Sexual(kultur)geschichte avant la lettre

Michael Navratil und Florian Remele erweitern in „Unerlaubte Gleichheit. Homosexualität und mann-männliches Begehren in Kulturgeschichte und Kulturvergleich“ den Diskurs über mann-männliches Begehren durch einen kulturgeschichtlichen Problemaufriss

Von Stephan EhrigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stephan Ehrig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

“How to do the History of Male Homosexuality?”, fragte David Halperin im Jahre 2000 in seinem gleichnamigen epochemachenden Aufsatz, in dem er argumentierte, dass sich mit einem derart modern konzipierten Begriff wie Homosexualität eine kohärente Geschichte derselben nicht schreiben ließe, ohne Gefahr zu laufen, fahrlässigen Anachronismen anheim zu fallen. Halperin führte entsprechend aus, dass im modernen Konzept der Homosexualität verschiedene Verhaltensweisen, Begehrensformen, soziale Arrangements und Varianten von Genderperformanz zusammengefasst werden, die in „prähomosexueller“ Zeit als getrennte Diskurse gedacht werden müssen. Als die vier zentralen Kategorien schlug er hierbei Effeminiertheit, Päderastie oder „aktive“ Sodomie, Freundschaft oder männliche Liebe, und Passivität oder Inversion vor – im vollen Bewusstsein, dass jene nur eine anfängliche Orientierungshilfe sein konnten.

Die beiden Germanisten Michael Navratil und Florian Remele greifen diese These nun als Grundlage für ihren Sammelband Unerlaubte Gleichheit. Homosexualität und mann-männliches Begehren in Kulturgeschichte und Kulturvergleich auf, als Beitrag einer weiter zu führenden kulturgeschichtlichen und vergleichenden Betrachtung von Sexualgeschichte, mit dem Ziel, sexualgeschichtliche Grundlagen für die Gegenwart zu erarbeiten, aber auch, um über diesen trans- und interdisziplinären Zugang Erkenntnisse über die Begrifflichkeit selbst abzuleiten.

Mit Sexualgeschichte als Kulturgeschichte anzusetzen und nicht von kultureller und literarischer Produktion auszugehen, ist dabei ein wesentlicher Methodenschritt, der sie von ihren germanistischen Vorgängern unterscheidet: wesentlich hervorzuheben ist hier Hans Mayer, der in seinem berühmten Buch Außenseiter (1975) Homosexuelle zusammen mit Frauen und Juden als die drei großen Außenseiter europäischer Kulturgeschichte beschrieb, um damit eine übergeordnete soziale Kategorie einer bestimmten Art von Kulturproduktion zu finden und beschreiben zu können. Weitgehend ohne sexualgeschichtliche Problematisierung näherte Heinrich Detering sich in Das offene Geheimnis (2002) dem Thema als gesellschaftlichem Tabu und untersuchte eine Reihe von Texten auf deren „literarische Camouflage homoerotischer Neigungen“. W. Daniel Wilson wiederum schrieb mit Goethe Männer Knaben (2012) eine ganze Studie zum Thema, wie Goethe mann-männliches Begehren diskutierte und thematisierte, wobei er aber ausführlich das von Halperin angesprochene Begriffsproblem aufgriff, was seine Lesarten deutlich zeitgemäßer machen.

Navratil und Remele setzen hierbei deutlich grundlegender an, indem sie postulieren, dass sie a priori eine Existenz eines historisch stabilen und kulturell invarianten „Kerns“ der Homosexualität hinterfragen und ein primär westliches Verständnis von Homosexualität in Form einer Identitätskategorie als interkulturell nicht anwendbar fundieren. Auf die einschlägigen Schriften Michel Foucaults, John Boswells, Halperins und Judith Butlers kritisch rekurrierend, argumentieren die Herausgeber, dass grundlegendere Kategorien von Sexualgeschichte über- und intrakulturell erforscht werden müssen, um sie dann für moderne Identitätskategorien differenzierend heranziehen zu können. Anlass dazu ist, dass sie die oft anachronistisch agierenden gendered und queer readings von historischen Dokumenten (ohne deren Eigenwert zu negieren) als zumindest partiell methodisch defizitär problematisieren, da „jene Brüche, Verwerfungen und historisch-politische Subversionspotentiale, die herausgearbeitet werden sollen, nur geleistet werden können, wenn man die Normen und Ideologien einer historischen Gesellschaft kennt, wofür man erst einmal sexualitätshistorisch ansetzen muss.“ Mit ihrem Band schlagen sie somit vor, über eine Auswahl von Einzelstudien sexualgeschichtliche Grundlagenversuche zusammenzubringen, die ein besseres historisch-kritisches Verständnis ermöglichen, und schlussendlich dann auch den Gender und Queer Studies gewinnbringend zugute kommen können und sollen.

