Mönche und heilige Monster

Julien Bendas „Der Verrat der Intellektuellen“ wiedergelesen – mit Hinweisen auf seine Beziehung zu Heinrich Mann

Von Michael StarkRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Stark

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kein Zweifel, die Intellektuellen sind heute wieder gefragt. Auch auf dem Feld der ihnen gewidmeten Forschung und Dokumentation hat sich im letzten Jahrzehnt viel getan.[1] Die Zeit der teils trauernden, teils erfreuten Nekrologe und vordergründigen Geredes von ihrem ‚Verschwinden‘ ist vorbei. Sie verging, täuscht nicht alles, synchron mit jenem Zeitgeist, den das neoliberale Dispositiv und postmodern flexibler Denkstyle erzeugte. Was spektakuläre Rhetorik als ‚Ende‘, ‚Tod‘ und ‚Untergang‘ des/der Intellektuellen beschwor, entdeckt sich wissenschaftlicher Betrachtung als ein periodisches Problem der Intellektuellengeschichte: Historisch verändern sich nicht nur die Handlungsbedingungen der intellektuellen Intervention und die Chancen öffentlicher Einflussnahme, sondern auch gesellschaftliche Funktion und Zielvorstellungen und, last but not least, das führende Personal. Zuweilen handelt es sich um gravierende Veränderungen. „Vermissen wir nicht“, fragte Jürgen Habermas vor einigen Jahren fast ungläubig, „die großen Auftritte und Manifeste der Gruppe 47, die Interventionen von Alexander Mitscherlich oder Helmut Gollwitzer, die politischen Stellungnahmen von Michel Foucault, Jacques Derrida und Pierre Bourdieu, die eingreifenden Texte von Erich Fried oder Günter Grass?“[2] Ginge es nach den Ergebnissen der empirischen Kommunikationsforschung zu, wären die meisten Deutschen überfragt oder über das Entgangene unsicher.

Abgang und schwindende öffentliche Präsenz dieser einflussreichen Intellektuellen-Generation kritischer und engagierter Beobachter der bundesrepublikanischen und europäischen Entwicklung rufen wohl nur dort kein Bedauern hervor, wo man linksliberalen ‚mainstream‘ missbilligt und dem Wirken der genannten Wortführer anlastet. Wo man um dessen politisch-kulturelle Hegemonie fürchtet, überwiegt dagegen die Sorge um deren Nachfolge. Mehr denn je sei notwendig, angesichts noch nie dagewesener globaler Herausforderungen, nicht annähernd begriffener technologischer und ökonomischer Prozesse und für demokratische Systeme riskanter sozialer Verwerfungen und Tendenzen zu politischer Apathie, der besonderen Verantwortung des Intellektuellen gerecht zu werden und sich durch beherztes Engagement, überlegte Argumentation und parteiliche Empathie coram publico einzumischen.

Zwar sprechen empirische Indizien für eine gesellschaftlich, politisch und kulturell bedingte Einebnung der mit individueller Intervention verbundenen Rollenansprüche seitens der Akteure wie auf Seiten der Rollenerwartungen des breiteren Publikums. Auch sind Formen medialer Marginalisierung und – Stichwort: ‚Medien-Intellektuelle‘ – fragwürdige Surrogate in Rolle und Habitus nicht zu verkennen. Zugleich mehren sich Anzeichen einer Politisierung der eher desinvolviert wirkenden ‚Generation X‘ und Appelle, bei der Wiederkehr des politischen Intellektuellen auf der richtigen Seite mitzutun, beispielsweise – Stichwort: ‚Partei-Intellektuelle‘ – als kreative Ratgeber des Regierungshandelns und Kommunikatoren einer wachstumsfixierten Realpolitik anzutreten. Wer mangels zur Wahl gestellter Alternativen zum unterschiedslos propagierten ‚Weiter so‘ des auf extremer Maßlosigkeit beruhenden Wohlstandsmodells jedoch provokant zuredet, den Urnengang zu boykottieren, muss damit rechnen, umgehend des ‚Verrats‘ an der Demokratie bezichtigt zu werden.[3] Geht ein ‚Whistleblower‘ das ungleich größere Wagnis ein, administrativ gelenkte, systematische und weltweite digitale Überwachung aufzudecken, drohen Anklage und Verurteilung wegen ‚Landesverrat‘.

Möglich und prototypischen Intellektuellen-Affären analog wäre jedoch, das ‚Verratene‘ anders zu decodieren. Demnach verriete der sogenannte ‚Verräter‘ nur einen klandestinen ‚Verrat‘ der Regierungseliten am eigenen Volk einer ahnungslosen Öffentlichkeit. Unerhörtes und in dieser Schärfe ganz Unerwartetes wird derzeit schließlich auch – Stichwort: ‚Religions-Intellektuelle‘ – von höchster römisch-apostolischer Autorität über lebensfeindliche Effekte und die kriegsaffine Struktur des imperialen Marktradikalismus gesagt und auf den weithin akzeptierten ‚Verrat‘ an christlichen Wertvorstellungen verwiesen.

In diesem Kontext empfiehlt sich ein wieder aufgelegter ‚Klassiker‘ der Intellektuellen-Literatur der Relektüre, dem nicht zufällig ein Satz von Charles Bernard Renouvier voransteht: „Le monde suffre du manque de foi en une vérité transcendante.“ (Die Welt leidet an einem Mangel an Vertrauen in eine transzendente Wahrheit): Julien Bendas „Der Verrat der Intellektuellen“ (La trahison des clercs), übersetzt von Arthur Merin, als Hardcover und als eBook inside.[4] Die nach Art der „Colléction Les Cahiers Rouges“ aufgemachte Publikation enthält die Einleitung der Neuausgabe von 1946, den Text der Erstveröffentlichung von 1927 sowie die originalen Anmerkungen zu beiden Teilen. Die erste deutsche Ausgabe, in derselben Übertragung, aber mit Jean Amérys Vorwort: „Benda, der Unzeitgemäß-Überzeitliche“ (München, Wien: Hanser 1978, Reihe Hanser, 234, S. 7-11) versehen, sowie deren Nachdrucke (Frankfurt am Main: Ullstein 1983, UB 35181; Frankfurt am Main: S. Fischer TB 1988) sind länger schon vergriffen. Hinzu kommt, dass der Text zu den nachhaltigen Zeugnissen feldinterner Intellektuellenkritik gehört. Zu Recht gilt er als eine Art „Urtext“[5] für spätere Diskurse über das Versagen von Intellektuellen und die Krisen des intellektuellen Engagements im 20. Jahrhundert. Man wird deshalb die Initiative uneingeschränkt begrüßen, diese häufig erwähnte, rhetorisch überaus elegante und scheinbar unkomplizierte Streitschrift erneut nachzudrucken. Natürlich drängt sich – Buch von gestern, heute gelesen – die Überlegung auf, ob es über den zu einem geflügelten Wort gewordenen Titel hinaus auch dem argumentativen Gehalt nach als ein aktuell gebliebenes Plädoyer für intellektuelle Selbstdisziplinierung oder gar wegweisend für Versuche gelten kann, die Rolle des kritischen Intellektuellen zeitgemäß zu konfigurieren. Zur Modernität und zur Rezeptionsgeschichte der Trahison sind einige kritische Anmerkungen angebracht.

