Wiedergänger, Phönix aus der Asche oder unverwüstbar?

Verschiedene Neuerscheinungen bemühen sich um eine neue Metaphysik

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Metaphysik gilt in der Gegenwart als erledigt. Die übliche Geschichtsschreibung der Philosophie geht so: Nach Hegel wurde eine Wende in der philosophischen Reflexion eingeleitet, der Transzendentalphilosophie Kants und der Triade des Idealismus von Fichte-Schelling-Hegel folgten die so genannten 'Philosophien der Existenz und der Endlichkeit' von Feuerbach, Marx und Kierkegaard, schließlich noch die radikalisierte Vernunftkritik Nietzsches. Erfolgreicher noch trug der Siegeszug der Naturwissenschaften zum Niedergang der Metaphysik bei. In einem szientistischen Weltbild werden Bezugspunkte der Spekulation unsichtbar, die Metaphysik wird für eine Weltorientierung bedeutungslos.

Auch wenn Heidegger in seiner Metaphysikkritik diesen Gegner der Metaphysik mit ihr identifizierte, so wurde der szientistische Denktypus innerphilosophisch mit dem nächsten großen Schritt der Metaphysikkritik dennoch sehr erfolgreich. Die sprachanalytische Kritik Rudolf Carnaps (siehe literaturkritik.de 07/2005) und des frühen Wittgenstein bemühte sich, die Sinnlosigkeit der Metaphysik zu erweisen. Weil man dem philosophierenden Missbrauch der Sprache einen guten Teil der Schuld an der Entstehung der Metaphysik gab, rückten die Formen der Sprache in den Fokus der Aufmerksamkeit. Wurde die Metaphysik hier noch der Irrealität und deswegen der Produktion sinnloser Sätze bezichtigt, so wurde ihr später, nachdem die weiter entwickelte sprachanalytische Philosophie unter W. V. O Quine Abschied vom Empirismus genommen hatte, von Michael Dummett dann auch noch das Gegenteil, nämlich ein unzulässiger Realismus, vorgeworfen. Der Poststrukturalismus beziehungsweise die Postmoderne beschuldigte die Metaphysik stereotyp eines Terrors der Wahrheit und Vernunft, eines totalitären Denkens des Ganzen, welches das Einzelne, Differierende, Sinnliche et cetera ausmerze, indem sie verunmögliche, es zu denken.

In den 1980er-Jahren klopfte Jürgen Habermas diese Resultate von über hundert Jahren Metaphysikkritik in seiner Bestandsaufnahme des "nachmetaphysischen Denkens" fest. Sein Aufsatz "Rückkehr zur Metaphysik - eine Tendenz in der deutschen Philosophie?" in No. 439/440 (1985) des "Merkur" kritisierte die Philosophie-Kolumne Dieter Henrichs aus No. 430 (1984) und initiierte damit eine Debatte, die zu kleiner Berühmtheit gelangte. Henrichs Verteidigung der Metaphysik als "Gedanken, an denen sich dieses Leben orientiert", schien allerdings nicht zum geringsten den Weg dahin zu weisen, wo man in den 1980er-Jahren von der Metaphysik noch angetan war: zu den Regalen der Buchhandlungen, in denen man Philosophie mit Lebensberatung und Esoterik zusammen stellte. "Dahin ist es mit der Metaphysik gekommen", seufzte Adorno schon in den 1960er-Jahren betrübt, und so waren Sammelbände aus jener Zeit über die Möglichkeit von Metaphysik in der Gegenwart von einer eher soziologisch-funktionalistischen Herangehensweise geprägt, mit der man Nutzen und Nachteil der Metaphysik in Vergangenheit und Zukunft philosophiehistorisch resümierend aus distanzierter bis verabschiedender Position versammelte. Einzelne Aufsätze hielten an einer Metaphysik mehr oder minder offensiv fest und übernahmen die Aufgabe der Traditionswahrung. Erst circa zehn Jahre später ging man dazu über, die Metaphysik wieder selbstbewusster zu vertreten und vor allem philosophisch zu entwickeln, nicht nur aus dem Fundus der Philosophiegeschichte heraus zu reproduzieren. Es bildete sich aber auch damals schon ein post-sprachanalytischer Typus der Metaphysik heraus, wobei die Arbeiten von Ludger Honnefelder besonders hervorzuheben sind.

Man nahm die Herausforderung der sprachanalytischen Philosophie an und ihre Kritik an der Philosophie ernst. Zum einen begann man, sprachanalytische Positionen immanent zu kritisieren, das heißt auf ihre eigenen verschwiegenen Voraussetzungen hin zu befragen. Hinzu kam, dass man überrascht konstatieren konnte, dass die sprachanalytische Philosophie einem entgegenkam und sich, getrieben von Aporien des eigenen Ansatzes und der ihr eigenen Ehrlichkeit, wieder metaphysischen Positionen anzunähern begann. Man widmete sich aber auch der eigenen Domäne und fand dabei einen neuen Zugang zur Metaphysik. Deren Geschichte las man nun anders: nicht mehr als großes Angebot inhaltlicher Welterklärungen, sondern als Beschäftigung mit der Geltung von Sätzen.