Dieser Logik der Geschichtsschreibung folgend, strukturieren sie ihren Band insoweit, dass sie sich statt auf eine Geschichte der Homosexualität auf eine Beschreibung und den kontrastiven Vergleich sehr viel spezifischerer, historischer und kultureller Teilphänomene beschränken, die mit dem zeitgenössischen Konzept der Homosexualität jeweils nur eine begrenzte Schnittmenge aufweisen, was als „partialgeneagologischer Ansatz ermöglichen soll, Verbindungs-, aber auch Trennlinien zwischen diachron und transkulturell mehr oder weniger konstanten Teildiskursen und Minimalphänomenen zu ziehen.“ Dies soll Anlass dazu geben, eine partialgenealogische und komparative Geschichte von Homosexualität, mann-männlichen Begehrens und Sexualverhaltens anzuregen, die implizit das definitorische Spektrum abdecken und historisch-kritisch erschließen soll.

Eine jener kulturell und temporal übergeordneten Eigenschaften, die die Herausgeber aus dem Diskurs etablieren, ist die im Titel erwähnte Gleichheit beider gleichgeschlechtlicher Partner:innen, die für ein zeitgenössisches Verständnis von Paarbeziehungen konstitutiv ist, aber historisch vor allem einem Eheverständnis kontrastiv gegenüberstand. Während Hierarchiegefälle und Asymmetrie der Partner:innen für gleichgeschlechtliche Sexualpraktiken historisch und transkulturell oft akzeptiert wurden, so wurden sie unter Ranggleichen abgelehnt und sogar sanktioniert. Diese titelgebende „unerlaubte Gleichheit“ spezifisch mann-männlichen Begehrens bietet den Ausgangspunkt für den zusammengetragenen diachronen Kulturvergleich, den Navratil und Remele anstreben. Ungleichheit verweist dabei explizit auch auf den interkulturellen Vergleich, den sie mit dem Band zumindest in Teilen verwirklichen.

Der Band umfasst dementsprechend zehn Aufsätze in lose chronologischer Reihenfolge ohne weitere Untergliederung, in Englisch und Deutsch, die thematisch und geographisch das deutsche Mittelalter, Südkorea, das (vor)moderne China, die französischen Kolonien, das osmanische Reich der frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert und das deutsche Kaiserreich bis hin zur Internatsliteratur und Zeitschriften von Freundschaftsverbänden der Weimarer Republik, Analverkehr in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts und letztlich deutschsprachige HIV-Literatur umfassen. Alle Beiträge eint zum einen, dass für sie die Arbeit am (literar-)historischen Quellenmaterial im Vordergrund steht. Zum anderen wird der methodische Ansatz stringent durchgezogen, vor allem auf Halperin wird dabei fast durchgängig rekurriert und durch die durchweg sehr überzeugenden Aufsätze bestätigt.

Insbesondere die Integration der Mediävistik ist eine Stärke des Bandes, wie auch die Einbindung Asiens, obwohl deutlich wird, dass die verschiedenen Themen ein unterschiedliches Niveau der Debatte abbilden, von hochspezialisierten Beiträgen zu allgemeinen Überblicksdarstellungen. Remeles Aufsatz setzt direkt bei der Kernthese an und untersucht die Spannung zwischen Homosexualitätsgeschichte und Queer Readings in mittelhochdeutschen Texten am Beispiel Dietrich von der Glezzes Der Gürtel, wobei er sich vor allem auf das Aufzeigen der Grenzen von Queer Readings für die mediävistische Literaturwissenschaft konzentriert. Ganz im Sinne des Bandes arbeitet er, um anachronistische Lesarten vermeiden zu können, die unterschiedlichen mann-männlichen sozialen Bindungen heraus, auch wenn man sich dann im Anschluss daran gerne zumindest eine Andeutung eines Queer Readings gewünscht hätte, die aufgrund der nun geschaffenen Ausgangslage ertragreicher funktionieren sollte.

