Zwangloses Geplauder

Renata Schmidtkunz interviewt die renommierte Geschlechterforscherin Christina von Braun

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Christina von Braun gilt zurecht als Kulturwissenschaftlerin, Geschlechterforscherin und Cineastin von Rang. Weniger bekannt dürfte hingegen sein, dass sie dem Vorstand der „Grünen Akademie in der Heinrich Böll-Stiftung“ und den Präsidien des Goethe-Instituts und des Evangelischen Kirchentags angehört. Anlässlich der Feiern zur 90-jährigen Einführung des Wahlrecht für Frauen in Österreich und Deutschland führte die ebenfalls der evangelischen Kirche verbundene Radio- und Fernsehjournalistin Renata Schmidtkunz 2008 im ORF ein Gespräch mit der vielfältig tätigen Kulturschaffenden und Wissenschaftlerin. Nun liegt es als kleines gebundenes Büchlein der Reihe „Im Gespräch“ vor.

Dem eigentlichen Dialog ist ein kurzes, anonymes Vorwort vorangestellt, von dem man getrost wird annehmen dürfen, dass Schmidtkunz es verfasst hat. Der leicht hagiografische Zungenschlag, mit dem von Braun etwa als „Universalgelehrte“ vorgestellt wird (als könnte es die heutzutage noch geben), lässt nicht eben ein Gespräch erwarten, dem die Interviewerin durch kritisches Nachfragen die Würze gibt. Tatsächlich beschränkt sich Schmidtkunz denn auch auf die Rolle der beflissenen Stichwortgeberin.

Zunächst lässt sie von Braun auf den im Fin de Siecle geführten Kampf der Frauen um ihr Stimmrecht, ihr Recht auf universitäre Bildung und auf die Zweite Frauenbewegung der 1970er-Jahre zurückblicken. Dass errungene Frauenrechte einen back lash erleiden könnten, hält die Befragte im Unterschied zu manch feministischer Science-Fiction-Autorin nicht für denkbar. „Einen wirklichen Rückgang hinter das, was von Frauen der letzten zwei, drei Generationen errungen wurde, kann ich mir nicht wirklich vorstellen“, meint sie vertrauensvoll. Nur „geringe Rückgänge“ seinen möglich, „Aber nicht wirklich grundlegend, dazu bedürfte es einer Diktatur“.

Von der ‚Frauenfrage‘ lenkt Schmidtkunz geschickt auf „Wissenschaftsfragen“ über und gibt von Braun Gelegenheit, auf die sich zu „Leitwissenschaften“ entwickelnden „Lebenswissenschaften“ hinzuweisen, zu denen der Genderforscherin zufolge „die Biologie, die Medizin, zum Teil auch die Philosophie und andere gehören“. Die Befragte selbst schlägt in diesem Zusammenhang eine Brücke zum Verhältnis von Fortpflanzung und Sexualität, indem sie darauf verweist, „dass heute in Amerika ein Prozent aller Kinder nur noch per In-vitro-Fertilisation geboren werden“.

Wenn es möglich sei, Fortpflanzung von Sexualität abzukoppeln und man „befruchtete Eizellen einfrieren kann, ist die Kontrolle der weiblichen Sexualität“ von Braun zufolge „ziemlich unwichtig geworden“. Eine verblüffende Stellungnahme, geht es bei der Kontrolle weiblicher Sexualität doch wahrhaftig nicht einzig und alleine um die männliche Herrschaft über die Fortpflanzung. Sie sieht aber genau darin den Grund dafür, dass in den „europäischen Staaten […] auf einmalige Weise alle Sexualgesetze gelockert“ worden sind. Staaten wie Irland und Polen, mit ihren restriktiven Abtreibungsgesetzen, scheinen dem gemäß nicht zu den europäischen Staaten zu zählen.

Zu guter Letzt gibt Schmidtkunz von Braun Gelegenheit, noch ein wenig für ihre beiden jüngst erschienen und in Thematik und Überzeugungskraft so unterschiedlichen Bücher „Stille Post“ und „Verschleierte Wirklichkeit“ zu werben.

Titelbild

Renata Schmidtkunz: Im Gespräch - Christina von Braun. In der Geschlechtsordnung zeigt sich das Unbewusste jeder Kultur.
Mandelbaum Verlag, Wien 2009.
57 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783854763048

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