Nomen est omen

Naives oder beabsichtigtes ‚Blabla‘ über Intellektuelle zu unterlaufen, wäre üblicherweise zwischen Wort-, Begriffs- und Sachgeschichte und zwischen empirischer Sozialfigur und der idealtypischen Figur des/der Intellektuellen zu unterscheiden. Über die Entstehung des modernen Sozialtyps um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Kontext der Dreyfus-Affäre sind sich heutige Intellektuellensoziologie und -philologie einig. Eine ephemere Vorgeschichte scheint das sich damals durchsetzende Schlagwort ‚intellectuels‘ in der Schrift „Du système industriel“ (1821) des Frühsozialisten Henri de Saint-Simon gehabt zu haben.[6] Anders als die beeindruckenden linguistischen Recherchen von Dietz Bering suggerieren könnten, geht der Begriff des/der Intellektuellen keineswegs in der Gebrauchsgeschichte des Terms ‚Intellektuelle/r‘ auf. Gerade Bendas Traktat zeigt, wie weit einerseits die begrifflich assoziierte ‚Idealfigur‘ über Voltaire und Erasmus hinaus in der abendländischen Kultur verankert ist. Nicht grundlos verweist er auf Jesus und Sokrates (S. 215 u.ö.). Auf der anderen Seite wirkt es kontraintuitiv und bleibt eine zweifelhafte Rückprojektion, die Mönche des Mittelalters, die hebräischen Schriftgelehrten, die Philosophen der griechischen Antike oder die Propheten der Bibel als prototypische ‚Intellektuelle‘ zu bezeichnen.

Zur Bestimmung des Intellektuellenbegriffs in Bendas Terminologie kommt man an der ungewöhnlichen Prädikation „Clercs“ (S. 82 u.ö.), zu Deutsch mitunter auch „Geistespriester“ (S. 184), nicht vorbei. In anderem, nämlich negativen Sinn – Stichwort: ‚Linksintellektuelle‘ –, mag „Cléricature“ (S. 205) durch Helmut Schelskys Abrechnung mit der „Priesterherrschaft der Intellektuellen“ aus den Siebzigerjahren noch erinnerlich sein. Bendas eigentümliche Wortwahl ist, nebenbei bemerkt, sicher kein Zeichen dafür, wie wenig geläufig die Rede von den „intellectuels“ damals und ausgerechnet im Französischen noch war. Auch die häufigere Annahme, der Text sei hierzulande erstmals 1978 in deutscher Sprache lesbar gewesen, bedarf einer Korrektur. Schon 1948 erschien ein ins Deutsche übersetzter Auszug unter der Bendas Intentionen näheren Überschrift „Der Verrat der Geistigen“ im 3. Jahrgang von Willi Weismanns Literaturzeitschrift „Die Fähre / Literarische Revue“. Offenkundig ging es Benda darum, ein eigenes trennscharfes Fahnenwort für das von ihm gemeinte intellektuelle Ethos und dessen philosophisch-kulturelle Prinzipien zu finden. Denn auch Vertreter der französisch-nationalen Kreise – Stichwort: ‚Rechtsintellektuelle‘ –, die er politisch attackieren wollte, titulierten sich längst ebenso als „intellectuels“. Im Französischen bezeichnet ‚Clerc‘ den juristisch-amtlichen Schreiber wie in religiös-klerikaler Sprache den Geistlichen und Mönch. Benda benutzt die Codierung, um ‚falsche‘ oder ‚vorgebliche‘ gegen ‚vorbildliche‘ bzw. ‚richtige‘ Intellektuelle abzugrenzen: „Gemeint ist eine Klasse von Menschen, die ich die Clercs nennen will – das heißt all jene, deren Aktivitäten schon vom Wesen her nicht auf praktische Ziele ausgerichtet sind: Menschen, die ihre Befriedigung in Kunst, Wissenschaft oder metaphysischer Spekulation, kurz im Besitz immaterieller Güter suchen und damit zu sagen scheinen: ‚Mein Reich ist nicht von dieser Welt.‘“ (S. 107). Bekanntlich konnte bereits Walter Benjamin diesem Leitbild nicht viel abgewinnen, dessen basaler Dualismus von ‚vita contemplativa‘ und ‚vita activa‘ bzw. von Kleriker und Laie untauglich war, die moderne Funktion des Intellektuellen von der des Politikers zu unterscheiden. Seine Kritik ist mehrfach als prinzipieller Einwand fortgeschrieben worden: „Bendas Intellektuellenideal, und die Bezeichnung clerc ist dafür nur sichtbarster Ausdruck, hat durch und durch religiös-theologischen Zuschnitt. Es orientiert sich am Typus des hebräischen Schriftgelehrten und des mittelalterlichen Schreibers und Mönches und steht inhaltlich der scholastischen Zwei-Schwerter-Lehre nahe. Bendas Traum ist die Welt als gigantisches Kloster.“[7] Zu bedenken wäre freilich, dass man ein Pamphlet vor sich hat, das nicht allein die extreme Politisierung der Intelligenz anklagen wollte, sondern nicht zuletzt auch den Geltungsverlust transzendentaler und den Siegeszug rein materieller und egoistischer Orientierung in der Moderne beklagte.