Hendrik Johannemann trägt einen eher klassisch-historischen Überblick über mann-männliche Beziehungen in Südkorea zusammen. John D’Emilios These, dass die Einführung des Kapitalismus den wesentlichen Einfluss auf die schwule Identitätsbildung in den USA hatte, nimmt er zum argumentativen und methodischen Anlass für eine Überblicksdarstellung von ökonomischen Umwälzungen im spätindustrialisierten Südkorea. Obwohl er hier auch feststellen kann, dass die kapitalistische Ausdifferenzierung der Lebens- und Arbeitsbereiche neben einer relativen historischen Akzeptanz sich als positiv für die gesellschaftliche Anerkennung auswirkte, so sind bestimmte kulturelle (starke Familienhierarchien, patriarchale Gesellschaftsstrukturen) und ökonomische Faktoren (Industrialisierung durch autoritäre Regimes mit wenig Interesse an Minderheitenrechten) und ein seit kurzem erstarkter christlicher Widerstand gegen Homosexuellenrechte auszumachen, die die Liberalisierung und Identitätsbildung verlangsamen und gar verhindern.

Raphael Dohardt widmet sich diskursgeschichtlichen Analysen chinesischer Topoi mann-männlichen Begehrens, indem er die zeitgenössische Thematisierung desselben in der chinesischen Kulturproduktion analysiert. Ähnlich Remeles Argument zu anachronistischen Queer Readings und Boswells theologischen Argumentationsversuchen, zeigt Dohardt, dass chinesische Gegenwartskultur oft aus aktivistischem Anlass historische und antike Beispiele einbindet, um eine Kontinuität homosexuellen Lebens in China zu untermauern und gegenwärtig als kulturelles wie gesellschaftliches Erbe gegenüber politischen Strömungen, die gleichgeschlechtliches Begehren als „unchinesisch“ oder „krank“ diffamieren wollen, politisch nutzbar zu machen. Dohardt zeigt aber anhand verschiedener historischer Quellen auf, dass diese den eigentlichen Diskurs asynchron vermischen. Dohardt selbst folgt den Arbeiten Zhang Zaizhous und Bret Hinsch, die über eine breit angelegte Quellenkritik eine differenzierte Geschichte der Homosexualität schreiben. Vor allem bezieht sich dabei auf die etymologische Begriffsgeschichte und vollzieht anhand von Cai Zhifengs Kurzgeschichte Ob man aufersteht oder nicht, ist ein Zyklon (2000) eine Diskursanalyse en miniature, wobei er die Rezeption des antiken Herrscherfavoriten Mizi Xia als konzeptionelle Allegorie für mann-männliches Begehren im chinesischen Kulturkreis nutzt und den Diskurs medizinischer, politischer, juristischer und philosophisch-religiöser Quellen auswertet und vergleicht, die ihn zu einem differenzierterem Rezeptionsbild gelangen lassen.

Carl Deußen macht den vollständigen Sprung in die Moderne und untersucht in seinem exzellenten Aufsatz die französischen Kolonien als sexuellen Experimentierraum am Beispiel des Werks des anonymen französischen Militärarztes Jacobus X‘ The Untrodden Fields of Anthropology / L’Amour aux Colonies (1893), der ausgiebig über indigene und Kolonialbeamte einbeziehende homosexuelle Praktiken bei Männern und Frauen berichtete. Deußen argumentiert überzeugend, dass die Herausbildung des modernen Homosexualitätsbegriffes eng mit den Diskursen über menschliche Rassenkunde und Kolonialität verknüpft ist. Vor allem die rassifizierte, sich vom europäischen Subjekt abgrenzende Sprache ermöglichte es Jacobus X, offen über sexuelle Andersartigkeit und mann-männliches Begehren zu schreiben, die das europäische Zentrum zwar umtrieben, der Diskurs darüber jedoch nicht offen zu führen gestattet war. Vor allem zeigt er, dass Halperins vier Kategorien bei Jacobus X bereits in enger Beziehung zueinander diskutiert werden, bevor dies in Europa selbst geschehen konnte, und jener Diskurs somit zu einer homosexuellen Identitätsbildung avant la lettre beitrug, indem rekursiv über rassifizierte „Anthropologie“ der Kolonien ein kodierter Diskurs geführt werden konnte.