In dieses Feld gehören auch die Autoren der hier besprochenen Arbeiten. Heimo Hofmeister, der mit der Festschrift "Gedachter Glaube" geehrt wird, ist gegenwärtig Professor in Heidelberg. In "Wahrheit und Glaube" (1978) beschäftigte er sich systematisch mit der sprachanalytischen Religionskritik und in der "Ersten Heidelberger Religionsphilosophischen Disputation" mit dem Titel "Braucht Wissen Glauben?" (1994) ließ er das Verhältnis von Theologie und Philosophie ausloten. Vor allem aber stammt von ihm - neben der von Ludger Honnefelder und Gerhard Krieger herausgegebenen dreibändigen "Philosophischen Propädeutik" - eine der besten Einführungen in die Philosophie, deren Titel "Philosophisch denken" (1991) bereits Auskunft darüber gibt, wie Hofmeister Philosophie versteht: nicht als indifferentes Auswendiglernen von philosophischen topoi, sondern als prüfender Nachvollzug von gedanklichen Zusammenhängen. Hofmeister war in Wien Schüler des großen Erich Heintel (1912-2000), so wie der früh verstorbene Franz Ungler (1945-2003) auch, dem mit dem Band "Dialektische Logik" gedacht wird. Der (Mit-)Herausgeber beider Bände, Michael Wladika, ist gegenwärtig Mitarbeiter von Hofmeister in Heidelberg und war Schüler von Ungler. Ebenso wie Michael Höfler auch, mit dem zusammen er bei im Peter Lang Verlag 2006 die Dissertationsschrift Unglers, "Organismus und Selbstbewußtsein. Untersuchungen zur Naturbeobachtenden Vernunft bei Hegel", sowie 2005 eine Sammlung von dessen Aufsätzen herausbrachte. Zu diesem Wiener Kreis gehören neben anderen Hans Dieter Klein (geboren 1940) und Kurt Walter Zeidler (geboren 1953), denen Ungler ein wertvoller Kollege war. Ein Kollege Heintels, Karl Ulmer, brachte Walter Lütterfelds (geboren 1943, gegenwärtig in Passau) als Schüler hervor, dessen Aufsatz aus "Dialektische Logik" auch in einer ebenfalls empfehlenswerten Sammlung seiner Aufsätze unter dem Titel "Das Erklärungsparadigma der Dialektik. Zur Struktur und Aktualität der Denkform Hegels" 2006 bei Königshausen & Neumann erschien. All die genannten Personen schließlich sind stark beeinflusst vom Werk Bruno Liebrucks' (1911-1986), zu dessen Schülern neben Günter Wohlfart auch Josef Simon (geboren 1930, Bonn, emeritiert) zählt, dessen Schüler Thomas Sören Hoffmann (Bonn und Bochum) ist. All die genannten Personen arbeiten jeder für sich und in Sammelbänden daran, gewappnet mit der Philosophie-Kritik der sprachanalytischen Philosophie, die Philosophie von Kant bis Hegel zu interpretieren und nicht zuletzt den gängigen Fehlinterpretationen des akademischen mainstream zu entführen.

Gedachter Glaube

Zunächst aber zur Festschrift für Heimo Hofmeister. "Gedachter Glaube", so erläutert Wladika im Vorwort den Titel, das ist die Entwicklung der erfahrenen religiösen Inhalte "in intellektuell haltbaren Formen." Zur Religionsphilosophie müssen Religion und Theologie fortschreiten, wenn die Religion wissen will, was sie glaubt, wenn sie sich Rechenschaft über sich selbst geben will, vor sich wie vor anderen. Häufig will sie das aber gar nicht. Die im Band vertretenen Theologen verhalten sich recht defensiv. Es bestätigt sich mal wieder Descartes Ansicht, "daß es gerade die beiden Fragen über Gott und die Seele sind, die man eher mit den Mitteln der Philosophie als mit denen der Theologie zu beantworten" hat. Im Gegensatz zu Honnefelder und Simon (L.B. Puntel wäre ebenfalls noch zu nennen), die immer wieder betont und gezeigt haben, dass Theologie sich rational ausweisen kann und können muss, ziehen die Theologen sich auf eine "Hinterwelt" (Theißen) und auf die Eigenheiten zurück. Die gibt es natürlich, aber diese auszustellen, bietet keinen Schutz, allenfalls milde Nachsicht. Weil man nicht Auskunft geben kann, was man meint, nimmt man gerne Zuflucht beim "Jargon der Eigentlichkeit" (Adorno) der Fundamentalontologie. Hiermit muss man sein Scheitern nicht eingestehen, sondern kann mittels Verschleierung den Glauben verklären. Für Doris Lax ist Religion die "Eigentlichkeit des Denkens", was immer das heißen und worin auch immer der Unterschied zum bloßen Denken bestehen mag. Glaube ist ihr immer wieder ein "Wagnis" und dessen Gewissheit ist selbstredend nicht einfach nur Gewissheit, sondern auch noch "tief". Gerd Theißen greift umstandslos zu den bedenklichsten Passagen der Heidegger'schen Philosophie, der Todesahnung, vor der die beklagte 'Uneigentlichkeit' zuschanden gehe. Gott und Tod setzt er über die Attribute "unendlich", "unbedingt" und "umgreifend" formal analog gleich. Für ihn ist der Tod deswegen "der Schattenriss Gottes", Gott "wie ein schwarzes Loch". Hat man dies erkannt, ist man natürlich froh, noch zu leben und Gott noch nicht begegnen zu müssen. "Dankbar für das Leben" kann man "in gesteigerter Intensität" sein Leben erfahren. Die religiöse Rede ist, man sieht es, performativ. Konsequenterweise findet man in dem Band auch eine Predigt von Helmut Schwier.

Sicherlich ist Religion eine Lebensform, wie Ingrid Schoberth erklärt. Man internalisiert sie durch Übung. "Ritus, Gebet und Vorbild" sind "weitaus wichtiger [...] als explizit formulierte Glaubensaussagen oder Verhaltensnormen." Ihrer bedarf es, um nicht 'nur' zu Vernunftglauben zu kommen. Aber was macht man mit denen, die durch Glück oder Unglück der Sozialisation einer solchen Einübung nicht teilhaftig wurden? Der Rückzug auf die Eigenheiten widerspricht nicht nur dem universalen und absoluten Anspruch des Glaubens, auch das "kulturell-linguistische[...] Modell", auf das Schoberth die theologische Lehre reduziert und damit beliebig macht und für das sie als Gewährsmann an Wittgenstein gedacht haben könnte, hat seine Tücken. Wilhelm Lütterfelds nämlich zeichnet anhand von Wittgenstein das "Problem der sprachlichen und lebenspraktischen Mitteilbarkeit und Gemeinsamkeit fundamental divergenter Sprachspiele" nach. Laut Wittgenstein könnten diese sich nicht aufeinander beziehen, sich damit aber auch nicht gegenseitig kritisieren. Was den Religionskritiker freut, weil er Gott und den Glauben als jenseitig verabschieden kann, wird zum Bumerang: nach dieser Logik wird er den Glauben auch für sich bestehen lassen müssen. Eine solche Theorie allerdings, so Lütterfelds, ist "von einer fundamentalen Voraussetzung abhängig", dass nämlich "zumindest diese Widerspruchsthese in einer intersubjektiv geteilten, semantisch gemeinsamen Sprache und Lebenspraxis vorliegt." Und mit dieser Widerlegung ist man dann bei der Dialektik und mit dem, worauf mit diesem Argument hingewiesen wird, beim Absoluten.