Der wissenschaftlich heute weitgehend einvernehmliche Gebrauch als richtungspolitisch neutrales Wort kennzeichnet ‚Intellektuelle‘ allgemein als Menschen, „die wissenschaftlich, künstlerisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig sind, dort Kompetenzen erworben haben und qualitativ ausgewiesen sind und die in die öffentlichen Auseinandersetzungen und Diskurse kritisch oder affirmativ intervenieren und Position beziehen; sie sind dabei nicht notwendig an einen bestimmten politischen, ideologischen oder moralischen Standort gebunden; folglich kann es sie in unterschiedlichen politischen Lagern oder Strömungen sowie innerhalb und außerhalb institutioneller Bindungen geben.“[8]

Grundsätzlich im jeweiligen Metier zuhause und ihrer Profession verbunden, treten sie häufiger oder gelegentlich in der Rolle des sich einmischenden Intellektuellen auf. Den diversen Zielen ihres Interventionismus entsprechend, muss man historisch mindestens drei Sozialtypen des/der Intellektuellen unterscheiden: den kritisch-libertären Typus, der die zeitgenössische rechtliche, politische oder religiöse Gouvernanz in Frage stellt, den organischen Intellektuellen, der ein etabliertes politisches System erhält und verteidigt – Stichwort: ‚Funktionsintellektuelle‘ –, und der parteiliche Typus, der sich für ein partikulares Anliegen oder eine Partei einsetzt, mit der Absicht, ein System durch ein anderes oder eine Regierung durch eine andere abzulösen. Unter den rezenten Versuchen, die Intellektuellenrolle zu bestimmen, wurde vor allem Michel Foucaults Konzept des „spezifischen Intellektuellen“[9] prominent.

Gemeint ist ein aus lokalem Wissen gerechtfertigtes Engagement, das konkret auf Verbesserungen der Verhältnisse in institutionellen Apparaten zielt (Haftanstalten, Psychiatrien, Kliniken, Bürokratien, Universitäten), während Pierre Bourdieus Konzeption des „kollektiven Intellektuellen“[10] am korporativen Einsatz für universelle Werte festhält, der sich auf Autonomie und Autorität im Kompetenzbereich der Akteure gründet. Beide halten den durch Jean-Paul Sartre repräsentierten grenzüberschreitenden Anspruch des „allgemeinen“ oder „totalen Intellektuellen“ für überholt. Benda, so könnte man es reformulieren, verbot dem auf die universellen Werte der Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit verpflichteten Intellektuellen zwar strikt die Grenzüberschreitung zum parteilich engagierten, erlaubte aber kritische Intervention, in seiner Metaphorik zu sprechen also, dem ‚Mönch‘ das Klaustrum bzw. dem ‚Gelehrten‘ den ‚Elfenbeinturm‘ ausnahmsweise und vorübergehend zu verlassen: „Der Clerc verrät meiner Ansicht nach mit dem Hinabsteigen auf den Schauplatz der Politik seine Aufgabe nur, wenn er sich […] dorthin begibt, um einer realitätsverbundenen Klassen-, Rassen- oder Nationalleidenschaft zum Triumph zu verhelfen.“ (S. 113) Auch Sartre hielt Intellektuelle, „das monströse Produkt monströser Gesellschaften“[11], für eine liminale Erscheinung, für eine Grenzgestalt, die sich ohne Zwang und Not von der guten Gesellschaft der Kleinbürger und Großverdiener absentiert, wie aus der Art geschlagen und jenseits der Ordnung der Dinge steht, aber Anerkennung finden und zum „heiligen Monster“ nobilitiert werden kann, wenn sie Glück hat.[12] Die Grenzen des fachlich Kompetenten und des spezifisch Qualifizierten, das heißt des ihm verhassten Seriösen zu überschreiten, war nachgerade Elixier seines Existenzialismus und intellektuellen Habitus.

Sacrificium intellectus

Bendas ursprünglicher, in vier Abschnitte gegliederter Text (I. Die moderne Perfektionierung der politischen Leidenschaften. Das Zeitalter des Politischen, II. Die Bedeutung dieses Trends. Das Wesen der politischen Leidenschaften, III. Die Intellektuellen und ihr Verrat, IV. Gesamtüberblick und Prognosen) verhängt das Anathem über Intellektuelle, denen aus Sicht des Autors nichts mehr ‚heilig‘ zu sein scheint. Nach Art eines Kirchenvaters schließt er sie aus dem Kanon und seiner ‚Kirche‘ der Intellektuellen aus. Grund dieser – im Bilde zu bleiben – demonstrativen Exkommunikation war nicht bloß der Vorwurf, das kritische Wächteramt des distanzierten Räsonniers aufgegeben und sich in willige Fürsprecher und Vertreter nationaler, völkischer und ideologischer Interessen verwandelt zu haben. Kern der Anklage war, die „Werte des Clerc“ auf dem Altar ersatzreligiöser partikularer Leidenschaften geopfert zu haben und nun an der Organisation des gegenseitigen politischen Hasses mitzuwirken, der sein destruktives Potenzial entfalten würde. Bendas düstere und hellsichtige Prognose: Eine „Menschheit […], in der jede Gruppe verbissener denn je dem Bewußtsein der eigenen Sonderinteressen gerade unter dem Aspekt ihrer Besonderheit huldigt“, eine „solche Menschheit treibt dem totalsten und perfektioniertesten Krieg entgegen, den die Welt je erlebt hat, gleich ob er nun unter Nationen oder unter den Klassen stattfinden wird.“ (S. 199) Der Widerstreit gegen den zeitgenössischen Nationalismus zwingt Benda freilich selbst auf die politische Bühne und, an seinem platonischen Modell gemessen, zur Konkretisierung und kontingenten Zuordnung der als „statisch“, „interessefrei“ und „rational“ (S. 71) gesetzten Leitoptionen der Gerechtigkeit, Wahrheit und Vernunft, die der humanistische Diskurs in der Moderne nicht im ‚Outback‘ der gesellschaftlichen Realität verhandeln kann. Daher rühren die inneren Widersprüche seiner Verrats-Schablone.

