Mit der Zeit oder gegen die Zeit?

Fünf Schweizer Autorinnen und ihre Formen der Wahrnehmung

Von Doris BetzlRSS-Newsfeed neuer Artikel von Doris Betzl

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Einsteiger, Isolde Schaads Kurzgeschichte "Louise und die Schirmherrschaft", ist enttäuschend. Die Geschichte wirkt gezwungen spaßig, mühevoll zur Vorgabe "Frauen und das Alter" zu Papier gebracht: "In den mit Schuppen besäten Scheiteln der Männer ließ sich die politische Anstrengung nieder und wirkte wie schmutziger Schnee. Der Zustand der mit ihnen unverheirateten Frauen war am Haaransatz zu erkennen. Der wurde regelmäßig von neuem krass schwarz, oder dann rot, aufs Positivste. [...] Das Henna verzog sich in Strähnen, und die Frisur wusste nicht mehr, wo es nun langging, in dieser Epoche ohne klare Empfindung." Um in diesem Sinne weiter zu witzeln: Schade, Frau Schaad. Diese Geschichte ist Zeitverschwendung.

Was in Deutschland, zumindest auf dem Papier, seit gut 50 Jahren besteht, wurde im Nachbarland Schweiz über ein Vierteljahrhundert später in die Verfassung aufgenommen: Seit 1981 ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau Bundesrecht. Seit 1990 besteht die Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen im Kanton Zürich, und zum zehnjährigen Jubiläum legt eben diese Fachstelle einen Band vor, "Zeiträume" benannt. Fünf Autorinnen legen uns darin Kurzgeschichten und Texte zum Thema "Zeit und Erfahrung" ans Herz.

Und der nächste Beitrag: "Anfangszeit/Ausbildungszeit/Blütezeit/Bronzezeit/Brutzeit/Echtzeit/Eisen-zeit/Endzeit/Fastenzeit/Freizeit/Friedenszeit/Haftzeit/Hochzeit/Inkubations-zeit/Jahreszeit/Kupferzeit/Laufzeit/Lehrzeit/Lesezeit" ist - nun ja. Dafür gibt es Wörterbücher, ebenfalls alphabetisch geordnet. Des Weiteren lamentiert die Erzählerin in Ilma Rakusas "Jalousie: Tagtraum: Bewegliche Zeit" darüber, dass man "ohne E-Mail nicht mehr vollwertig kommunizieren" könne. Was sie aber "nicht hindern wird, auch weiterhin persönliche Briefe von Hand zu schreiben". Jawohl, egal was, wir sind dagegen.

Im Südwesten nix Neues? Die letzten drei Beiträge stimmen dann doch versöhnlich. Anne Cuneos "Mein Freund Leslie" ist die liebevoll-stolze Schilderung von Begegnungen mit dem Historiker A. L. Rowse, der in seinen Eigenarten doch nachhaltig beeindruckend wirkt. Elisabeth Wandeler-Deck lässt im folgenden Text "Sie tauchte ab" ihre Protagonistin Sinneseindrücke und Gedankenfetzen unsortiert sammeln. Assoziationsketten in freien Rhythmen wechseln mit fantastischen Szenen. Momentaufnahmen mischen sich mit Erinnerungen, so scheint es: "Oder Salz geleckt. Das Salzige eigner Haut. Querrinnen entlang Zungenentlastungen, darin beigesetzt alles Raschelnde von Träumen, ich habe mich wieder an die Arbeit gemacht an Abseitsfallen dem Fallen hinfällig werden, dem täglich zu wissenden Fall einer Abseitslust denn was ist das Liebenswerte" - wer sich darauf einlässt, wird hineingezogen in diesen Sprachstrudel.

"Nicht vergessen" lautet der Titel der abschließenden Kurzgeschichte von Hanna Johansen. Eine Frau, beinahe 80 Jahre alt, erinnert sich. Sie lässt die Stationen ihres Lebens Revue passieren - ohne Beschönigungen, aber auch ohne Reue. Sie ruft in ihrer Erinnerung die Menschen auf, die sie ein Stück ihres Weges begleitet haben, die Veränderungen, die sie teils mitgemacht hat, teils an sich vorübergehen ließ. Und sie erinnert sich an ein schwerwiegendes Geheimnis, das sie ihrer Tochter nach dreißig Jahren mitteilen möchte.

Sehr heterogene Beiträge finden sich in diesem Band, der damit - und hier werden die Herausgeberinnen ihrer Zielsetzung sicher gerecht - ohne Zweifel unterschiedlichste Arten des Umgangs mit dem Thema Zeit vereint. Die reichen Möglichkeiten des Zeitthemas verstreichen zum Teil ungenutzt. Die hier vertretenen Autorinnen mögen gleichberechtigt sein, gleichwertig sind sie nicht.

Titelbild

Anne Cueno / Hanna Johansen / Ilma Rakusa / Isolde Schaad / Elisabeth Wandeler-Deck: Zeiträume. Ein Buch der Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen des Kanton Zürich.
Herausgegeben von Catherine Silberschmidt und ChristineTresch.
Limmat Verlag, Zürich 2000.
160 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3857913509

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