Postmetaphysisches Denken

Durch verschiedene bekannte Äußerungen Aristoteles' in der "Metaphysik", nach denen die Prinzipien, die die Philosophie aufzusuchen habe, gleichzeitig höchste Ursachen sind, welche dann wiederum zu einem unbewegten Beweger in Beziehung gesetzt werden, der dann wiederum als göttlich bezeichnet wird, - durch Verknüpfungen wie diese scheint die Metaphysik von ihren Anfängen her aufs engste mit der Religion verbunden, ja nur ihre säkularisierte Form zu repräsentieren. Auch wenn selbst Herbert Schnädelbach inzwischen frühere anti-metaphysische Positionen revidiert, so bleibt doch nicht zuletzt wegen dieser Nähe der Metaphysik zur Theologie der Verdacht weitverbreitet, so Henrich resümierend, dass "unter dem Titel Metaphysik und allen ihm verwandten Namen [...] nur dubiose Ziele verfolgt werden [könnten], die quer zu allen Problemen seriöser Erkenntnis stehen."

Trotzdem und deswegen stellen sich die Autoren des von Karen Gloy herausgegebenen Bandes die Aufgabe einer "Re-Legitimierung" (Holz) der Metaphysik. Die Beantwortung der Frage, ob "das metaphysische Interesse [...] noch einen legitimen Ort in der heutigen Philosophie haben kann" (Holz), soll eine "Metaphysik neuen Stils" ermöglichen. Dass die Bemühungen um eine solche weit verbreitet und schon recht weit gediehen sind, dass auch im 20. und 21. Jahrhundert entgegen allen Trends Systeme der Philosophie errichtet werden, das mag vielen entgangen sein. Hans-Dieter Klein stellt sie in seinem Beitrag kurz vor.

Die Re-Legitimierung der Metaphysik soll nun nicht bewerkstelligt werden, indem man ihren Nutzen (etwa als Sinnstiftungsangebot) herausstellt, sondern indem man ihre Unvermeidbarkeit und Notwendigkeit zeigt: Metaphysik entspringt aus dem, was unmetaphysisch zu sein meint - oder sich noch nicht mal so wenig Gedanken macht. So kann man an der Postmetaphysik sicherlich zum einen eine "spezifisch[...] avantgardistische[...] Selbstinszenierung und polemische[...] Distanzierung von rückständigen metaphysischen Traditionen" beobachten und kritisieren, dass "der Gestus der Verabschiedung des Gestrigen" konstitutiv für sie ist (Zeidler). Zum anderen aber rührt dieses Verhalten daher, dass "auch die Antimetaphysiker und Postmetaphysiker [...] noch Metaphysik" betreiben und "damit einer Selbsttäuschung" erliegen (Gloy). Was sie als "Metaphysik" verfemen, das muss notwendigerweise schwammig bleiben, "weil eine eindeutige Begriffsbestimmung der Metaphysik und der Post-Metaphysik von der Post-Metaphysik schlechterdings nicht eingefordert werden kann." Denn dies widerspräche "dem Begriff der Post-Metaphysik, verlangt sie doch von ihr eine Zusammenschau von Metaphysik und Post-Metaphysik, d.h. sie verlangt von der Post-Metaphysik, sich als Metaphysik zu deklarieren" (Zeidler). Eine regelrechte "Grundsatzkritik" der Metaphysik würde die Post-Metaphysik selber metaphysisch machen, weil dann "eine metawissenschaftliche Prüfung primärer, hier dann eben als ,metaphysisch' veranschlagter Theorien" (Füzesi).

Darüber hinaus ist die Rede von einem postmetaphysischen Zeitalter "unsinnig" (Schmied-Kowarzik), weil sie voraussetzt, es habe ein Zeitalter unter der durchgängigen Herrschaft der Metaphysik gegeben. Nicht nur gab es historisch nie eine Metaphysik ohne Kritik an ihr (Klein und Füzesi), jene benötigt diese auch. Zum einen kann sie "nur in einem sophistischen Umfeld existieren" (Klein), ein Konsens wäre für sie gefährlich, ihr eigener kritischer Anspruch würde unterlaufen. Sie will Wissen prinzipientheoretisch begründen - aber aus Argumenten, und ohne Gegner müsste und könnte sie nicht mehr argumentativ auftreten. Zum anderen widersprechen sich "Theorienpluralismus" und "Deutungsauftrag der Metaphysik" nicht, denn "beide bedingen sich gegenseitig." Die Metaphysik lebt in anderen, nicht-metaphysischen Theorien, indem sie "allgemeine Voraussetzungen der Wissensgewinnung thematisiert" und diese "mit der Deutungsbedürftigkeit der Erkenntnisse, die durch eben diese Wissenschaften gewonnen werden", zusammenschließt (Füzesi).

Die Autoren des Bandes stimmen darin überein, die Metaphysik als kritische Methode, als Meta-Reflexion zu bestimmen. So prüft diese "die Reichweite von primären Theorien und Annahmen über die Welt, indem sie deren Grenzen zu bestimmen sucht" (Füzesi). Wer die Voraussetzungen bestehender Weltsichten prüft, der muss auch selbst-reflexiv werden und somit "die Letztbegründung und Rechtfertigung der philosophischen Vernunft an und für sich selbst" sein (Schmied-Kowarzik). Gerade aus ihrem kritischen Charakter also erwächst der Metaphysik das, was ihr immer wieder als säkularisierter theologischer Rest angekreidet wird: die Bemühung darum, ,letzte Theorie' sein zu wollen. Trotzdem (für den Postmetaphysiker) und eben deswegen (für den "neuen Metaphysiker") wird die Offenheit dieses Konzepts betont: Zum einen hätte das philosophische System dann seinen Halt, falls ein höchster Grund gefunden werden könnte (Gloy). So lange aber bleibt es hypothetisch und wird es, verlässt man sich auf Platons "Sophistes", auch bleiben. Zum anderen besteht Metaphysik im wesentlichen in "Ausweisen, Begründen und Argumentieren", in "Rechenschaftgeben und Begründen". Günter Zöller betont, dass die Metaphysik für Kant "an die Bedingung von Öffentlichkeit geknüpft" war. Dies beinhaltet "die materiale Anforderung des möglichen Nachvollzugs aller Gedankengänge und der im Prinzip universalen Zustimmungsfähigkeit des in ihnen Gedachten." "Vernunft" meint dann den "Inbegriff solcher Standards möglicher universaler Akzeptanz."