Vom Vorwurf des Sacrificiums nimmt er das öffentliche Engagement der Dreyfusards ausdrücklich aus, muss es jedoch zum Endpunkt der quasi geistlichen, ‚reinen‘ Tradition umdeuten: „Gerson, der auf die Kanzel von Notre-Dame stieg, um die Mörder Ludwigs von Orléans mit Worten zu verdammen; Spinoza, der unter Lebensgefahr an die Tür der Mörder Witts schrieb: ‚Ultimi barbarorum‘; Voltaire, der für Calas ins Feld zog; Zola und Duclaux, die in einem berühmten Prozeß in den Zeugenstand traten: diese Clercs walteten auf erhabenste Weise nur ihres Amtes. Sie waren die Offizianten der abstrakten Gerechtigkeit, unbeschmutzt von Leidenschaften für irdische Dinge.“ (S. 113)

Sonach wäre die vielberufene ‚Urszene‘ des modernen eingreifenden Intellektuellentypus das letzte Aufgebot der ‚Clercs‘ gewesen. Weder aber lässt sich die Geschichte der Intellektuellen im 20. Jahrhundert einfach als Geschichte des ubiquitären Verrats der Idealität der Moral oder am Bekenntnis zur Universalität darstellen, noch bestreiten, dass sich viele gerade für freiheitliche Demokratie und die offene Gesellschaft eingesetzt haben, das „einzige politische System, dem der Intellektuelle Gefolgschaft leisten kann, ohne sich selbst untreu zu werden“ (S. 58), wie es in der Einleitung zur Neuausgabe der Trahison nach dem Zweiten Weltkrieg heißt. Wenig überzeugend sind auch Bendas Ausführungen zum intellektuellen Einsatz für den Kommunismus. In einer Fußnote zu Sartre liest man: „Ich lege Wert auf die Feststellung, daß ich den Intellektuellen, der sich der kommunistischen Bewegung anschließt, nicht hinsichtlich des Ziels dieser Bewegung angreife: der Emanzipation des Arbeiters. Dieses Ziel entspricht der Gerechtigkeit, und der Clerc bleibt a fortiori seiner Rolle treu, wenn er es herbeiwünscht. Ich greife ihn an, weil er die Mittel glorifiziert, die diese Bewegung zur Erlangung ihres Ziels einsetzt: gewaltsame Mittel, die wohl nicht anders als gewaltsam sein können, denen der Clerc jedoch Traurigkeit entgegenbringen sollte, nicht Enthusiasmus oder gar religiöse Verehrung. Um so schärfer greife ich ihn an, als er sich für diese Mittel oft nicht nur um ihres Zweckes willen ereifert, sondern sie als Selbstzweck preist: beispielsweise die Unterdrückung der Freiheit oder die Mißachtung der Wahrheit.“ (231f.) Für potentielle Opfer der als machtpolitisches Mittel tolerierten Gewaltanwendung dürfte solch folgenloser Moralismus kaum tröstlich sein. Schlimmer noch: Im Hintergrund erscheint die ordensgeschichtliche Zweiklassen-Sozietät der Klöster, in denen die Chormönche sich dem Gebet und ‚reiner’ Reflexion hingeben konnten und die ‚schmutzige‘ Arbeit den Konversen und Bediensteten überantwortet war.

Jenseits mancher Paradoxien, Simplifikationen und konzeptioneller Schwächen der Trahison und eingedenk des fulminanten Plädoyers gegen nationalistische Versionen der Wahrheit und Gerechtigkeit und seiner Abweisung eines Primats des Partikularen wurde Bendas vernichtender Kritik der Lebensphilosophie kritische Relevanz für postmoderne Visionen einer bereichsspezifischen pluralen Vernunft bescheinigt.[13] Benda polemisiert gegen den Vitalismus Bergsons und gegen Nietzsche, dessen ‚Umwertung der Werte‘ der desaströsen Paralyse moralischer Kriterien und der Abkehr der verunsicherten Intelligenz vom Evangelium der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zugrundeliege. Gegen diese Zuschreibung, der Philosoph sei Verräter und Totengräber der christlich-abendländischen Kultur gewesen, wandte sich unter anderem Oscar Levy, der deutsch-britische Nietzsche-Forscher, als zehn Jahre nach Erscheinen der Trahison im Exil in Frankreich diskutiert wurde, ob die europäische Zivilisation denn von Nietzsche her zu Hitler gelangt sei. Die Frage werde „französisch“, d.h. mit dem Template von Benda irreführend beantwortet, meinte Levy, zumal der Ankläger Benda „in einem Punkt selbst mitschuldig ist. Er selbst nämlich hat Friedrich Nietzsche verraten.“[14]

Benda müssen gegen Ende der Abfassung des Traktats, in dem sich resignative und zynische Töne mischen, Bedenken gekommen sein, ob die Krise der Intellektuellen und die Veränderung zu dem von ihm beklagten intellektuellen Fehlverhalten wirklich als Selbstverrat der Clercs und als geistesgeschichtlich erklärbare Transformation zu verstehen sind. Zwar verfügte er weder über eine soziologische Theorie zum Objekt noch über materialistisches Analyse-Besteck. Für Zusammenhänge zwischen dem kritisierten Geistesverrat und den sozio-ökonomischen Bedingungen der intellektuellen Produktion war er aber nicht blind: Unter anderem führte er Karrierestreben, Statuskonkurrenz und die Sucht nach Anerkennung an. Lange vor dem postmodernen Hype der Absenz des Intellektuellen sah er hinter den Kulissen und Mystifikationen die pragmatisch-opportunistische Wende: „Der neue [eigennützige, M.St.] Glaube der Intellektuellen ist größtenteils Folge der gesellschaftlichen Umstände, denen sie unterworfen sind; somit ist das wahre Übel, das es in unserer Zeit zu beklagen gilt, vielleicht gar nicht der Verrat der Intellektuellen, sondern das Verschwinden der Intellektuellen: die Unmöglichkeit in der heutigen Welt eine Existenz als Clerc zu führen.“ (S. 182f.)

Habent sua fata libelli

Glaubt man der Cover-Werbung der Neuausgabe, sind die Trahison trotzdem kein Buch von gestern, sondern aktueller denn je: „Die denkenden Schichten haben willentlich aufgehört“, so wird Bendas These referiert, „zwischen rationalem Argument und sentimentalem Betroffensein zu unterscheiden. […] Was damals nur zu ahnen war, zeigt sich heute in voller Blüte: Intellektuelle sind in ihrem Bestreben, mitzumachen und politisch ‚aktiv‘ zu sein, zu den Hauptpropagandisten von Militarismus, Nationalismus, Klassenhass, Rassismus und Irrationalismus geworden.“ Der allerneueste ‚Verrat‘ scheint also ganz der alte. Anders als bei Benda werden allerdings keine Namen genannt, und man ist auf eigene Vermutungen oder Recherchen angewiesen.

