Für eine neue Kultur der Muße
Ein aktueller, von Peter Philipp Riedl und Burkhard Hasebrink herausgegebener Sammelband zur kulturellen Reichweite eines alten Begriffs
Von Gabriela Wacker
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAls Kehrseite einer vielfach zu beobachtenden Beschleunigung, Effizienzsteigerung und Arbeitsintensität in der Gesellschaft und Wissenschaft ist die Aufarbeitung von Konzeptionen und historischen Paradigmen der Muße eine nicht nur intellektuelle Entdeckung. Der Wunsch nach Freiräumen der Muße in Wissenschaft und Gesellschaft besitzt eine gewisse Aktualität, wo unter anderem die Ratgeberliteratur verstärkt das „Glück des Nichtstuns“ (Ulrich Schnabel) anpreist, ohne allerdings auf philologische oder kulturwissenschaftliche Traditionsstränge einer Ideengeschichte der Muße Bezug nehmen zu müssen. Der im Rahmen des Freiburger Sonderforschungsbereichs zur Muße entstandene Sammelband leistet dem Abhilfe, indem er aus genuin wissenschaftlicher Sicht freilegt, was Muße heißt, bedeutet und welche kulturelle Energie ihr zuzuschreiben ist.
Die oberflächliche Nähe des scheinbar obsoleten Begriffs „Muße“ zur Freizeit oder gar Faulheit korrigierend, bietet ein genauer Blick auf Muße-Konzeptionen wertvolle Erkenntnisse, da der „anachronistisch wirkende Begriff“ eine breite kulturwissenschaftliche Forschung zu einem genuin „anthropologische[n] Phänomen“ erlaubt: Der Sammelband zur Muße entdeckt eine in verschiedenen Diskursen sich manifestierende Lebensform der Freiheit neu, „die in der Zeit nicht der Herrschaft der Zeit unterliegt“, also jenseits von Zwängen ein „freies Verweilen“ beinhaltet. Dabei gerät auch der Zusammenhang von rasanter Beschleunigung und Entschleunigungsstrategien, ein besonderes Paradox der Moderne, in den Blick, nämlich „das Phänomen des Zeitgewinns bei steigendem Zeitverbrauch“ sowie der „Schwellencharakter“ zwischen Tätigkeit und Untätigkeit.
In unterschiedlichen literarischen und kulturellen Kontexten sind die Muße-Konzeptionen freilich teilweise sehr heterogen, ferner sind sie in ihrer medialen Darbietung und ihren performativen Potentialen zu differenzieren, doch berühren sie immer wieder bestimmte spezifische Vorstellungen von Muße-Räumen als besonderen Frei- oder Spielräumen (etwa Heterotopien) sowie offene Zeitstrukturen und geben nicht zuletzt Aufschluss über das jeweilige kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft. Der Sammelband bietet konzentriert drei Zugänge zur Thematik: 1. theoretische Bestimmungen des Muße-Begriffs, 2. literarische Konfigurationen und 3. kulturelle Formationen.
Gemäß dem Theoria-Verständnis des Theologen Gregor von Nyssa (4. Jh. n.Chr.) erweist sich die Muße als kontemplative Lebensform und als Ausdruck eines sich selbst denkenden Denkens des Absoluten, wie Thomas Böhm zeigt. Muße impliziert demnach ein Loslassen von allen Differenzen, um ein Einssein mit sich und eine freie Selbstreflexivität zu ermöglichen. Während die selbstreflexive Denktätigkeit zwar – gut platonisch gedacht – beim Sinnlichen anhebt, um aufsteigend in den Bereich des Göttlichen zu gelangen, ist die Einigung mit dem Einen, dem In-Differenten, doch unerreichbar, so wie die Natur Gottes unaussprechlich bleibt. Eine Teilhabe am Absoluten ist nur in der „Anähnlichung“ möglich, im Bereich der Sprache im Schweigen und im zeitlosen Bereich der Reflexion im Nachdenken über die „Bedingungen des Denkens als Theorie“. Muße und Kontemplation erweisen sich hierbei als bemerkenswerte Konstellation, die über die Spätantike hinauszuweisen scheint, was es weiter zu verfolgen gilt. Während die platonischen und neuplatonischen Traditionen als Hintergrund erhellend aufgerufen werden, könnte indes noch die aristotelische Form der Theoria (unter anderem in der Nikomachischen Ethik) miteingebunden werden, da sie ebenfalls eine spezifische Lebensform der Muße beziehungsweise der philosophischen Kontemplation darstellt.