Diese Positionierung der "neuen Metaphysik" mag überraschen. Zum einen, weil die Metaphysik hier gleichsam ,dialektisch aufgerüstet' auftritt. Die Unterscheidung von Metaphysik versus spekulativer Philosophie, die Hegel und Liebrucks betonten (die beide aber nicht immer durchhielten), wird hier eingeebnet. Aber nicht nur an die dialektische Philosophie, auch an programmatische Äußerungen der Kritischen Theorie Adornos und Horkheimers fühlt man sich erinnert. Die sprachanalytische Philosophie wird dafür kritisiert, nur konstatieren zu können und zu wollen, was der Fall sei und keine Geltungsfragen zu stellen (Zeidler). Die Metaphysik hingegen, so wird betont, in Anspielung auf Platons Höhlengleichnis, macht auch Aussagen über das, was außerhalb der Höhle ist. Ohne eine Idee des Ganzen kann die Gesellschaft nicht von außen betrachtet werden. Man sperrt sich dann selber in ihren Immanenzzusammenhang ein und die existierende Welt gilt als Welt schlechthin (Wahsner).

Zum anderen mag diese Positionierung überraschen, weil diese "neue Metaphysik" aus den klassischen Texten entwickelt wird. Es gibt keinen Bruch mit der ,alten Metaphysik' - wohl aber einen mit deren klassisch affirmativer Deutung, die mit der Postmetaphysik viel verbindet. Dazu gehört eine "Entmystifizierung" (Ošlaj) der Metaphysik, durch die nicht die Metaphysik weiter in den Bereich des Obskuren abgeschoben wird, um sie dann für bedeutungslos zu erklären, sondern die zentrale Begriffe rational zugänglich macht. "Logos" ist dann die "Gestalt der Idee des Ganzen" von "Weltsichten, Lebenskulturen, zu denen eine Zivilisation durch objektive Entwicklungen gedrängt wurde" (Wahsner); "apriorisch" besagt lediglich, "daß Erfahrung bedingungslos nicht möglich ist" (Wahsner). Platons Schau der Ideen richtet sich nicht auf ein Jenseits, sondern ist "das rein begriffliche Erkennen der Zusammenhänge" (Zeidler). Gerade die platonische Idee, so zeigte Zehnpfennig schon in ihrer sehr zu empfehlenden Platon-Einführung (1997), "muß sich rational, per Dialektik, ausweisen lassen; sie wird so intersubjektiv überprüfbar." Dies ist nicht mit Habermas' "Übersetzung der Begriffe der Reflexionsphilosophie" zu verwechseln, mit der Philosophie verendlicht, detranszendentalisiert und Vernunft situiert werden soll, indem für einen idealistischen Begriff ein Ersatz aus der konkreten Welt gefunden wird, für den jener eigentlich immer schon gestanden habe, was zu erkennen Philosophen aus irgendeinem merkwürdigen Grund jahrhundertelang nicht in der Lage gewesen sein sollen.

Die Philosophie ist auch kein "Begriffssteinbruch" (Holz), dessen man sich beliebig bedienen könne. In ihrer Geschichte zeigt sich das in der Tat transhistorische "Bemühen menschlicher Vernunft [...], auf Fragen von höchstmöglicher, womöglich nicht mehr übertreffbarer Relevanz ihrem Gehalt wie Umfang nach notwendig und zureichende [...] Antworten zu geben" (Holz), die natürlich historisch bestimmt ausfallen. Holz schlägt deswegen vor, die Geschichte der Metaphysik "als eine Geschichte vernunftbestimmter Weltdeutungsversuche mit Modellwert zu interpretieren." Dies zielt auf die Idee einer "potenziell übergeschichtlichen Systematik", die aber historisch verankert ist, eines "hermeneutischen Kosmos", der der geschichtlichen Empirie enthoben, aber auf sie bezogen ist.

Die Kritik an der Metaphysikkritik richtet sich vornehmlich gegen die frühen sprachanalytischen Überwindungsversuche. Habermas wird in dem Beitrag von Steffen Graefe noch einmal behandelt, fungiert aber sonst mehr als Stichwortgeber. Vielleicht hat dies seinen Grund darin, dass Habermas' "postmetaphysisches Denken" zuviel von der Verkündung eines Paradigmenwechsels hat, der mehr die Entwicklung in der Geistesgeschichte - in die man sich dann schickt - beschreibt, als der Metaphysik argumentativ zu begegnen. "Diese Einstellung ist nicht mehr die unsere" sagte er in Richtung der Kritischen Theorie. Das kann man zwar konstatieren, muss man aber, nur weil dem so ist, nicht einfach hinnehmen.

Gegen Carnaps Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache wendet Geert Edel in einem kurzen und treffenden Beitrag ein, dass die Regel, auf die man nach Carnap für die Korrektur der philosophischen Sprache rekurrieren sollte, selber ein Produkt philosophischer Reflexion ist - und damit dem von Carnap gewählten Sinnkriterium der Tatsachenbezogenheit widerspricht. Noch stärker widerspricht dem, dass Carnaps Konzeption die These von der Logizität der Welt beinhaltet.

