Bräute einlegen, die am Schluss die Verlierer und Verlachten sind. Der Erzähler stellt in mehreren Märchen eine „wahre“ und eine „falsche Braut“ gegenüber. Wer sich hier falsch verhalten hat, ist aber der Königssohn, der sein Eheversprechen gebrochen und sich ein zweites Mal verlobt hatte. So zeigt sich in den Brautwerbungsmärchen ein krasser Gegensatz zwischen männlicher Untreue und weiblicher Treue, den aber der Erzähler als Kind seiner Zeit nicht wahrnimmt oder bewusst beschönigt. Inzwischen haben sich die Frauen auch in dieser Hinsicht emanzipiert.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag ist dem Manuskript des langjährigen Märchen-Forschers Wilhelm Solms zu einem Buch über Bilder der Familie in den Märchen der Brüder Grimm entnommen, das am 23. Dezember 2020 als E-Book und im Januar 2021 gedruckt in unserem Verlag LiteraturWissenschaft erscheint. Siehe dazu den Hinweis in dieser Ausgabe!