Etymologisch auf die ursprüngliche Bedeutung der Muße als Spielraum hinweisend, beleuchtet Günter Figal die Muße philosophisch, indem er ihre Räume als planlos, sich von selbst Einstellende und als Bedingungen von Gelassenheit charakterisiert. Gemäß einer phänomenalen Bestimmung sieht er in der Muße die Lebensform, die die apriorische Räumlichkeit des Lebens in besonderer Weise erfahrbar mache.
Den paradoxalen oder ambivalenten Charakter der Muße hebt Hans-Georg Soeffner überzeugend aus soziologischer Perspektive hervor, indem er ihr eine „absichtsvolle Absichtslosigkeit“ attestiert und ihre Bedeutung als „tätiges Nichts-Tun“, als lustvolle Arbeit, hervorhebt. Im Durchgang durch die Epochen stellt sich der Wandel der Muße vom Privileg hin zum Menschenrecht für alle heraus. In modernen Gesellschaften sei eine dreistellige Konstellation von Arbeit, Freizeit und Muße zu beobachten. Besonders hervorzuheben ist die mußenhafte Figur des Flaneurs, der zugleich „sieht und […] rezipierend und agierend“ gestaltet. Neben der Schaffung eigener Räume mit eigenem Zeitempfinden garantiere die Muße ferner eine „befreite Synästhesie“, die einen Raum der Imagination öffnet. Besonders interessant sind die Ausführungen zum geschlossenen Sinnbezirk, der eine Öffnung der Sinne verspricht, eine Bedingung, die nach Plessner eine notwendige Voraussetzung für jede Ästhetik, jede künstliche Einheit des Disparaten sei. Denn in der Muße ist von jeher eine Spielhaltung, ein freies Spiel der Sinne anthropologisch angelegt. Die anthropologische und (existenz-)philosophische Betrachtung mündet in den weitreichenden Befund, dass die Muße eine große Freiheit im Rahmen des menschlich Verfügbaren darstelle.
Um zu zeigen, dass Arbeit und Muße sich nicht einfach ausschließen, sondern dass lediglich eine fremdbestimmte Arbeit der Muße entgegensteht, zieht Gregor Dobler mehrere empirische Beispiele der ethnologischen Feldforschung heran, um ein mußevolles Arbeiten („Muße-in-Arbeit“) vorzustellen. Folgt man seiner Unterscheidung von aufgabenorientierter und zeitorientierter Arbeit, stellt sich der Taylorismus mit seinen kontrollierten Arbeitsabläufen negativer dar als die Fließbandarbeit eines Fordismus, weil bei letztgenannter eine freie Rhythmisierung erlaubt sei, was den Arbeitszweck vergessen lasse und sogar eine „meditative“ Form des Arbeitens in Aussicht stelle, die zeigt, dass das Gegenteil von Muße Entfremdung und nicht Arbeit ist. Dabei folgt Dobler teilweise intuitiven Annahmen – wie er selbst bemerkt – die kritisch fragen lassen, ob die „aufgabenorientierte Zeit“, die er etwa der Bauerntätigkeit attestiert, nicht eher eine Verklärung ‘harter’ Brotberufe darstellt.
Zur Abrundung der theoretischen Bestimmungen des Begriffs findet sich ein Gespräch zwischen Peter Strohschneider und den beiden Herausgebern Burkhard Hasebrink und Peter Philipp Riedl. Zwischen einem offenen und einem emphatischen Konzept von Muße unterscheidend, wird dabei auch erörtert, welcher Raum der Muße im Wissenschaftsbereich zugesprochen werden kann.