Neben diesen mustergültig durchgeführten immanenten Widerlegungen der Metaphysikkritik, die diese "nach ihrem eigenen Maß" aufsprengen, findet man etwa im Beitrag von Lütterfelds eine Kritik von Wittgensteins Metaphysikkritik, die dessen Kritik sich anverwandelt, um die alte Metaphysik zu präzisieren und auf ein neues Niveau zu heben. Zum einen kann man zeigen, dass Wittgensteins Begriff der "Familienähnlichkeit", der den alten metaphysischen Begriff "Wesen" nicht nur als Name, sondern vor allem der Sache nach ersetzen sollte, selbst noch einen "Rest-Essentialismus" birgt. Zum anderen kann man Wittgensteins Vorwurf an die Metaphysik, sie verwechsele sachliche mit begrifflichen Untersuchungen, zwar teilen, man kann ihn aber auch an Wittgenstein zurückgeben und monieren, dass er die Metaphysik so versteht. "Wesen" darf nicht als Gegenstand (miss-)verstanden werden, sei es auf Seiten der Metaphysik, sei es bei Wittgenstein. Das ,Wesen einer Sache', so kann Lütterfelds nun präzisieren, gibt eine Darstellung "über den Gebrauch eines bestimmten Ausdrucks". Metaphysik und sprachanalytische Philosophie werden zusammengeführt, indem ein falsches Verständnis der ersteren korrigiert und gleichzeitig die Kritik der zweiteren zurückgewiesen wird. Die Rede vom "Essentiellen" ist nicht einfach zu verbieten (gegen Wittgenstein et al.), gleichzeitig aber ist das Essentielle "greifbar [...] nur in der Struktur der Verwendung eines Ausdrucks" (gegen Hypostasierungen der Metaphysik). So kann Wittgenstein den Metaphysik-Verächtern entwunden werden, seine Sprachanalysen leisten in dieser Perspektive vielmehr eine ",grammatische Rehabilitierung' der Wesensmetaphysik."

Auch die Naturwissenschaften werden üblicherweise als Gegner der Metaphysik gesehen. Hans-Otto Rebstock glossiert, wie Naturwissenschaftler sich naiv der Philosophie bedienen, wenn sie sich zu Welterklärungsversuchen aufschwingen. Dass "auch die moderne naturwissenschaftliche Weltsicht [...] auf einer bestimmten philosophischen Basis" ruht (Holz), das zeigt Renate Wahsner. Sie zeigt am Beispiele Alemberts, eines dezidiert antimetaphysischen Vertreters der französischen Aufklärung, der ein naturwissenschaftliches System "reiner Mechanik" errichten wollte, dass es zu ihrer Begründung sehr wohl metaphysischer Prinzipien bedarf. Diese Begründung ist für die Anwendung zwar nicht notwendig, aber ohne sie neigen die Naturwissenschaften dazu, diese Prinzipien blindlings zu naturalisieren, zu ontologisieren oder zu anthropologisieren. Es mag auch hier überraschen, dass demzufolge metaphysische Reflexion Verdinglichungskritik ist. Weil die Naturwissenschaften "sich nicht selbst begreifen" können, sind sie auf Philosophie angewiesen.

Doch die "neue Metaphysik" mag nicht nur sprachanalaytisch geklärte Meta-Reflexion sein. Schließlich zielte die Philosophie ursprünglich auf Realerkenntnis und wurde "dann nolens volens doch Wissenschaft von der Form des Wissens." Schon gar nicht tritt sie ausschließlich als "Gouvernante des alltäglichen Sprachgebrauchs" (Hoffmann) auf. Sie ist nicht nur transzendental tätig, sie hält auch am Transzendenten fest. Im Gegensatz zu dem beliebten Wort von Heinrich Heine, wonach Kant "den Himmel gestürmt" habe, so dass nun "der Oberherr der Welt [...] unbewiesen in seinem Blute" schwimme, betont Zöller, dass die "limitative Konzeption der Ersten Philosophie bei Kant" ein "negatives Wissen von dem, was das Übersinnliche nicht ist" gebe. Oder, anders gesagt, Kant hat Gott mit der "Kritik der reinen Vernunft" nicht widerlegt, sondern nur (und immerhin) gezeigt, dass für Gott im von der "Kritik der reinen Vernunft" errichteten "Reich der Positivität", also einer Welt nach Maßgabe formaler Logik und strenger Erkenntnis, kein Platz ist. Edith Düsing vertieft dies in einem äußerst instruktiven Überblick über Kants verschiedene Fassungen seines Gottespostulats und korrigiert den beispielsweise von Heine angenommenen Widerspruch zwischen der "Kritik der reinen Vernunft" einerseits und der "Kritik der praktischen Vernunft" (und anderen Schriften) andererseits.

Mehr kann man über die Transzendenz hier nicht erfahren. Der Aufsatz von Irina Deretic ist ein typisches Beispiel dafür, darauf hinzuweisen, dass Hegel mit dem "spekulativen Satz" einen entscheidenden Schritt in Richtung zur Überwindung des bloßen Rasönnierens, des Verstandesdenkens, getan habe. Aber worin genau dieser Schritt besteht, was das heißen soll und was das für ein Denken sein soll, das dann über das Verstandesdenken hinaus sei, das bekommt man - wie so häufig bei Ausführungen in diese Richtung - nicht gesagt. Da halte man sich lieber an die Arbeiten von Günter Wohlfart ("Der spekulative Satz", 1981) und Chong-Fuk Lau ("Hegels Urteilskritik", 2004).

Auch Thomas Sören Hoffmann verfolgt das Ziel, "mehr, nicht weniger als Metaphysik zu sagen und dies zugleich im Zeichen der Freiheit zu tun." Seine Bemühungen um eine Bestimmung der Dialektik bleiben allerdings tastende Versuche und gleichen Formulierungsvorschlägen. Wovon Dialektik weg will ("Emanzipation von einer linear-referentiellen Bedeutung unserer Wörter"), was sie leisten soll (die "Potentiale der Selbsttranszendenz der Sprache" entbinden), das ist noch klar. Aber wie ein "Denken von den Grenzen der Sprache her" funktioniert, was eine ",Sprachlehre' für das sich als ,stimmig' [...] Zeigende", zumal was ein "objektives Stimmigkeitsdenken im Sinne eines aus der Negation immanenter Positionalität gewonnenen Einstellens der Begriffe in ihre ursprüngliche Schwebe" oder auch eine "Induktion der kritischen Schwebe in die Semantik unserer Begriffe" sein soll, das würde man gerne erklärt bekommen, weil es sich vielversprechend anhört.

