Zweifel und Irritationen

Kathrin Friedrich über Darstellungen weiblicher Gewalt in drei zeitgenössischen Hollywoodfilmen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Frauen üben bekanntlich eher selten Gewalt aus, erleiden sie dafür aber umso öfter. Unter Jugendlichen scheint sich das in jüngster Zeit allerdings ganz langsam ein wenig zu ändern. Auch Mädchen schlagen inzwischen gelegentlich zu. In gewissen Kreisen zumindest. Schon seit längerem hat sich das in Hollywood- und anderen Filmen geändert. So bevölkern immer mehr starke Serienheldinnen wie Alias, Buffy, Xena oder wie Max in "Dark Angel" den Bildschirm, die - wenn erforderlich - nicht zögern, Gewalt anzuwenden, und damit erfolgreich sind. Gleiches gilt für die Leinwand, auf der sich die Heldinnen der Hollywoodproduktionen "Elektra", "DOA", "Drei Engel für Charlie" ebenso durchschlagen wie Ellen Ripley in den "Alien"-Filmen oder Tarantinos Heroinen in "Kill Bill" und "Death Proof". Ganz zu schweigen von den Rächerinnen der Mädchen-Gang in Todd Morris' als B-Movie auftretendem Independent-Werk "A Gun for Jennifer".

Nun hat Kathrin Friedrich unter dem schlagwortartigen und somit vagen Titel "Film. Killing. Gender." eine einschlägige Untersuchung publiziert. Worum es in der Studie geht, verrät der Untertitel "Weiblichkeit und Gewalt im zeitgenössischen Hollywoodfilm" schon etwas genauer. Der umfasst zwar sowohl Frauen angetane wie von Frauen angewandte Gewalt, doch befasst sich Friedrichs Arbeit nur mit letzterem. Mit gewalttätige Protagonistinnen in Hollywoodfilmen also.

Anhand der Filme "Kill Bill Volume I und II" (2003/2004), "Domino" (2005) und "Monster" (2003) geht die Autorin der Frage nach, "welche Welt für den Blick und die Vorstellungen des Zuschauers erschaffen wird, wenn auf der Leinwand metzelnde, blutrünstige und kaltherzige Frauen zu sehen sind, die sich scheinbar jenseits bisheriger geschlechtlicher Konnotationen bewegen." Auch interessiert sie, ob diese Figuren "die gängigen Inszenierungsmuster und filmischen Strukturen durchbrechen können, um auch die 'Vorstellungen' des Zuschauers zu irritieren", und ob "der Film" überhaupt wirklich nach "neuen Weiblichkeiten" sucht. Bietet er etwa gar ein "subversives, dekonstruktivistisches Potential zur Durchbrechung eingeübter Geschlechterbilder" an?

Zur Beantwortung dieser Fragen stützt sich die Autorin vornehmlich auf die von Andrea Maihofer in "Geschlecht als Existenzweise" (1995) entwickelte Gender-Theorie und fasst Geschlecht "als Existenzweise und hegemoniale[n] Diskurs" auf. Ersteres biete sich für die vorliegende Untersuchung an, da dies erlaube, "den Blick sowohl auf die Körperlichkeit der jeweiligen Figur zu richten als auch auf die diese hervorbringenden (filmischen) Mechanismen und Strukturen sowie Geschlecht als eine die vollkommene Entität bestimmende Existenzweise anzusehen." Eine gegen Ende etwas dunkle Behauptung, da nicht ganz klar werden will, was hier unter einer vollkommenen Entität zu verstehen ist. Denkbar wäre allerdings, dass einfach nur zwei Worte vertauscht wurden und Friedrich sagen will, die Existenzweise bestimme die Entität vollkommen.