Einen semasiologischen Zugang wählend, zeigt Wolfgang Kofler, wie in Ennius’ Iphigenie Wortspiele mit dem Begriff „otium“ die Langweile der in Aulis liegenden und über diesen Zustand klagenden griechischen Krieger nachahmt und damit deren Untätigkeit geradezu poetisch inszeniert. Dieser unproduktiven Langeweile stellt er den homerischen Achill an die Seite, der im Zustand des Wartens und der Muße künstlerische Züge entwickelt. Anhand eines Plinius-Briefs wird über eine onomasiologischen Vorgehensweise (eine Sichtung benachbarter Begriffe wie „quies“, „solitudo“, „silentium“) wiederum nachvollziehbar, wie ein Bild der Jagd als Prototyp der aristokratischen Freizeitbeschäftigung autoreferentielle Züge annehmen kann, wenn der Jagende sich gleichsam als künstlerisch Tätiger ausgibt. Von hier aus lässt sich in der Tat die Hypothese aufstellen, dass Texte über die Muße oftmals poetologisch ausgerichtet sind, da das Schreiben eben die Muße zur Voraussetzung hat. Hier ließen sich vermutlich weitere Untersuchungen, auch über die lateinische Literatur hinausweisend, sinnvoll anschließen.
In seinem Beitrag zur Muße in höfischer Epik stellt Burkhard Hasebrink zwei Seiten der Muße, der semantischen Bandbreite von „gemach“ und „müezecheit“ folgend, heraus. Die in Hartmanns von Aue Iwein erwähnte „verlegeniu müezecheit“ ist mit einer moralischen Abwertung verbunden und in der intertextuellen Verwobenheit mit der vieldiskutierten „verligen“-Thematik im Erec ein Beleg für das amouröse Ausschweifen, das den Ritter von der wertvollen „arbeit umbe êre“ abhält und auch im Begriff „gemach“ gefasst ist. Der Ritter, der sich vom Kämpfen zugunsten einer verabsolutierten Minne entfernt, verliert sich geradezu an die Trägheit, die Sünde der acedia, gerät in eine Krise, die sein symbolisches Kapital der Ehre infrage stellt und einer Harmonisierung von Minne und Kampf entgegensteht. Seine Muße bietet ihm einen „Raum des Verweilens“, der Ereignishaftigkeit und âventiuren ausschließt und deswegen ein Skandalon darstellt. Als Vergleichstext für die abwertende Haltung gegenüber einem derartigen Müßiggang führt Hasebrink aufschlussreich Thomasins von Zerklære Welschen Gast an, wo die „muoze“ als Laster („untugent“) deutlich diskreditiert wird. Anders hingegen wird die Muße in der berühmten Heterotopie der Minnegrotte im Tristan gefasst, wo die Grenzen zwischen Untätigkeit und Tätigkeit verschwimmen, so dass sie nunmehr eine Auratisierung erfährt: Tristans und Isoldes Lesen antiker Liebesgeschichten, ihr Musizieren und Lauschen als sinnlich-ästhetische Erfahrungen sind ein Ausweis für die performativ inszenierte Muße, die nicht schlicht als Wildnis dem Hof entgegensteht, sondern einen artifiziell und naturalisierten Freiraum bietet, wo „Artifizialität als Bedingung sinnlich-ästhetischer Erfahrung“ fungiert. Fehlende Arbeit ist also nicht mit fehlender Beschäftigung gleichzusetzen, wenn auch die ästhetischen Handlungen der Figuren teilweise in Spannung zur „unmüezekeit des Erzählers“ stehen, der allerdings selbst zwischen Muße und „unmuoze“ oszilliert. Als Anschlussfrage böte sich freilich eine genauere Untersuchung der Qualität von Kunstproduktion und -rezeption im Rahmen weiterer poetologischer Lektüren an, um die künstlerischen Tätigkeiten zwischen Muße und Unmuße zu präzisieren.
