Mäandernde Identitäten
Markus Bundis hintergründiger Roman „Mann ohne Pflichten“
Von Anton Philipp Knittel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWer kennt das nicht? Den Wunsch, nicht nur im Urlaub oder vielleicht mal am Wochenende ganz ohne Pflichten zu sein? Einfach seinen Gedanken nachzugehen, oder besser ihnen gar vorauszugehen? Peter Meander, der Held in „Mann ohne Pflichten“, dem ersten Roman des Schweizer Autors Markus Bundi, erfüllt sich diesen Wunsch. Der Mitfünfziger kündigt seinen Job als Kurator eines Kunsthauses und hängt seinen Gedanken nach, „Fortan bleibe er sich selbst“. Wie in Bundis jüngsten Erzählungen „Die Rezeptionistin“ Mona oder die Hauptfiguren in „Emilies Schweigen“ beschäftigt Meander, der immer mal wieder zu Arthur Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ greift, die Voraussetzung des Denkens, mithin die Frage nach der eigenen Identität.
Bei der Suche nach einer Antwort auf die selbst gestellte Frage „Was macht den Menschen aus?“ passiert nicht viel in diesem handlungsarmen Roman – und doch zugleich eine Menge. Denn der Identitätssucher Peter folgt seinen mäandernden Gedanken, notiert oder verwirft sie wieder im „Zwiegespräch“ mit sich selbst. Nicht umsonst durchzieht die letzte Strophe von Ferdinand Hardekopfs raffiniertem, gleichnamigem Gedicht leitmotivisch den Text.
Zwischen Fernseh-Couch, Thermalbad- und Kneipen-Besuch, dem Gang zum Briefkasten oder in die Mucki-Bude, dem Treffen mit der Stieftochter Anja, dem freitäglichen Mittagessensritual mit dem Enkel (oder vielleicht doch gar Sohn?) Robert und den Gedanken-Mitteilungen seines verstorbenen Onkels Felix notiert der Erzähler, der seinen Held entweder Meander oder Peter nennt, doppelbödige Erkenntnisse wie: „was du dir vormachst, machst du dir nach“ oder „Wir sehen uns zeitlebens spiegelverkehrt“. Mäandernde Identitäten wie die des vermeintlichen italienischen Frisörs Stefano, der wieder zum Türken Ismet wird, oder die der transsexuellen Freundin des Hausgenossen und nicht zuletzt der Besuch der Foto-Kunst-Ausstellung mit dem sprechenden Titel „Identity reloaded“ treiben das Gedankenspiel Meanders voran, noch befeuert durch den Einzug einer neuen Nachbarin.
Bundi hat einen ebenso leicht lesbaren wie klug komponierten Roman geschrieben. Die zahlreichen expliziten und impliziten intertextuellen Verweise muss der Leser dabei nicht notwendigerweise „entschlüsseln“, um Vergnügen an diesem intellektuell hintergründigen Text zu finden, der eine ebenso überraschende wie spielerisch-ironische Antwort auf die Frage gibt, was den Menschen ausmacht. Und unabhängig davon sei es Bundi gedankt, dass auch er an den glücklicherweise gerade jüngst erst wieder entdeckten Expressionisten Ferdinand Hardekopf erinnert.
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