Für Landratten

Perez-Revertes Bestseller "Die Seekarte"

Von Robert HabeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Robert Habeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Arturo Perez-Revertes Roman "Die Seekarte" ist ein Schmöker. Dick, das Cover an den Abenteuersinn des Lesers (Leserinnen werden an diesem Buch deutlich weniger Freude haben) apellierend, mit 500.000 verkauften spanischen Exemplaren beworben (was man wahrscheinlich nicht ganz so ernst nehmen muss). Die Handlung funktioniert so, dass jeder, der noch ein Fünkchen seiner piratenverrückten Kindheit in sich trägt, sofort die Hauptrolle in dem entsprechenden Hollywoodstreifen spielen würde (und man unterstellt wohl nicht zuviel, wenn man in einer Rezension schreibt, dass dieses Buch mit Blick auf Hollywood geschrieben wurde).

Manuel Coy, abgetakelter Seefahrer, lernt bei einer Auktion die schöne Tanger Soto kennen, die gerade eine alte Seekarte erworben hat, die den Schlüssel zu einem Schatzschiff birgt, das 1767 vor der spanischen Küste gesunken ist. Der Bösewicht ist auch schon zu Stelle, aber nach einer ziemlich witzigen Sammlung von Gewaltausbrüchen Coys und den korrespondierenden Streicheleinheiten Tangers geht alles gut aus. "Ihr warmes Fleisch, das in Nacht und Regen bebte, als sei das funkelnde Licht ein kalter Nebel, suchte ohne Zögern, zart und wohl überlegt Zuflucht an seinem Körper."

Es ist Schundliteratur - okay. Aber das weiß man ja wie gesagt vorher. Dennoch gibt es zwei Ebenen, die dem Buch intelligente Untertöne geben. Zum einen ist die Geschichte eng verwoben mit den Versuchen, das Meer in eine kartographische Ordnung zu überführen. Geheimcodes der Jesuiten, die Einführung des Nullmeridians - all das fordert doch zumindest die Allgemeinbildung. Und dann kokettiert das Buch mit Anspielungen auf andere Seefahrerromane, namentlich "Moby Dick" und "Lord Jim". "Betrachten wir die Nacht" heißt der erste Satz des Buches. Und der ist gelungen. So gelungen, dass man ihn in diesem Schmöker nicht erwartet hätte. Das nächste Kapitel beginnt: "Wir könnten ihn Ismael nennen, doch in Wirklichkeit heißt er Coy." Auch nicht schlecht. Wie Ismael in Moby Dick streicht Coy am Hafen entlang. Und die Erzählperspektive ist eigentümlich selbstbewusst. Über so was kann man sich freuen - fast so sehr, wie man lachen muss über den "Spermatropfen, der langsam an einer Innenseite ihrer Oberschenkel hinabglitt, und als er zum Knie gelangte, warf er auf einmal das bernsteinfarbene Licht des Sonnenstrahls zurück."

Titelbild

Arturo Perez-Reverte: Die Seekarte. Roman.
Übersetzt aus dem Spanischen von Ulrich Kunzmann.
List Verlag, München 2001.
653 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 347178442X

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