In den Dorotheenviten des Johannes Marienwerder wird ein besonderer Ort der Muße ins Blickfeld gerückt, der sowohl eine Abgeschlossenheit von der Welt als auch eine Sicht auf den Altar und damit eine Öffnung für die Eucharistie bietet, wie Almut Suerbaum zeigt: Dorothea zieht sich als Inkluse oder Reklusin im Rahmen einer imitatio Christi von der Welt in eine Zelle zurück, wo sie sich ganz auf ihre Freundschaft mit Gott in asketischer Manier konzentrieren kann, indem sie ihren Blick auf den Altar und den Beichtvater richtet. Die Inklausurierung, die Einmauerung in eine Zelle, die eine „exklusive Gemeinschaft mit Gott“ ermöglicht, bietet einen Raum der Ruhe („rusamkeit“), der dem weltlichen Müßiggang entgegensteht. Die Besonderheit des Textes besteht letztlich im Vorbildcharakter des geschilderten Lebens der Dorothea, welcher allein durch die Lektüre eine „innere Nachahmung“ und „Ausrichtung auf die Eucharistie“ stärke.
Mit Blick auf das englische Metadrama im 18. Jahrhundert versucht Kerstin Fest das Theater als besondere Heterotopie und Heterochronie sowie als Spielraum zwischen Berufstätigkeit, Arbeit und Kommerz für die Schauspieler und letztlich auch für die Dichter im Rahmen der besprochenen „plays-within-a-play“ oder „rehearsals“ einerseits und als „Raum der Muße und des Eskapismus“ für die Zuschauer andererseits vorzustellen. Zu überprüfen bleibt, ob nicht kontrastierend andere Theaterformen zu nennen wären, die die Muße des Zuschauers infrage stellen oder den Spieler als mußevoll inszenieren. Eine performativ orientierte Theaterwissenschaft könnte grundsätzlich entgegenhalten, dass jede Theateraufführung von der Mitwirkung des Zuschauers abhängig und dieser insofern keineswegs untätig sei.
Welcher Stellenwert der Muße im Rahmen der Genie- und Autonomieästhetik zukommt, untersucht Dieter Martin. Dabei zeigt sich, dass Max Piccolominis kritischer Blick auf Wallensteins Lager an eine spezifische Erfahrung der Autonomie und der Friedensvision gebunden ist, die er im Zustand der Muße erfährt. Den Wandel des Dichters vom Müßiggänger zum mußevollen Dichter ist an Wielands Aufwertung Tassos als ausschließlich für „seine Kunst lebenden Dichters“ ablesbar. In Goethes Torquato Tasso erweist sich schließlich eine „in Muße erfahrene Autonomie als Bedingung dichterischer Kreativität“, auch wenn sie sich in radikaler Isolation, im „Sarg des Seidenwurms“ ereignet und im Kontrast zu Antonios Mußevorstellungen von Freizeit und Erholung steht, die den Unterhaltungswert der Kunst als Nebengeschäft unterstreichen.
Das Spezifikum der räumlich gestalteten Muße, die mit einer Entzeitlichung im Sinne einer Zeitlosigkeit einhergeht, hebt auch Peter Philipp Riedl in seinem Beitrag hervor, in dem er Hofmannsthals lyrisches Drama Idylle als Zeugnis für die Nähe von Muße und Mythos näher beleuchtet. Natur und entschleunigte, in Muße gefertigte Handwerkskunst werden hier im symbolischen Raum des Gartens, eines Außenraums, angesiedelt. An der Schwelle zum dionysischen Ort des Zentauren befindet sich die im passiven Müßiggang verharrende Frau, die wiederum den Innenraum des unmüßigen Schmieds als Vertreters der utilitaristischen Arbeitswelt kontrastiert. Ihre Erinnerung an das kunsthandwerkliche Schaffen des Vaters verdeutlicht einmal mehr den Zusammenhang von Muße und künstlerischem Wirken. Die Nähe zur Natur, Kreativität und (Zweck-)Freiheit am Beispiel des Kunsthandwerks geraten durch narrative Erzählungen als Raum der Muße zum Vorschein und sind eingebettet in einen Diskurs der Entschleunigung, der sowohl einen elitären (Oscar Wilde, Friedrich Nietzsche) als auch einen kommunistisch egalitären Anstrich (William Morris) besitzen kann.