Dialektische Logik

Ebenso wie die Metaphysik, so muss man auch den so genannten "Deutschen Idealismus" vielgestaltigen Vorurteilen entreißen. Bereits dieser Sammelbegriff, so Gerhard Gamm, ist ein Name, "der sehr verschiedene Dinge zum Zweck der Abkürzung, der Herrschaft und der Indifferenzierung zusammenfasst" und neben dem es deswegen, so Walter Jaeschke, "wohl wenige Bezeichungen [gibt], die vielfältiger, ja schwammiger verwendet werden als diese." Vor allem Hegel werden inzwischen zum Volksurteil verfestigte Vorwürfe gemacht: Apologie des preußischen Staates, deterministische Geschichtsteleologie, Konstruktionen einer Totalität, eines totalitären Begriffssystems et cetera.Weil "Deutscher Idealismus" also "ein denkbar schlechter Name" ist, der "das Verständnis [...] von Anfang an verdunkelt und in die Irre führt" (Gamm) ,,deswegen stellen sich Kollgen und Schüler von Franz Ungler die Aufgabe, Hegel zu erklären. Und so fragt Michael Wladika, ein Talent in philosophischer Klar- und Direktheit, gleich mit dem Titel seiner Einleitung: "Warum studieren wir immer und immer wieder Deutschen Idealismus?". Verschiedene Bereiche des Hegel'schen Denkens werden mit den einzelnen Aufsätzen des Sammelbandes abgedeckt: so etwa bestimmte Begriffe wie das "Absolute" (Simon), bestimmte Formulierungen und Denkfiguren wie "etwas an und für sich betrachten" (Lütterfelds) oder "Idee in ihrem Anderssein" (Klein), der Übergang von der Wesens- zur Begriffslogik in Hegels "Wissenschaft der Logik" (Wladika), sowie philosophiegeschichtliche Interpretationen (Hofmeister über den Sündenfall, Grimmlinger über Spinoza bei Hegel).

Wenn nicht im Vorder-, so doch im Hintergrund steht häufig die Kritik der formalen Logik und der Versuch, über diese hinauszukommen. Wladika, stark an Liebrucks angelehnt, kritisiert Kant dafür, eine Philosophie unter den Prämissen formaler Logik formuliert zu haben, hält ihm aber zugute, aus ihr auch herausgetreten zu sein, insofern er sie nicht einfach befolgt, sondern auf die Bedingungen reflektiert, die sie stellt. Eine dieser Bedingungen besteht in der Setzung eines "logischen Ich", welches den logischen Formen zwar Erkenntnisdignität gibt, zugleich aber das Problem seiner Existenz stellt.

Das Problem der reinen Vermittlung stellt sich auch im Übergang von der Wesens- zur Begriffslogik. Das Wesen, so weist Hegel ihm nach, hat kein Sein (Wladika). Der Mangel von Spinozas "Substanz" besteht darin, dass sie nicht so Substanz sein kann, wie Spinoza sie gerne hätte. Sie kann nicht Substanz in dem umfassenden Sinne sein, wenn man sie so fasst, wie Spinoza es tut. Das Mannigfaltige bleibt ihm äußerlich (Grimmlinger) und um Absolutes zu sein, ist es zu statisch. Nicht zuletzt liquidiert diese Konzeption das Ich. Hier zeigt sich dann, wieso die Begriffslogik eine "Logik der Freiheit" (Klein) ist, deswegen, so einer der vielen falsch verstandenen Sätze Hegels, muss Substanz als Subjekt gefasst werden.

Das besondere Interesse dieses Kreises von Philosophen gilt Hegels Lehren vom Begriff und vom Urteil, die nach wie vor relativ wenig erforscht sind. Leider bleibt es auch hier mehr bei den Bekundungen der Absicht, hier Klarheit zu schaffen, als dass es tatsächlich gelänge, ein Resultat zu antizipieren. Denn was dies sei, "eine den Horizont der formalen Logik transzendierende logische Gesetzlichkeit" (Zeidler), und worin diese bestehe, das erfährt man leider nicht, ebensowenig wie man "den Begriff als Erkenntnisgrund in Ansatz" bringt. "Philosophische Logik" oder "Erkenntnislogik" sind hier nur aus der Not entstandene Begriffsbildungen, die das, was sie benennen, nicht aufschließen. Die Mängel des Verstandesdenkens können aufgezeigt werden: "Die logische Notwendigkeit beschränkt den syllogistischen Beweis auf begrifflich ,Vorerkanntes' und erlaubt daher weder einen Beweis höchster Prinzipien, noch einen Beweis von Individuellem." Mag einem ein höchstes Prinzip gut postmetaphysisch auch gleichgültig sein, so sollte es einem, gerade als Gegner der ,großen Begriffssysteme' nicht egal sein, wenn das Individuelle durch das Raster einer als natürlich empfundenen Weltsicht fällt.

Ungler

Auch Franz Unglers posthum veröffentlichte gesammelte Aufsätze interpretieren und erörtern die Philosophie des Deutschen Idealismus, vornehmlich die Hegels. Ein Aufsatz über die Dialektik der Aristotelischen Freiheitsdefinition und drei Rezensionen sind ebenfalls dabei. Ungler ist beeindruckend mit dem Material vertraut. Man bekommt äußerst kluge und gelehrte Auskünfte zu Detailfragen (Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit, Anfang der Seinslogik, Bedeutung der "bestimmten Negation" et cetera), aber häufig taucht das Problem auf, dass man in den Texten keinen roten Faden findet. Es passiert das gleiche wie bei vielen vielen anderen Hegel-Interpretationen: einmal ins System eingeklinkt, spielt der Autor alle Benennungen, ihre Übergänge und Verknüpfungen durch - heraus kommt aber nur eine Art Neufassung des Hegel'schen Werks, aber kein Zugang zu ihm wurde gelegt. Unglers Aufsätze wirken wie Selbstverständigungsversuche, es fehlt die Distanz des Autors zum eigenen Text, die Moderation.