Als die Streitschrift mit den Intellektuellen der Zwischenkriegszeit ins Gericht ging, bestand über die Adressaten kein Zweifel. Gemeint und namentlich bezichtigt waren die antidemokratisch eingestellten französischen Nationalisten wie Maurice Barrès und intellektuelle Rechtsextremisten wie Charles Maurras, aber auch D’Annunzio und deutschnationale Gelehrte wie Heinrich von Treitschke. Überhaupt gilt Benda das deutsche Kaiserreich als Eldorado eines überdrehten intellektuellen Nationalbewusstseins. Denkt man an das berüchtigte sogenannte ‚Manifest der 93‘, kann man es ihm nicht verdenken.[15] Im Mai 1946 fasst Benda die Erfahrungen der zwei Jahrzehnte seit Erscheinen des Pamphlets wie folgt zusammen: „Der Intellektuelle hat seine Pflicht auf das schmählichste verraten, als er im Augenblick des faschistischen Triumphs das Unrecht tolerierte, weil es eben ‚eine Tatsache‘ darstellte; […] Das Gesetz des Clerc lautet – selbst dann, wenn das ganze Universum vor dem zur Weltherrschaft gelangten Unrecht in die Knie fällt –, aufrecht zu bleiben.“(S. 68)

Das zielte primär gegen die Vichy-Kollaborateure, aber auch Intellektuelle wie François Mauriac und Jean Paulhan, die sich zu nachgiebig verhalten hätten, waren gemeint. Als neue Verräter sind die Antikommunisten im Visier, dazu die Anhänger des dialektischen Materialismus und sentimentale Pazifisten: Gewalt im Namen der Gerechtigkeit sei mit dem Ideal des wieder auferstandenen ‚Clerc‘ zu vereinen, und muss, was den damaligen Sieg der Alliierten über das „Dritte Reich“ angeht, auch als verständliches Votum geteilt werden.

Nach wie vor bediente sich Benda des Topos und der schneidenden Rhetorik des ‚Verrats‘, obwohl es schon in den Zwanzigerjahren Usus und gefährliches Ritual geworden war, intellektuelle Dissidenz und kosmopolitische Opposition als solchen anzuprangern. Wie gerade die Geschichte der Arbeiterbewegung[16] lehrt, zog die Parole für die Verdächtigten nicht selten fatale existentielle Triage nach sich und munitionierte den Diskurs der ideologischen Exklusion bis in die Stalinschen Säuberungen 1936/1938. Eine Reflexion der vom Inhalt und Bendas ursprünglicher Intention abgelösten Rolle, die der Titel in der Propaganda des unausweichlichen Verrats an der bürgerlichen Klasse spielte, sucht man vergebens. In der späteren Rezeption und den aktualisierenden Phasen, die den Wiederauflagen folgten, wurde das Buch als allgemeine Kritik der Verführbarkeit des Intellektuellen gelesen und diente etwa Kurt Sontheimer als argumentative Folie, neomarxistische Optionen der 68er-Bewegung zurückzuweisen.[17] Jean Améry sah in Bendas Trahison ein kritisches Gegengift zum neuen Irrationalismus, den er Michel Foucault, Gilles Deleuze, Félix Guattari, Jacques Derrida, Ivan Illich und André Gorz unterstellte.[18] Mit der von Améry bevorworteten Neuausgabe von 1978 entdeckten auch Autoren der Linken Bendas radikal-rationalistische Absage an alles Irrationale und sein „Beharren auf einem Universellen, das niemals aufgeht in partikularen Erscheinungsformen“[19] für sich, indessen den vermeintlich ‚vaterlandslosen‘ Wiedervereinigungs-Skeptikern wiederum mit Bendas Trahison die Leviten gelesen wurden.

Im journalistischen Stimmengewirr aller Couleur scheint der Text heute beliebig anschließbar und die sozusagen ‚gemeinfreie‘ Rede vom „Verrat der Intellektuellen“ noch längst nicht aus der Mode.[20] Vieles und Verschiedenes kann damit gemeint sein, wie man ahnt: die „Preisgabe der Ideale und Utopien im vorauseilenden Gehorsam vor den Mächtigen“[21] generell, angebliche neo-nationalistische und bellizistische Einschlüsse besonders in der politischen Publizistik und einschlägigen Essays von Martin Walser, Botho Strauß, Hans Magnus Enzensberger, Wolf Biermann, Cora Stephan und Uwe Tellkamp[22] oder die Wiederkehr identitärer Reaktionsmuster in der Debatte über Migration und Kulturrelativismus.[23] Gegen diese diagnostizierten Tendenzen ist der Impetus zur Neuausgabe der Trahison gerichtet und auf Provokation der Frage nach der aktuellen Verantwortung des ‚public intellectual’ aus.

Figura manet

Dass zum Schluss der Schriftsteller-Intellektuelle Heinrich Mann in die Betrachtung einbezogen wird, sollte nicht weiter verwundern. Benda war fast gleichaltrig und teilte die spezifischen Erfahrungen der in den Gründerjahren des 19. Jahrhunderts Geborenen. Beider Lebenszeit reichte vom Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bis zur Befreiung Europas von Faschismus und Nationalsozialismus. Allgemeiner publik ist und Ursache für nachwirkende Vorbehalte, dass sich beide als bekennende Verächter der reaktionären Rechten und Antifaschisten gerühmte Autoren leider über Stalin und den Sowjetkommunismus getäuscht haben. Mit seinem berühmten, einstmals gegen die angepasste bürgerliche Elite unter Wilhelm II. gezielten Diktum „Ein Intellektueller, der sich an die Herrenkaste heranmacht, begeht Verrat am Geist“, hatte sich Heinrich Mann schon vor Benda in das Suchraster für intellektuelle ‚Sacrificia‘ eingeschrieben. Am Rande vermerkt, weiß man erst aufgrund von Band 2 der neuen „Kritischen Gesamtausgabe“ seiner Essays und publizistischen Schriften, dass dieser stets nach dem Manifest „Geist und Tat“ (1910) zitierte Satz bereits im Oktober 1909 in einer erweiterten Version in einem Heidelberger Studenten-Almanach stand: „Ein Intellektueller, der den Aristokraten spielt, den Kampf des Volkes verachten möchte […].“[24]