Im ersten Beitrag zum Block „Kulturelle Formationen“ stellt Alexander Heising die These auf, dass man die bei Plinius dem Jüngeren in seinen Villenbriefen gut dokumentierten Charakteristika der römischen Otium-Villen wie Schönblicklage und kultivierte Natur auch bei spätantiken Mußekulturen, genauer den Villen in den Provinzen wie beispielsweise dem Kaisersitz Augusta Treverorum (Trier) finden könne, wenn man vom notwendigen Hauptstadtbezugspunkt Rom einmal absehe. So lässt sich auch die spätrepublikanische Villenliteratur zumindest mit den bei Ausonius geschilderten Verhältnissen der kaiserzeitlichen Nordwestprovinzen vergleichen. Die Baugeschichte der Villa Jonzac nachverfolgend, kann man ferner erkennen, dass die mußeaffinen Räume zunehmen.
Gabriele Seitz plädiert mit ihrem archäologischen Beitrag ebenfalls dafür, die Villengeschichte und die Verhaltensmuster der römischen Oberschicht mit den Mußeräumen einer Provinz wie Obergermanien zu vergleichen. In den Nordwestprovinzen ist Badenweiler als Kur- und Badeort nennenswert, wo die Großvillenbesitzer sich regenerierten. Die Bäder waren grundsätzlich Mußeräume für jedermann, der dort ein freies Verweilen in der Zeit genießen konnte.
Besondere Räume der Muße im Frankreich des 17. Jahrhunderts wie Gärten von Schlössern (wie Sceaux, Meudon) zum Spazierengehen, chambres zum Parlieren, die Wüste und Eremitagen – dargestellt in Landschaftsbildern – erschließt Katharina Krause anschaulich. Nebenbei wird bemerkt, dass Mußeräume einerseits Ruhe garantieren, andererseits auch einen sozialen Abstand mit Machtverlust implizieren.
Wie sehr die Debatten um Muße und Freizeit in Frankreich eine – in der Zeitung, Politik und Kultur virulente – wichtige nationale Angelegenheit und soziale Frage von der Jahrhundertwende bis zu den 68ern war, zeichnet Christophe Granger nach. Nebenbei bemerkt, profitiert der auf Englisch verfasste Artikel davon, dass das Wort „leisure“ die Bedeutungen Freizeit und Muße umfasst, so dass man nicht auf den Mehrwert der Muße gegenüber der Freizeit eingehen muss. Denn im strengen Sinne führen viele der genannten Beispiele lediglich vor, wie hoch die Freizeitaktivitäten in Frankreich im Kurs waren und dass man wie ein König in Frankreich leben wollte.
Mit Vorstellungen von Muße in der chinesischen Kultur beschließt Wolfgang Kubin den Sammelband. Während der Maoismus die Muße der Privilegierten abwertete und den tätigen Menschen verherrlichte, sind im Taoismus positive Darstellungen der Muße im Zusammenhang mit der Leere zu erkennen.
Interdisziplinär gestaltet, bietet der Band eine facettenreiche Vorstellung des vielschichtigen Mußebegriffs und seiner Transformationen. Eine Schwerpunktsetzung auf den räumlichen Aspekt der Muße ist erkennbar. Wie genau die Zeitvorstellungen der Muße beschaffen sind, nicht nur mit der Entzeitlichung als Korrespondenz zur Mußenverräumlichung gefasst, scheint noch weiter auslotbar („flow“, „nunc stans“ et cetera).
Jedem Leser kann man nur ein wenig Muße wünschen, damit er diesen aspektreichen und anregenden Band genauer in Augenschein nehmen kann. Eine Stärkung mußeaffiner Gestaltungsweisen in Wissenschaft und Gesellschaft bleibt abzuwarten. Der altgriechische Begriff „scholé“, auf den unser Wort „Schule“ zurückgeht, heißt ursprünglich Muße – insofern gehören Lehranstalten und Muße begrifflich seit jeher zusammen – und deswegen ist die Muße auch im Rahmen eines universitären Großprojekts passend angesiedelt.