Dennoch kann man einiges lernen. Der Aufsatz über die "Die Bedeutung der bestimmten Negation in Hegels Wissenschaft der Logik" ragt heraus und legt eine Interpretation vor, die einleuchtend, in dieser Form aber kaum verbreitet ist. Ungler zeichnet nach, dass die bestimmte Negation nicht beliebig anwendbar, sondern ein Verfahren der Entwicklung ist, welches nur in den Bereich der Seinslogik fällt. Er ordnet den drei Teilen der "Logik" spezifische Entwicklungsverfahren und dazugehörende Widerspruchstypen zu. Zur Seinslogik, der Sphäre des daseienden Widerspruchs, gehört die bestimmte Negation als Übergehen in Anderes; zur Wesenslogik, als Sphäre des gesetzten Widerspruchs, die sich negierende Negativität als Scheinen in Entgegengesetztes; in die Begriffslogik schließlich, als Sphäre des aufgehobenen Widerspruchs, das Sichkontinuieren, die sich negierende Negativität, die bei sich bleibt, als Sichkontinuieren des Allgemeinen in das Einzelne.

Allgemein betrachtet ordnet Ungler seine Interpretationen zur Philosophie nach dem Hegel'schen Schema der "drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität". Auch hier spielt das Problem der Überwindung des Verstandesdenkens eine zentrale Rolle. In der ersten Stellung wird unter der Leitung formaler Logik die absolute Identität von Sein und Denken naiv vorausgesetzt. Während das ontologische Denken dieser Stufe noch nicht darum weiß, dass es diese Identität selber setzt, wird genau dies in der zweiten Stellung deutlich. Indem die Identität von Sein und Denken als hergestellte gewusst wird, wird diese Identität Gegenstand der Reflexion. Man philosophiert weiterhin unter dem Primat formaler Logik, nun aber be- und gewusst, und auf sie als Form kann reflektiert werden. Die Transzendentalphilosophie kritisiert die Ontologie dafür, dass sie nur die Formen, nicht aber die Form der Formen thematisiert hat: Ich, Selbstbewusstsein, das Prinzip der synthetischen Einheit alles Vorstellungsmanigfaltigen. Die Aufhebung der formalen Logik wird mit der Aufhebung der Transzendentalphilosophie in Hegels spekulativer Logik, in der dritten Stellung, erreicht. Die Widersprüche, die der Verstand zum einen für nicht-existent erklärt, zum anderen doch vermeiden möchte, werden hier nicht getilgt, aber auch nicht in die Dinge verlegt. Die Vernunft wird vom Widerspruch nicht befreit, geht aber über sie hinaus, weil anders sich Wirklichkeit (mit den Phänomenen von Bewegung, Leben und Freiheit) nicht erfassen ließe.

Pirmin Stekeler-Weithofer

Der letzte der zu besprechenden Autoren gehört nicht zu dem obigen Kreis, es bietet sich aber an, ihn in einer Reihe mit den anderen zu besprechen, da sein Zugriff auf die Philosophie ähnlich ist.

Wer ob des Titels eine Geschichte der Philosophie erwartet, der wird enttäuscht. Eher geht es um verschiedene Entwürfe einer Geschichte der Philosophie. Von beidem finden sich Ansätze, aber was ist der Hauptgegenstand? Ein roter Faden ist schwer auszumachen, merkwürdig verworren ist das Werk, - merkwürdig zumal für Stekeler-Weithofer, eine positive Ausnahme an Klar- und Direktheit unter den Philosophieprofessoren. Man findet eine Fülle von klugen Anmerkungen, Ideen, Aspekten und Anregungen, zwischen denen Themenstränge auftauchen und dann wieder verschwinden. Von Formen der Philosophiegeschichte stößt er sich ab, in dem er Biodoxografien (Kapitel 1) und rein deskriptive Philosophiehistoriografie (Kapitel 2) kritisiert. Sie, ebenso wie ein Denken, das sich an ,Ismen' sichert, erfüllen nicht das, was Philosophie ist, "Denken des Denkens" und "Verständnis unserer eigenen Praxisformen" zu sein. Sie reduzieren eine bestimmte geistige Tätigkeit, die an keinen besonderen Inhalt gebunden ist, auf eine Lehre, die man als Weltsicht erwerben könne. Das Denken des Denkens ist auch auf Philosophie selbst anzuwenden: sie muss gedanklich nachvollzogen, nach-gedacht und nicht als Abfolge verschiedener Weltanschauungssysteme verstanden werden. Und um dies zu ermöglichen, ist Stekeler-Weithofers "Philosophiegeschichte" ein Beitrag zu einer kritischen Revision des bisherigen Zugriffs auf die Philosophie. Er möchte eine "zweieinhalb Jahrtausende herrschende Legasthenie" und die "Boulevardgeschichte der Philosophie" (auf Popper bezogen) beenden.

Weil Philosophie die "denkende Betrachtung von Wissen und Wissenschaftlichkeit" ist, deswegen geht es "ihr also zuerst um den Sinn unserer Reden", ist sie also "kritische Reflexion auf eine Logik des Wissens und den Begriff des vernünftigen Urteils". Mit solchen Bestimmungen scheint Stekeler-Weithofer zunächst einfach nur die Forderungen der analytischen Philosophie zu wiederholen. Was diese als neues Verständnis von Philosophie erst noch begründen wollte, indem sie die Philosophie auf Methode reduziert und die bisherige Geschichte der Philosophie als Metaphysik verabschiedet, - genau das sieht Stekeler-Weithofer in der Geschichte der Philosophie schon verwirklicht, und zwar genau dort, wo sie dem Positivismus am mythischsten erscheint: bei den Metaphysikern und Ontologen, bei Platon und dem Deutschen Idealismus, nicht im Geringsten bei deren Gegnern, den Skeptikern und Empiristen. Dass Philosophie zumeist immer schon das getan habe, was Carnap und Wittgenstein erst noch etablieren wollten, das mag verwundern.

Verwundert ist Stekeler-Weithofer seinerseits darüber, dass man dies nicht (mehr) erkennt. Und hat man seine hier thesenhafte, dort detaillierte Interpretation nachvollzogen, so kann man sich mit ihm zusammen wundern. Er begreift Philosophie in ihren verschiedenen historischen Formen als eine zu dechiffrierende große Metonymie. Deren kopfschüttelnde Rezeption resultiere nur daraus, "dass man die logische Rolle metonymischer Sprachformen [...] noch nicht (oder nicht mehr) begreift".