Die Reihenfolge der untersuchten Filme ("Kill Bill", "Domino" und "Monster") wählte Friedrich entsprechend ihrer "ansteigenden Rückbindung an 'gesellschaftliche Realitäten', der 'Qualität' der Gewaltinszenierung und ihrer Genrezuordnung." Eine Entscheidung, die der Untersuchung und ihrer Nachvollziehbarkeit zugute kommt. Da zu den drei Filmen "nur wenige bzw. gar keine wissenschaftlich-theoretischen Sekundärtexte" vorliegen, ist es umso bedauerlicher, dass Friedrich den von Achim Geisenhanslüke und Christian Stetz 2006 herausgegebenen Sammelband "Unfinished Business", dessen oft erhellende Beiträge sich Tarantinos "Kill Bill" widmen, nicht rezipiert hat beziehungsweise aufgrund seines späten Erscheinens wohl nicht mehr rezipieren konnte.

"Domino", der mittlere der drei untersuchten Film ist schnell abgehandelt. Wie die Autorin bemerkt, bietet er nicht mehr als eine "von Plattitüden durchdrungene Story", in der die titelstiftende Figur umso stärker "in eine spezifisch weibliche Rolle gedrängt" wird, "je expressiver, je effektvoller und unberechenbarer die Gewalthandlungen" sind. Seine "einfache Aussage" behauptet, Frauen stehe zwar ein bisschen Gewalttätigkeit und Aggression "ganz gut", wenn sie sich jedoch "gegen Männer richtet" beziehungsweise die Weiblichkeit der Figuren bei ihrer Ausübung "negiert zu werden droht, muss die Rückführung zu 'fundamentalen Grundfunktionen' von Weiblichkeit, wie Sexappeal, Fürsorge und heterosexueller Beziehungsfähigkeit, gewährleistet werden." Kurz, er propagiert "letztlich ein fast konservatives Bild von Weiblichkeit."

Anders liegen die Dinge bei dem zweiteiligen Film "Kill Bill". Und zwar sowohl dessen Weiblichkeitsbild wie auch Friedrichs Interpretation betreffend. Zurecht bemerkt die Autorin, dass beide Teile ein "hohe Maß an Selbstreflexivität" beweisen und "eine Fülle von 'Angriffspunkten' zur Irritation traditioneller Weiblichkeitsbilder" zeigen, womit sie "den Blick auf gängige geschlechtliche Zuschreibungen und deren ironische Brechungen bzw. groteske Erscheinungsformen" eröffnen. Manche von Friedrichs Ausführungen sind hingegen weniger plausibel.

Hinzu kommen kleinere 'faktische' Irrtümer. So wird Pai Mai von seiner Schülerin Elle Driver keineswegs mit seiner "eigenen Waffe geschlagen". Denn heimtückische Giftmorde gehören ganz sicher nicht zu seinem Arsenal. Auch ist zweifelhaft, ob Driver Budd "aus Geldgier" ermordet. Die Figur selbst legt zumindest andere Beweggründe nahe. Des Weiteren trifft es nicht zu, dass der "Physiognomie" der Schauspielerin Lucy Liu, die in "Kill Bill" und "Domino" eine Figur von "strenge[r], eiskalte[r], konservative[r] Weiblichkeit" darstellt, diese Eigenschaften der Figuren "eingeprägt" zu sein scheinen. Da sollte Friedrich mal die Filme "Drei Engel für Charlie" und "Lucky#Slevin" (2006) oder auch die Fernsehserie "Ally McBeal" anschauen.

