Menschen, Monstren und Maschinen

Ein Sammelband zur Theorie der Repräsentation des Körpers

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Roboter, Bomben und Mutanten", so hieß vor einigen Jahrzehnten ein Bändchen aus einer dem heldenhaften "Erben des Universums" gewidmeten Heftreihe. Mag der seinerzeit wahrscheinlich reißerisch klingende Titel einen Kaufanreiz dargestellt haben, so wirkt er in Zeiten von Cyborgs, NetzgängerInnen, und Überlegungen zu Mensch/Maschinen-Hybriden oder der gentechnischen Reproduktion und Manipulation des Menschen reichlich hausbacken und abgestanden. Die Science Fiction hat sich seit geraumer Zeit - zumindest da, wo sie innovativ ist - zum Cyberpunk entwickelt, der sich mit eben diesen Themen literarisch befasst. So schon William Gibsons "Neuromancer" (1984), ein im Cyberspace spielender Italowestern und gleichzeitig der Gründungsmythos des Genres, und mehr noch das ungleich vielschichtigere Epos "He, She and It" (1991) der feministischen Autorin Marge Piercy, die ebenso wie zahlreiche ihrer Kolleginnen Donna Haraways "Manifesto for Cyborgs" (1985), einem hybriden, zwischen Theorie und Literatur angesiedelten Text, wichtige Anregungen verdankt.

Die wechselseitige Befruchtung feministischer Cyberpunk-Autorinnen und feministischer Netz- und Körpertheoretikerinnen wurde jüngst einmal mehr durch den von Mary Flanagan und Austin Booth herausgegebenen Sammelband "reload. rethinking women + cyberculture" (2002) eindrucksvoll belegt. Netz- und Körpertheoretikerinnen waren selbstverständlich im Jahre 2000 auch auf der Internationalen Frauenuniversität (ifu) in Hannover vertreten, die nun in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Feministische Studien (ZFS) an der Universität Bremen einen Sammelband zu "Körper und Repräsentation" publiziert hat, der sich allerdings weniger mit der Frage der Repräsentation von Körpern im Netz befasst, sondern in drei der vier Rubriken den Gestaltungspotentialen von Sexualität, Körpersprache und Körperzeichen sowie dem Verhältnis von Körper und Nation Rechnung trägt. Die Beiträge zur vierten Rubrik, "Der Körper und die (neuen) Medien", in der man Überlegungen zur Körperkultur im Internet hätte erwartet können, interessieren sich mehr für "dissidente Körper" in der "kinematographische[n] und bildkünstlerische[n] Praxis". So untersucht Ulrike Breger etwa, wie die Geschlechterrollen "zwischen Menschen, Monstren und Maschinen" in der Quadriga der Alien-Filme verteilt sind.

Herausgegeben wurde das Buch von Insa Härtel und Sigrid Schade, die zu jeder Rubrik eine Einleitung verfasst haben, in der sie nicht nur die jeweiligen Beiträge vorstellen, sondern auch schon mal eigene Thesen vertreten. So erwägen sie in den einleitenden Worten zu dem letztgenannten Abschnitt etwa, ob die "Konzeption von Sex als angeblich 'biologischem Geschlecht'", dem ein kulturelles "gegenübergestellt" werde, Sexualität nicht als 'natürlich' "evozieren" könne. Eine "problematische Verknüpfungen", der sich feministische Theorie zu stellen habe.

Dieser Aufforderung kommen Sabine Fuchs und Julika Funk nach, indem sie sich der lesbischen Repräsentation an den Grenzen der 'Sichtbarkeit' beziehungsweise deren kultureller Konstruktion widmen, während Linda Hentschel die feministische Kritik der Strukturierung des Sehfeldes im zentralperspektivischen Sehmodell auf eine Kritik an der "pornotopischen Technik des Betrachtens" zuspitzt und die These vertritt, dass mit der bekannten "Feminisierung des Raumes" nicht etwa der sexuelle Akt metaphorisiert, sondern das Sehen selbst sexualisiert werde. Denn der "Akt des Sehens" sei eine "sexuelle Technik". Hiervon ausgehend entschlüsselt sie die Zentralperspektive als Beitrag zur "Maskulinisierung des göttlichen Betrachters". Der perspektivische Bildraum, so das Fazit ihrer Argumentation, sei eine "pornotopische Technik des Betrachtens".

In einem Beitrag "Körper - Zeichen - Geschlecht" umreißt Sigrid Schade die Entwicklung der theoretischen und methodischen Ansätze zur Konstruktion von Körper und Geschlecht seit Anfang der 80er Jahre und bezieht das im Rahmen der angloamerikanischen Film- und Medientheorie sowie der Kunstkritik entwickelte "Konzept von 'Representation'" fruchtbar auf Judith Butlers Modell der diskursiven Performativität der Geschlechterdifferenz. Ebenso aufschlussreich wie Schades Text ist Elena Casado-Aparicios Aufsatz zu "Metaphern im Feminismus", in dem sie zu Recht darauf hinweist, dass die Dekonstruktion der Identität nicht zwangsläufig die Dekonstruktion der Politik mit sich führt, sondern ganz im Gegenteil zu einer Politisierung der Begriffe beiträgt, "mit denen Identitäten artikuliert werden".