Um einige Beispiele zu nennen: Die Rede von "Gott" meine demnach "eigentlich den nous oder die Vernunft im Ganzen", sei eine "immer schon metonymische Rede über ein unendliches, ideales, Wir-Subjekt eines zu sich selbst kommendes Denken [sic]." Heraklits "logos" ist demnach keine große Weltvernunft oder kein Weltgeist, sondern sei "als Form der Artikulation oder Gliederung" zu verstehen. So dürfe man auch Götter und Dämonen bei Homer nicht als überweltliche Wesen begreifen, sondern sie treten "immer dann auf, wenn Unwahrscheinliches erklärt oder nicht direkt wahrnehmbare Ursachen dargestellt werden sollen."

Hegels "Weltgeist" ist demnach nicht "ein personaler und transzendenter Gott", der die Geschichte bestimmt, sondern seine Tätigkeit und sein Inhalt seien dasselbe wie die Tätigkeit der Philosophie. Was in der Philosophie gedacht wird, wird, "in metonymischer Redeform", "einem gedachten Weltgeist als Gedankeninhalt zugeschrieben." Für den Begriff "Geist" bedeutet dies, "dass gerade der Glaube an die Transzendenz einer spirituellen Welt und an die Unsterblichkeit der individuellen Seele ebenfalls das ambivalente Resultat einer philosophischen Einsicht ist und nicht einfach religiöser oder theologischer Aberglaube. Missverstanden wird diese Transzendenz, wenn man sie ontisch, also als etwas in einer Hinterwelt Vorhandenes, deutet. Recht verstanden artikuliert sie die Einsicht, dass unser einzelnes Leben in einem umfassenderen Zusammenhang steht."

Es verwundert, dass bei jemandem mit einem so enormen Rezeptionshorizont wie Stekeler-Weithofer die oben besprochenen verwandten Positionen nicht vorkommen. Dies ist schade, denn ein Austausch oder eine Auseinandersetzung könnten fruchtbar sein. Kein Liebrucks, kein Heintel, nur einmal Simon findet sich in seinen Literaturverzeichnissen. Dass etwa Descartes nicht von Axiomen oder Prinzipien in der Form von Definitionen ausgehe, wie ihm stets unterstellt wird, "sondern von Zusammenhängen, die man, indem man faktisch denkt, nicht anders denken kann, weil sie in den Bedeutungen liegen, auf die man sich denkend bezieht", dass er von dem ausgehe, "das man unbedingt und absolut leicht kann", nämlich von der "semantische[n] Kompetenz", diese fast dreißig Jahre alte Neudeutung Josef Simons, könnte auch von Stekeler-Weithofer stammen. Auch die (nennen wir es mal) sprachphilosophische Interpretation Leibniz' und Hegels, die Stekeler-Weithofer andeutet, liegt bereits vor.

Auch Stekeler-Weithofer behandelt die Philosophie wie der späte Schelling den Mythos: beide sind nicht irrationale Phantasmen, sondern ungewohnte Formulierungen eines durchweg rationalen Anliegens. Nicht haben die verschiedenen Positionen der Philosophie versäumt, sich begreiflich zu machen, sondern durch die Jahrhundert hindurch konnte oder wollte man es nicht verstehen. Offen bleibt aber, wie es zu diesen Missverständnissen kommen konnte. Sollte man es wirklich auf eine gut gemeinte, aber im Resultat schlecht geratene "Popularisierung" schieben können? Dann war diese aber nichtmals eine solche, sondern eine Fehlleistung. Wann hat man die "ausgesprochen hohe Kompetenz der rechten Lektüre"? Und nach welchen Kriterien schließlich kann man sagen, wie man die Philosophie "eigentlich" zu verstehen habe, wann man sie "recht verstanden" und wann "missverstanden" habe, wenn man gleichzeitig großzügig jede Interpretation alter Texte als "eine Art Regietheater" bezeichnet, bei dem ein altes Drehbuch neu aufgeführt werde, übersetzt in die jeweilige Zeit und Sprache? Wann kann man sicher sein, dass man "das ontische Missverständnis [...] auf angemessene Weise" aufgehoben hat?

Denn so beliebig, wie es in manchmal scheint, ist die Interpretation bei Stekeler-Weithofer nicht: an ihr hängt ein emphatischer Anspruch. Ist "die sich entwickelnde Bewusstwerdung der Formen des Denkens und der Wissenschaft" das "Thema der Philosophie", so geht es hier nicht nur um eine ziellose Schau. Geht es Philosophie "um die Entwicklung der allgemeinen Idee der Wahrheit und des Wissens", dann ist sie auch "das Selbstbewusstsein, und d.h. das kritische Gewissen der üblichen Bildung." Das sich Vergewissern hat sofort kritische Stoßrichtung. Als "Verteidigerin einer recht begriffenen Geisteswissenschaft und Geistesgeschichte" ist Philosophie damit auch die "Verteidigerin von Denken, Vernunft und Freiheit." Vom Verstehenwollen zum Absoluten mag es zwar ein weiter Weg sein, aber sehr schnell ist man auf ihn geraten; und es bedarf hartnäckiger Anstrengungen des anti-metaphysischen Denkens, ihn zu vermeiden.


Titelbild

Max Gottschlich / Michael Wladika (Hg.): Dialektische Logik. Hegels "Wissenschaft der Logik" und ihre realphilosophischen Wirklichkeitsweisen.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005.
273 Seiten, 44,80 EUR.
ISBN-10: 3826027418

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Michael Wladika: Gedachter Glaube. Festschrift für Heimo Hofmeister zum 65. Geburtstag.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005.
315 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-10: 3826030559

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Karen Gloy: Unser Zeitalter - ein postmetaphysisches ?
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005.
400 Seiten, 49,80 EUR.
ISBN-10: 3826029380

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Titelbild

Franz Ungler: Zur antiken und neuzeitlichen Dialektik.
Herausgegeben von Michael Höfler und Michael Wladika.
Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. 2005.
167 Seiten, 34,00 EUR.
ISBN-10: 3631538073

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Titelbild

Pirmin Stekeler-Weithofer: Philosophiegeschichte.
De Gruyter, Berlin 2006.
279 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-10: 3110185563

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