Entkörperung des Erlebens - Barbara Dudens Kritik am Missbrauch des "Begriffs Leben" in einer Neuausgabe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1991, also vor mehr als 15 Jahren, erschien Barbara Dudens Essay über den "Frauenleib als öffentlichen Ort" und zum "Missbrauch des Begriffs Leben" in der seinerzeitigen Diskussion um Schwangerschaft und deren Abbruch. Thema des Essays war, "wie die Kirchen, Mediziner, Bioethiker und Pädagogen das Leben - 'ein Leben' - im Bauch der Frauen ausheckten und die Frauen zu lernen begannen, das kommende Kind als Entwicklungsprozess zur Sache zu machen" und so die "sinnlich-somatische Wahrnehmung" der Schwangeren zu "desorientier[en]". An Stelle eines ehemals "in den Sinnen widerhallende[n] Wissens" trat die "Interpretation des Geschehens durch Experten".

Der Text hat der Autorin zufolge bis heute nicht an Aktualität eingebüßt und so hat sie ihn nun - zwar ergänzt um ein neues Vorwort, doch ansonsten unverändert - neu auflegen lassen.

In dem neuen Vorwort befasst sie sich insbesondere mit den Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils zum Schwangerschaftsabbruch, das 1993 (also wenige Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe) gefällt wurde, und aufgrund dessen Frauen sich "vor dem Abbruch" seither "einer obligatorischen Beratung unterzieh[en]" müssen.

Die Abtreibungsgesetzgebung, so die Autorin, "dient dazu, die sinnliche Wahrnehmung der Frau, ihr Nachdenken über sich und ihren Zustand zu formen". Ob sie wirklich dazu dient, (diese Wirkung also intendiert war), mag dahingestellt sein, dass sie de facto dazu geführt hat, ist allerdings kaum zu bezweifeln. Somit "zerstört" das Gesetz die Möglichkeit, "unschuldig und beherzt ein 'Nein' zu sagen zu einer persönlichen leiblichen Veränderung und zu tun, was notwendig ist, damit das monatliche Blut wieder kommt".

Nach wie vor prangert Duden die "Ungeheuerlichkeit" an, die darin liegt, "dass Kinder hinfort durch die kalkulierte Entscheidungsfindung der Frauen auf die Welt kommen", und beklagt die damit verbundene "Entkörperung des Erlebens" der Frauen. Ihre seinerzeitige Hoffnung, mit ihrem Text "zur Ablehnung eines Denk- und Erlebniszwanges in der Schwangerschaft ermutigen", erklärt sie inzwischen jedoch etwas resigniert, sei heute "noch haltloser" geworden.

R.L.


Titelbild

Barbara Duden: Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Mißbrauch des Begriffs Leben.
Mabuse Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
136 Seiten, 15,90 EUR.
ISBN-13: 9783938304761

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