Zu Heinrich Manns positiver Charakterisierung des Intellektuellen sind noch immer der berühmte Zola-Essay (1915) und die Notizen dazu maßgeblich, in denen er den Intellektuellentypus, dem er sich zugehörig fühlte, präzisiert: „Der Intellektuelle von 1890 ist ein Kämpfer, dessen Glaube u. Ziel der Geist ist. Er ist gewillt, Vernunft und Menschlichkeit auf den Thron der Welt zu heben, und so beschaffen, dass sie ihm schon jetzt als die wahren Mächte erscheinen, als jene, die Zwischenfällen zum Trotz, doch jedesmal allein aufrecht bleiben.“[25] Die Kenntnis dieser Leitidee ist für das Verständnis von Heinrich Manns Credo des „erbitterten Idealismus“[26] deshalb unerlässlich, weil sie die vorwegnehmende Rhetorik vieler seiner Essays und ‚statements’, die zur Irritation des Lesers häufig das Erhoffte als bereits Erreichtes konstatieren, als programmatische Strategie erhellt. Zu erwähnen ist hier auch, dass Benda Heinrich Mann mit einem Widmungsexemplar der Trahison bedachte. Von dessen Lektüre zeugt u.a. ein Brief, der das „Dilemma“ des Intellektuellen zu artikulieren versucht: „Die Möglichkeit des freien Denkens hängt heute vom Kapitalismus ab, – der seine Mächte aber dazu benutzt, den Gedanken fast ganz auf seine Seite zu bringen. (‚La Trahison des Clercs‘) Sollen wir auf die Gedankenfreiheit eine Zeitlang verzichten zu Gunsten einer gewissen Verbesserung der gesellschaftlichen Ordnung? Auch diese neue Ordnung wird Missbrauch treiben, und dies wird wieder den Gedanken herausfordern. Er wird immer wiederkehren. – Natürlich aber ist auch ein zeitweiliger Verzicht gewagt. Überdies bleibt er uns fremd. Ich spreche gewöhnlich, als ob ich nie daran dächte.“[27] Ein Ruhmredner scheinbar alternativloser Gegebenheiten war er nicht und versuchte den Spagat, als Schriftsteller ein Intellektueller zu sein und als Intellektueller Schriftsteller zu bleiben.

In Anlehnung an Erich Auerbachs Figura-Konzept hat Wolfgang Klein auf die abendländische, christlich-jüdische Tiefendimension des idealtypischen Intellektuellen hingewiesen. Nicht in der engen Definition als Terminus für die empirische Sozialfigur oder als politisch normiertes Schlagwort, sondern „in der Überlegung, dass es zu den Grundbestimmungen und -erfordernissen europäischer Zivilisationen gehört, dass sie hybride Figuren der Verhandlung zwischen ihrem Tag und ihrer Wahrheit ausprägen und zu respektieren vermögen, die Wirklichkeitssicht und Prophetie ineinander zu denken und – dauernd, schmerzhaft und ständig vom Irren und Scheitern bedroht – das Gegebene und das Ideale zueinander in kritische Beziehung zu setzen wissen.“[28]

Ähnlich hat Dietz Bering jüngst den Intellektuellen als säkularen Gläubigen und ‚Priester’ der Menschenwürde im kollektiven Bewusstsein westlicher Zivilisation legitimiert: „Der reiche, seit 2500 Jahren angesparte Schatz der abendländischen Kultur sichert ihm eindrückliche Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit. […] Da er, wie alle, letztlich auf Glaubensbestände zurückgreift, rückt der dem Normalbürger näher. Denn jetzt steht der Intellektuelle da als ein forcierter citoyen, auf den keine Demokratie verzichten kann.“[29]

Am notwendigen Streit um politisch-kulturelle Hegemonie sind viele beteiligt, nicht nur Intellektuelle und keineswegs allein akademisch zertifizierte oder ‚bildungsnah‘ sozialisierte. Alle Klassen, Gruppen und Bewegungen bilden, wie auch der moderne Parteienstaat, ihre je eigenen Intellektuellen aus. Ihre Verantwortung bestimmt sich im intellektuellen Feld, das von Wissenschaft, Kunst und Politik der sozialen Bewegungen beeinflusst wird. Dort wird weiterhin das intellektuelle Ethos verhandelt, dessen Preisgabe als ‚Verrat der Intellektuellen‘ zu diskutieren ist. Man würde sie heute weniger martialisch, aber konkreter und präzise als Devianz von normativen Selbstverpflichtungen beschreiben. So sollten sich Intellektuelle, um Minimalanforderungen zu genügen, auch ferner zu allen Fragen gesellschaftlicher Organisation kritisch engagiert verhalten und dabei um intellektuelle Redlichkeit bemüht sein.[30]

Noch immer kann man mit Benda allen Intellektuellen, die sich einer exklusiven und partikularen National-, Volks-, Rassen- oder Klassenidentität beugen und verschreiben, ins Gewissen reden. Ob es sich im gegenwärtigen Intellektuellendiskurs um ein Pseudo-Revival handeln wird, hängt auch davon ab, wie sich die vielgeschmähten Medienintellektuellen entscheiden. Die Rolle als bloße Stichwortgeber und Kommentatoren medialer Spektakel ist nicht unausweichlich.

Anmerkungen:

[1] Die folgende Auswahl von Monographien und Sammelwerken, die seit dem Schwerpunkt „Intellektuelle“ (in: literaturkritik.de Nr. 5, Mai 2003) erschienen, spiegelt das unveränderte Interesse an Wort-, Begriff- und Sachgeschichte wider: François Beilecke: Französische Intellektuelle und die Dritte Republik. Das Beispiel einer Intellektuellenassoziation 1892-1939. Frankfurt am Main 2003; Michel Winock: Das Jahrhundert der Intellektuellen. Aus dem Französischen von Judith Klein. Mit einem Vorwort von Ingrid Galster.Konstanz 2003; Werner Mittenzwei: Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland 1945-2000. Berlin 2003; Richard A. Posner: Public Intellectuals. A Study of Decline. With a New Preface and Epilogue. Cambridge 2003; Pascal Ory / Jean François Sirinelli: Les intellectuels en France. De l’affaire Dreyfus à nos jours. Paris 2004; François Beilecke / Katja Marmetschke (Hgg.): Der Intellektuelle und der Mandarin. Für Hans Manfred Bock. Kassel 2005; Harald Bluhm / Walter Reese-Schäfer (Hgg.) Die Intellektuellen und der Weltlauf. Schöpfer und Missionare politischer Ideen in den USA, Asien und Europa nach 1945. Baden-Baden 2006; Ralf Dahrendorf: Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung. München 2006; Stefan Collini: Absent Minds. Intellectuals in Britain. Oxford 2006; Gangolf Hübinger: Gelehrte, Politik und Öffentlichkeit. Eine Intellektuellengeschichte. Göttingen 2006; Denis Sdvizkov: Das Zeitalter der Intelligenz. Zur vergleichenden Geschichte der Gebildeten in Europa bis zum Ersten Weltkrieg. Göttingen 2006; Hubert Wissing: Intellektuelle Grenzgänge. Pierre Bourdieu und Ulrich Beck zwischen Wissenschaft und Politik. Wiesbaden  2006; Manfred Gangl / Gérard Raulet (Hgg.): Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage. Frankfurt am Main u.a. 1994, 2., neubearb. und erw. Aufl.. 2007; Ingrid Gilcher-Holtey: Eingreifendes Denken. Die Wirkungschancen von Intellektuellen. Weilerswist 2007; Dirk Moses: German Intellectuals and the Nazi Past. Cambridge 2007; Dominik Geppert / Jens Hacke (Hgg.): Streit um den Staat. Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960-1980. Göttingen 2008; Friedrich Wilhelm Graf (Hg.): Intellektuellen-Götter. Das religiöse Laboratorium der klassischen Moderne. München 2009; Thomas Jung  / Stefan Müller-Dohm: Fliegende Fische. Eine Soziologie des Intellektuellen in 20 Porträts. Frankfurt am Main 2009; Dietz Bering: Die Epoche der Intellektuellen 1898-2001. Geburt, Begriff, Grabmal. Berlin 2010; Thomas Hecken: Das Versagen der Intellektuellen. Eine Verteidigung des Konsums gegen seine deutschen Verächter. Bielefeld 2010 (Rez. Walter Delabar in: literaturkritik.de Nr. 5, Mai 2011); Jan Christoph Suntrup: Formenwandel der französischen Intellektuellen. Eine Analyse ihrer gesellschaftlichen Debatten von der Libération bis zur Gegenwart. Münster u. Berlin: 2010; Tony Judt: Das vergessene 20. Jahrhundert. Die Rückkehr des politischen Intellektuellen. München 2010; Thomas Sowell: Intellectuals and Society. New York 2010; Tanja Thomas: Intellektuelle und Kritik in Medienkulturen. Wiesbaden 2010; Dietz Bering (Hg.): Die Intellektuellen im Streit der Meinungen. Berlin 2011; Eva Oberloskamp: Fremde neue Welten. Reisen deutscher und französischer Linksintellektueller in die Sowjetunion 1917-1939. München 2011; Stephan Breuer: Carl Schmitt im Kontext. Intellektuellenpolitik in der Weimarer Republik. Berlin 2012; Richard Faber (Hg.): Was ist ein Intellektueller? Rückblicke und Vorblicke. Würzburg 2012. (Rez. von Herbert Jaumann in:  literaturkritik.de Nr. 1, Januar 2013); Alexander Gallus: Heimat „Weltbühne“. Eine Intellektuellengeschichte im 20. Jahrhundert. Göttingen 2012 (Rez. von Jörg Auberg in literaturkritik.de Nr. 2, Februar 2013); Joseph Jurt: Frankreichs engagierte Intellektuelle. Von Zola bis Bourdieu. Göttingen 2012;  Sebastian Liebold: Kollaboration des Geistes. Deutsche und französische Rechtsintellektuelle 1933-1940. Berlin 2012; Alexander Mejstrik, Thomas Hübel, Sigrid Wadauer (Hgg.): Die Krise des Sozialstaats und die Intellektuellen. Sozialwissenschaftliche Perspektiven aus Frankreich. Frankfurt am Main 2012; Richard Faber / Uwe Puschner (Hgg.): Intellektuelle und Antiintellektuelle im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main u.a. 2013; Thomas Kroll / Tilman Reiz (Hgg.): Intellektuelle in der Bundesrepublik Deutschland. Verschiebungen im politischen Feld der 1960er und 1970er Jahre. Göttingen 2013.

[2] Jürgen Habermas: „Ein avantgardistischer Spürsinn für Relevanzen. Was die Intellektuellen auszeichnet.“ In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 51 (2006), S. 551-557, hier S. 553; untertitelt mit „Die Rolle des Intellektuellen und die Sache Europas.“ In: Ders.: Ach, Europa. Kleine politische Schriften XI. Frankfurt am Main 2008, S. 77-87.

[3] Albrecht von Lucke: „Die Selbstverzwergung des Intellektuellen“. Gedanken zur Zeit. WDR 3, 5. Januar 2014 (www.wdr3.de/zeitgeschehen/gedankenzurzeit274.html).

[4] Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen. Essay. Aus dem Französischen von Arthur Merin. VAT-Verlag André Thiele. Mainz 2013. 308 S. 19,90 EUR. [Seitenangaben nach dieser Ausgabe in runden Klammern]. Originalausgabe: La trahison des clercs. Paris: Éditions Bernard Grasset 1927, 1946, 1975, introduction André Lwoff, eBook 2003. Das Buch ist in mehrere Sprachen übersetzt worden. Auf Englisch erschien es 1928 bei William Morrow & Company, New York. Neuausgabe: The Treason of the Intellectuals. With a new introduction by Roger Kimball. Translated by Richard Aldington. New Brunswick / London 2006.

[5] David Bathrick: „Die Intellektuellen und die Macht. Die Repräsentanz des Schriftstellers in der DDR“. In: Sven Hanuscheck / Therese Hörnigk / Christine Malende (Hgg.): Schriftsteller als Intellektuelle. Politik und Literatur im Kalten Krieg. Tübingen 2000, S. 235-248, hier S. 239. Bereits 1922, also einige Jahre früher als Benda, kam der spanische Philosoph José Ortega y Gasset in einem Aufsatz zu ähnlichen Thesen („Imperativ der Intellektualität“ (1922). In: Gesammelte Werke, Bd. V, Stuttgart 1996, bes. S. 210).

[6] Vgl. Andreas Gippers Rezension zu Joseph Jurt: Frankreichs engagierte Intellektuelle. In: H-Soz-u-Kult, 26.10.2012 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-079).