Nicht minder wichtig als Casado-Aparicios erhellende Ausführungen sind Fataneh Farahanis innovative Überlegungen zu den Beziehungen zwischen dem "Schleier als diskursiver Praxis" und der (Hetero-)Sexualität. Mittels einer an Foucault und Derrida geschulten poststrukturalistischen Methode untersucht sie, wie der Schleier patriarchalische Herrschaftsverhältnisse "reproduziert und verstärkt", indem er die Sexualität von Frauen konstituiert, und kommt zu überzeugenden Ergebnissen. Im Iran, auf den sich ihr Beitrag im wesentlichen konzentriert, fungiere der Schleier als Signifikant für den weiblichen Körper und sei als "erste[s] Zeichen reifer Weiblichkeit" ein "machtvoller Bestandteil der durch sexuelle Segregation ausgeübten diskursiven Herrschaft über Frauen". Als Zeichen der "Trennwand" zwischen den Geschlechtern repräsentiere er die physische wie psychische Absonderung der Frauen, die er in einem "geschlossenen Milieu" isoliere. Da die Frauen gezwungen seien, stets diese "transportable Wand" mit sich zu schleppen, werde ihnen die Verantwortung für die Aufrechterhaltung dieser Trennung zudiktiert. Dabei legten sie sich selbst zahlreiche "Vernunftargumente" zurecht, um dieses Zeichen der Unterordnung unter das männliche Geschlecht überhaupt, insbesondere jedoch unter den Ehemann als 'Schutz' interpretieren und akzeptieren zu können.

Begännen die Frauen, wie seit den 70er Jahren etwa zahlreiche Ägypterinnen, 'freiwillig' den Schleier, also den Hjiab, zu tragen, sei ihre so gewählte 'Subjektivität' immer schon von einem frauenfeindlichen und patriarchalischen Diskurs als "unterworfene" konstituiert, der sie zwinge sich zu verhüllen, da sie andernfalls auf Schritt und Tritt sexuellen Belästigungen ausgesetzt sind. Denn dem "heterosexistischen Diskurs" des Islam zufolge erteilt eine Frau, die unverschleiert, also "sichtbar" ist, hierzu die "Erlaubnis". Daher müssen Frauen in islamischen Kulturen ihre körperliche Anwesenheit im wahrsten Sinne des Wortes verschleiern, um nicht unmittelbar zum Objekt männlichen Begehrens degradiert zu werden. Werden verschleierte Frauen als Privatbesitz ihrer Ehemänner, respektive ihrer männlichen Verwandten betrachtet, so gelten unverschleierte Frauen als öffentlicher Besitz aller Männer. Während der Hijab so das sichtbare Zeichen für die "Sexualität der Frau als Privateigentum ihrer männlichen Familienmitglieder und ihres Mannes" ist, sorgt der Hijab-Diskurs für die "Verinnerlichung und Normalisierung der herrschenden Hegemonie".

In einer solchen Situation allgegenwärtiger Angst, in der die Frauen nur Verliererinnen sein können, gibt ihnen der Schleier ein "Gefühl der Sicherheit", und sie verinnerlichen ihn als "Symbol der Weiblichkeit und weiblicher Geschlechtsidentität". Den "wichtigste[n] Effekt" des Schleiers sieht die Autorin daher in der "'Hijabisierung' des Verhaltens von Frauen". Denn der Hijab ist nicht "einfach ein Kleidungsstück", das die Körper der Frauen verschleiert. Er wird vielmehr zur "normativen Ideologie", in der die Frauen nicht nur physisch sondern auch psychisch gefangen sind. Diese Hijabisierung des Verhaltens führt zu "Unsichtbarkeit", "Schweigen", "Verschüchterung", "Verlegenheit" und zu "Bescheidenheit", und ergreift als Internalisierung der "hegemonialen Überzeugungen" von der ganzen Frau Besitz, "einschließlich ihrer Sprechweise und ihrer Körpersprache".

Überzeugend ist auch Farahanis zunächst überraschende These, dass der Schleier nicht zur "Entsexualisierung" der Frauen führt, sondern dass der Diskurs des Schleiers und seine "disziplinierende Macht" die Körperlichkeit von Frauen vielmehr betont und sie sexualisiert. Denn die Verschleierung der Frauen sorgt dafür, "dass ihre Sexualität gerade als abwesende ständig präsent" ist.

Titelbild

Insa Härtel / Sigrid Schade (Hg.): Körper und Repräsentation.
VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage, Leverkusen 2002.
250 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3810033189

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