Einem kulturell gegenläufigen Diskurs wiederum widmet sich Nagihan Mutlu, nämlich dem Verschwinden mann-männlichen Begehrens aus der osmanischen Literatur. Während sie anhand verschiedener frühneuzeitlicher Beispiele (zum Beispiel der Şehrengiz- und Hammamiye-Gattungen) belegen kann, dass mann-männliches Begehren literarisch verhandelt wurde und rechtlich wie religiös weitgehend unproblematisch war, leiteten die Tanzimat-Reformen im 19. Jahrhundert eine Wende ein, die das Thema, nach westeuropäischem Modell (ähnlich wie in Japan) zunehmend mit Scham behaftete und ein gänzliches Verschwinden aus dem Kulturdiskurs zur Folge hatte.

Die weiteren Beiträge kreisen alle um Deutschland im 20. Jahrhundert:

Frederik Doktor macht den Anfang und diskutiert die Eulenburg-Affäre 1906–09 und diese thematisierende Karikaturen im deutschen Kaiserreich als ein sexualgeschichtliches Schlüsselereignis, in dem sich das moderne Verständnis von Homosexualität als Beschreibung mann-männlichen Begehrens durchsetzte, obwohl die Forschung das Thema bisher meist nur politisch diskutierte. Auch er nutzt Halperins präsexuelle Kategorien für seine Analyse der Karikaturen und zeigt, wie wirkmächtig diese Einzelkategorien zunächst in jenen nachzuvollziehen sind und dann nach und nach im neuen Konzept der Homosexualität aufgehen. Doktor präsentiert die Karikaturen als symptomatisch für die sexualhistorischen Umbrüche der vorletzten Jahrhundertwende, wobei das sich etablierende Konzept der Homosexualität einerseits Identifikationspotential für viele bot, denen es zuvor an einer Begrifflichkeit gemangelt hatte, es andererseits aber auch ein klares Konzept zur Verfolgung durch verschiedenste Behörden nach sich zog.

Ganze drei Aufsätze widmen sich, wenig überraschend, der Weimarer Republik, und tragen viele neue Erkenntnisse aus oft negierten Quellen zusammen, die sich allesamt bemühten, Homosexuelle gesellschaftsfähig zu machen:

Karl Kelschebach beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Reformpädagogik und intergenerationeller Erotik in der Internatsliteratur der Weimarer Republik. Er zeigt, wie verschiedene reformpädagogische Ansätze das antikisierende Konzept des „pädagogischen Eros“ als Antithese zur urbanen Homosexuellenkultur befürworteten, das asketische wie auch sexualisierte Liebesbündnisse zwischen männlichen Lehrenden und Lernenden propagierte, für die die Aneignung der Jugendbewegung und Jugendkult mit homophilen Untertönen ausschlaggebend war. Anhand von zwei Romanen diskutiert er, wie Literatur die ambivalente Erfahrung Jugendlicher reflektierte und kritisierte.

Anna Katharina Lill bewegt sich auf ähnlichen Pfaden und vergleicht Männlichkeitskonzepte und Emanzipationsstrategien in literarischen Texten der Zeitschriften der Freundschaftsverbände der Weimarer Republik. Sie zeigt dabei auf, dass eine Anpassung mann-männlich Begehrender an massentaugliche Männlichkeitskonzepte als für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zuträgliche Strategie erachtet wurde. Das politische Ideal eines „respektablen Homosexuellen“ führte dazu, dass die Männlichkeitskonzepte der literarischen Texte und der politischen Artikel weitgehend einander entsprechen: gesunde Körper, bürgerliches, monogames Verhalten, geeignet für den Dienst an der Nation. Zudem, wie Lill darlegt, bieten die Texte ein Forum für Aushandlungsprozesse für allerlei Spannungen, die diese Homogenisierung mit sich bringt, und somit eine Grundlage für weiterführende Studien.