Wichtiger ist aber, dass die Autorin im Entscheidenden nicht überzeugen kann. Dies ist die Frage, ob Tarantino Kiddo, alias "Die Braut", letztlich auf die Mutterrolle festlegt. Friedrich bejaht sie, wobei es nur "fraglich" bleibe, "wie es zu bewerten ist, dass Tarantino am Ende seine Protagonistin scheinbar doch in die 'Eindeutigkeit' der Mutterrolle zurückführen möchte." Sicher ist sich Friedrich hingegen, dass die "Motivation, die hinter der Gewaltausübung [Kiddos] steht", "letztlich durch den vermeintlichen Tod ihres Kindes 'legitimiert'" wird. Eine Lesart, die vom Film nicht getragen wird. Abgesehen davon, dass die Mordorgie an ihrem Bräutigam, den Trauzeugen und anderen in der Kirche Anwesenden, vor allem aber der Mordversuch an ihr selbst schon Gründe genug wären, könnte Kiddo bei dieser Motivlage, die Absicht Bill zu ermorden aufgeben, nachdem sie erfahren hat, dass ihre Tochter noch lebt. Doch hindert sie dieses Wissen keineswegs daran, ihren Rachefeldzug zu vollenden und auch Bill zu töten. Weiter führt Friedrich zur Stärkung ihrer These, Kiddo werde auf die Mutterrolle festgelegt, an, dass sie in der letzten Sequenz gemeinsam mit ihrer Tochter gezeigt wird. Das trifft zwar zu, doch ist es nicht das letzte Wort des Films. Denn entscheidend für die Frage, ob Tarantino seine Protagonistin auf die Mutterrolle festschreiben will, ist die dieser Sequenz folgende, bereits vom Abspann unterlegende Szene, in der Kiddo im offenen Cabriolet davon fährt. Mit im Wagen hat sie ihr Schwert, nicht aber das Kind.

Auch Friedrichs Interpretation des letzten Films "Monster" ist nicht gänzlich überzeugend. Schon dass dieses auf einem realen Fall basierende Werk nur in geringerem Maße "ein subversives Potential bezüglich Weiblichkeitsdarstellung in sich tragen" könne wie "rein fiktionale Filme", will nicht einleuchten. Zudem referiert Friedrich die Handlung auch diesmal nicht immer korrekt. Die Prostituierte Aileen Wourno begeht ihr erstes Tötungsdelikt nicht, nachdem ein Freier "versucht [hat] sie brutal zu vergewaltigen", sondern nachdem er es tatsächlich getan hat. Friedrich konstatiert einige Seiten später selbst, er habe Wourno "mit einem Gegenstand" vergewaltigt. Auch tötet Wourno nicht nur "mehrere Freier", sondern zuletzt einen Mann, der die hilflos wirkende Frau aus reiner Hilfsbereitschaft aufgabelt und mitnimmt.

Ähnlich wie bei der Interpretation von "Kill Bill" ist Friedrichs Lesart des Films aber auch im Entscheidenden nicht nachvollziehbar. "Eine Frau, die durch ihre Gewalttätigkeit herrschende Strukturen angreift und zudem auch in ihrer Weiblichkeit ambivalent bleibt, verdient den Tod", lautet ihr zufolge die Botschaft des Films. So werde "die Betonung des 'true story'-Charakters zu Beginn des Films und das Insert am Ende, welches den Zeitpunkt ihrer Hinrichtung benennt, zu einer fast 'heilsamen Sicherheit' für den Zuschauer. Die Frau ist tot, die Sicherheit wieder hergestellt, das Zweifeln hat ein Ende." Abgesehen davon, dass Wournos Gewalttaten keineswegs die herrschenden Strukturen angreifen, kommen die von Friedrich zuvor zurecht benannten Ambivalenzen und Zweifel des Film mit diesem Ende keineswegs selbst zu einem Ende.

Friedrichs über die drei Filme hinausreichenden, allgemeineren Aussagen zu Darstellungen weiblicher Gewalt in zeitgenössischen Hollywoodfilmen und den subversiven Möglichkeiten einer "postfeministisch ausgerichtete[n] Filmtheorie" bleiben, sofern sie überhaupt getroffen werden, eher vage.


Titelbild

Kathrin Friedrich: Film. Killing. Gender. Weiblichkeit und Gewalt im zeitgenössischen Hollywoodfilm.
Tectum Verlag, Marburg 2008.
169 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783828895621

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