[7] Andreas Gipper: Der Intellektuelle. Konzeption und Selbstverständnis schriftstellerischer Intelligenz in Frankreich und Italien 1918-1930. Stuttgart 1992, S. 161; vgl. auch Ders.: „Julien Benda und der Patriotismus des Universalen. Bemerkungen zu einer jüdisch-republikanischen Synthese.“ In: Christoph Miething (Hg.): Jüdischer Republikanismus in Frankreich. Tübingen 1998, S. 61-77.

[8] Stephan Möbius: „Intellektuellensoziologie – Skizze zu einer Methodologie“. In: Sozialgeschichte Online 2 (2010), S. 37-63, S. 42 (http://www.stiftung-sozialgeschichte.de).

[9] Vgl. Michel Foucault: „Die politische Funktion des Intellektuellen“. In: Ders.: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits Bd III: 1976-1979. Hgg. von Daniel Defert / François Ewald. Frankfurt am Main 2003, S. 145-152 u. S. 205-213.

[10] Vgl. Pierre Bourdieu: „Der Korporativismus des Universellen. Die Rolle des Intellektuellen in der modernen Welt“. In: Ders.: Die Intellektuellen und die Macht. Hg. von Irene Dölling. Hamburg 1991, S. 41-65.

[11] Jean-Paul Sartre: „Plädoyer für die Intellektuellen“. In: Plädoyer für die Intellektuellen. Interviews, Artikel, Reden 1950-1971. Reinbek b. Hamburg 1995, S. 90-148, hier S. 109.

[12] Vgl. Dorothea Wildenberg: „Sartres ‚heilige Monster‘“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 40, 2010, S. 19-25.

[13] Vgl. Antje Büssgen: „Intellektuelle in der Weimarer Republik“. In: Jutta Schlich (Hg.): Intellektuelle im 20. Jahrhundert in Deutschland. Ein Forschungsreferat. Tübingen 2000 (Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 11. Sonderh.), S. 161-246, zu Benda bes. S. 163-171; namentlich Wolfgang Welsch: Vernunft: Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft. Frankfurt am Main 1995.

[14] Defensor Fidei [d.i. Oscar Levy]: „De Nietzsche à Hitler“. In: Das neue Tage-Buch, 9. Januar 1937, S. 38. Zit. nach Steffen Dietzsch / Leila Kais: „Oscar Levys Offener Brief im Kontext des Exils in Frankreich“. (www.kondiaf.de/publikation/levy/ol_nachbemerkung.pdf), S. 1-16, hier S. 9.

[15] Vgl. bes. Jürgen von Ungern-Sternberg: Der Aufruf „An die Kulturwelt!“. Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg. Stuttgart 1996.

[16] Vgl. bes. Simone Barck / Ulla Plener (Hg.): Verrat. Die Arbeiterbewegung zwischen Trauma und Trauer. Berlin: Karl Dietz Verlag 2009.

[17] Kurt Sontheimer: Das Elend unserer Intellektuellen. Linke Theorie in der Bundesrepublik Deutschland. Hamburg 1976.

[18] Jean Améry: „Ein neuer Verrat der Intellektuellen“. In: Die Zeit. Nr. 23, v. 28. Mai 1976.

[19] Wolfgang Fritz Haug: „Verrat oder Versagen? Fragen zum  Verhalten der Linksintellektuellen in der postkommunistischen Situation“. In: Das Argument 211, 37. Jg., 1995, H. 5, S. 653-656.

[20] Vgl. beispielsweise Siegfried Kohlhammer: „Der Haß auf die eigene Gesellschaft. Vom Verrat der Intellektuellen“. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. H. 8/9, 2007, S. 668-680; Reinhard Mohr: „Die Rückkehr der Salonlinken“. In: Die Welt v. 3. März 2012; Alan Posener: „Lauter Judasse“. In: Die Welt v. 16. Februar 2011.

[21] Vgl. Werner von Bergen / Walter H. Pehle (Hg.): Denken im Zwiespalt. Über den Verrat von Intellektuellen im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1996, S. 7.

[22] Vgl. Stephan Reinhardt: Verrat der Intellektuellen. Schleifspuren durch die Republik. Nachwort von Hermann Peter Piwitt. Berlin 2008.

[23] Vgl. Karlheinz Weißmann: „Intellekueller Verrat“. In: Sezession 41, April 2011, S. 6-8. Der Verfasser kritisiert Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift. München 2011.

[24] Heinrich Mann: Essays und Publizistik. Kritische Gesamtausgabe. Hgg. von Wolfgang Klein, Anne Flierl und Volker Riedel. Band 2, Oktober 1904 bis Oktober 1918. Hg. von Manfred Hahn unter Mitarbeit von Anne Flierl und Wolfgang Klein. Bielefeld 2012, S. 101.

[25] Ebd. S. 653.

[26] Ebd. S. 193 und S. 671.

[27] Heinrich Mann, Brief an Félix Bertaux v. 20. Mai 1928. Zit. nach: Heinrich Mann / Félix Bertaux: Briefwechsel 1922-1948. Mit einer Einleitung von Pierre Bertaux. Frankfurt am Main 2002, S. 206.

[28] W. Klein: „Vehementer Idealismus. Heinrich Manns Ein Zeitalter wird besichtigt und Frankreich“. In: Alfons Söllner (Hg.): Deutsche Frankreich-Bücher aus der Zwischenkriegszeit. Baden-Baden 2011, S. 65-98, hier S. 98; vgl. Ders.: „Die Figur des Intellektuellen“. In: Walter Fähnders / W. Klein / Nils Plath (Hgg.): Europa. Stadt. Reisende. Blicke auf Reisetexte 1918-1945. Bielefeld 2006, S. 215-230.

[29] Dietz Bering: „‘Intellektueller‘: Schimpfwort – Diskursbegriff – Grabmal?“ In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beil. zur Wochenschrift Das Parlament. 4. Oktober 2010, S. 5-12, hier S. 12.

[30] Vgl. u.a. Uwe Justus Wenzel (Hg.): Der kritische Blick. Über intellektuelle Tätigkeiten und Tugenden. Frankfurt am Main 2002.Thomas Schiendorfer: Intellektuelle Redlichkeit. Eine Annäherung. Salzburg 2005; Gerald Hartung / Magnus Schlette: Religiosität und intellektuelle Redlichkeit. Tübingen 2012.

Kein Bild

Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen. Essay.
Übersetzt aus dem Französischen von Arthur Merin.
Verlag André Thiele, Mainz 2013.
308 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783940884718

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch