Altersmild geworden
Nach langer Panne präsentiert Michael Scharang seinen neuen Roman „Komödie des Alterns“ und variiert darin seine alten Themen
Von Beat Mazenauer
In den 1970er-Jahren hat sich der österreichische Prosaautor und Essayist Michael Scharang einen Namen mit Büchern gemacht, in denen er die Arbeitswelt in Augenschein nahm. „Charly Traktor“ oder „Harry“ überzeugten mit präzisen Beschreibungen der alltäglichen Wirklichkeit im Unterschichtsmilieu, essayistische Einlagen erweiterten diese Schilderungen mit analytischem Witz. Scharang hat sich dabei immer als engagierter Dokumentarist „von unten“ und als vehementer Kritiker Österreichs verstanden.
Daran erinnert auch sein jüngster Roman, der den Autor nach einer Publikationspause von mehr als zehn Jahren neu in Erinnerung ruft. Wie der Titel „Komödie des Alterns“ andeutet, zeigen sich seine Protagonisten, die mit dem Autor das Alter teilen, hier gereifter, aber auch resignierter. Sechzig, das ist zwar weit entfernt vom wirklichen Alter, aber die beiden Freunde Heinrich und Zacharias spüren bereits die Last der Jahre. Der eine ein österreichischer Autor, der andere ein ägyptischer Ingenieur, sind sie in lebenslanger Freundschaft miteinander verbunden. Mit siebzehn Jahren begegneten sie sich als Aushilfsarbeiter in einem Kapfenberger Stahlwerk – von Michael Scharang in großartigen Bildern aus dem Innern dieses mahlenden Molochs beschrieben. Gemeinsame Vorlieben für die klassische Musik und geteilte Ansichten über Gott und die Welt gipfelten später in der Utopie eines genossenschaftlichen Landwirtschaftsbetriebs am Rande der ägyptischen Wüste. Sein Funktionieren sollte dem Kapitalismus ein Schnippchen schlagen.
Das Werk gelang unter Zacharias’ Leitung – einzig die geplante Akademie ist nie verwirklicht worden. Genau dies aber hat zu einer Verstimmung zwischen den Freunden geführt, einer Verstimmung, deren Ursachen kaum nachvollziehbar sind und daher mit Hass und dem Glauben an böse Intrigen beantwortet wurden. Solche Gefühle haben sie altern und resignieren lassen, als Hungerkünstler verweigern sie sich der Welt, um schneller zu einem Ende zu kommen. Wider eigenes Wollen treffen sie sich dennoch ein letztes Mal zum definitiven Showdown: zwei müde gewordene Helden in der Lobby des Kairoer Flughafens. Der Weg zu diesem „Duell“ ist auf beiden Seiten gepflastert mit Erinnerungen an die Lebensfreundschaft, die vom jeweils anderen schmählich verraten worden sei. Deshalb verläuft das Zusammentreffen – so ist leicht zu erahnen – nicht kriegerisch, sondern versöhnlich.
In klassischer, um nicht zu sagen etwas altbackener Manier erzählt Michael Scharang, wie Heinrich und Zacharias zusammenfinden und ihre Missverständnisse ausräumen. Die gemeinsame Utopie einer lebenswerten Arbeitswelt lässt sich nicht verleugnen. „Arbeit mag notwendig sein, aber dass der eine sich die Früchte der Arbeit des anderen aneignet und dass dieser Diebstahl zu einer Gesellschaftsordnung erhoben wird, die auch noch kundtut, es gäbe keine bessere, das trieb die beiden jungen Männer dazu, eine Revolution […] für unerlässlich zu erklären“.
Die gesellschaftlichen Gegensätze der beiden – Heinrich ist der Sohn eines armen steirischen Stahlarbeiters, Zacharias gehört zu den Stützen der ägyptischen Gesellschaft – hat sie darin stets nur bestärkt. Scharang lässt die beiden die ökonomische Realität der Globalisierung heftig ablehnen und die Verhältnisse in den beiden Ländern Österreich und Ägypten kritisieren. Über das Ganze gesehen bleiben diese Aspekte aber Aperçu einer Freundschaftsgeschichte, die Scharang eher gemächlich vor uns ausbreitet. Sein Roman, der märchenhaft beginnt („Es waren zwei Männer“), steigert sich zum Lamento über das Altern, das die beiden Helden zunehmend karikiert. Endet so ein idealistisches Streben? Nur hier und da funkelt die Komödie auf, um sogleich wieder in umständliches, nicht immer stilsicheres Räsonieren zu münden. Vor allem die überhand nehmende indirekte Rede bewirkt, dass der Roman kaum Dynamik entwickelt. Die beiden Freunde tragen ihr letztlich versöhnliches Duell ohne echte Dialoge aus.
![]() | ||
|
||
![]() |