Benedikt Wolf bleibt ebenso in der Literaturwissenschaft und untersucht die Strategien der narrativen Vermittlung von Analverkehr in der deutschsprachigen homosexuellen Belletristik des frühen 20. Jahrhunderts. In enger Anlehnung an den Vorgängerbeitrag geht es im Gegensatz zu den üblichen entsexualisierten Darstellungen um die implizite Anspielung. Wolf arbeitet hierbei Strategien heraus, wie auf Analverkehr angespielt werden konnte: Vermeidung; markierte Aussparung; Schmutz (als Kontrast zum ‚Sauberen‘) als Folge des Analverkehrs; beischlafähnliche Handlungen zur Vermeidung der Straffälligkeit durch §175; Soziolekt, sowie der Einsatz von Metaphern und Metonymien.

Navratil schließlich schlägt den Bogen zur Jahrtausendwende und beschäftigt sich mit HIV-Literatur zwischen Authentizität und Literarizität in Hans Pleschinskis Autofiktion Bildnis eines Unsichtbaren (2002). Er argumentiert dabei, dass, im Gegensatz zu den autofiktionalen Selbstverortungsversuchen, die von der Kritik öffentlich auseinandergenommen wurden, Pleschinskis Buch Anfang der Nuller Jahre diskursverspätet einsetzt und das Spannungsfeld zwischen authentischen Berichtsanspruch, literarischen Ambitionen und offenerer gesellschaftlicher Rezeptionshaltung erfolgreich meistern kann. Allen genannten Versuchen ist jedoch gemein, dass Kultur die Funktion des Coping im Umgang mit der Krankheit und der gesellschaftlichen Stigmatisierung einnimmt und Gestaltungsraum verschafft.

Wie diese Besprechung zeigt, ist Navratil und Remele ein äußerst produktiver und relevanter Band und methodendiskursiver Beitrag gelungen, dessen Ansatz hoffentlich zur Nachahmung und Weiterentwicklung einlädt. Die konzise Fragestellung ist konsequent durchgezogen und verschafft dem Band, trotz aller thematischen Heterogenität, eine kohärentes Erkenntnisinteresse. Alle Beiträge, ob hochspezialisierte Beiträge oder allgemeine Überblicksdarstellung, sind von hoher Qualität und tragen wichtige Erkenntnisse abseits der abgetretenen Pfade bei. Dass alle darüber hinaus über ein Abstract verfügen, macht die Navigation der Leseerfahrung und Nutzbarkeit zudem einfacher und vielseitiger.

Kritik kann hierbei vor allem nur an bestimmten editorischen Entscheidungen geäußert werden: die vielen fast wörtlichen Dopplungen der Umschreibungen Halperins et al. sind zwar im Sinne einer flexiblen Lesbarkeit des Bandes unvermeidbar, hätten aber durch die Herausgeber stilistisch etwas abgewandelt werden können. Warum manche Aufsätze auf Deutsch und manche auf Englisch sind, hätte eingangs eventuell editorisch motiviert werden können (wie auch die Tatsache, dass die englischsprachigen Beiträge kein deutsches Abstract haben, die deutschsprachigen aber beides). Desweiteren hätten manche konkretere Details das Hineinfinden in die heterogenen Beiträge noch weiter erleichtert, so etwa das Erscheinungsdatum der diskutierten Texte im Abstract, um einen Eindruck zu bekommen, welche konkreten Zeiträume in diesen abgedeckt werden.

Auch wenn, wie eingangs erwähnt, die Integration der Mediävistik und Einbindung Asiens höchst willkommene Aspekte des Bandes sind, so wäre es doch wünschenswert gewesen, hätten die Herausgeber die konkrete Auswahl der Fallstudien ebenfalls in der Einleitung begründet. So bleibt einerseits die Frage offen, warum sich keine Beiträge zum Beispiel aus Südafrika oder Lateinamerika finden ließen. Anderseits bleibt durch die weiterhin mehrheitliche Fokussierung auf den deutschsprachigen Raum der Band trotzdem primär ein germanistischer, der sich aber in eine zeitgemäße, interdisziplinäre und interkulturelle Debatte vorwagt. Dies und die exzellente Qualität sämtlicher Beiträge machen den Band so überaus lehrreich, lesbar und relevant. Bleibt nur die wiederholte Wunschbekundung übrig, dass damit erst der Anfang gemacht ist.

Titelbild

Michael Navratil / Florian Remele (Hg.): Unerlaubte Gleichheit. Homosexualität und mann-männliches Begehren in Kulturgeschichte und Kulturvergleich.
Transcript Verlag, Bielefeld 2021.
336 Seiten, 35,00 EUR.
ISBN-13: 9783837653564

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