Von Herzen schlecht

Felix Huby folgt den Spuren geldgieriger Bluthändler und elitärer Organhändler

Von Jörg von BilavskyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg von Bilavsky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Felix Hubys neuestem Roman spielt nicht allein der Hauptkommissar, der "lange, krumme, ungeschickte" Schwabe Peter Heiland, die Hauptrolle. Nein, auch der Zufall. Philosophisch betracht der Hegel'sche. Denn wie heißt es bei dem vor mehr als 200 Jahren in Stuttgart geborenen Begründer des Deutschen Idealismus: "Der Zufall ist die Form, in der sich das Notwendige durchsetzt." Der Zufall ist der größte Freund des Kommissars, gleichzeitig aber leider auch der größte Feind eines plausibel konstruierten Kriminalromans. Und so kann bei Peter Heilands Ermittlungserfolgen - wie sein philosophisch unbeleckter Vorgesetzter Ron Wischnewski meint - mitunter von "Dummenglück", wohlwollend natürlich von "Intuition" gesprochen werden.

Auch die Verbrechen selbst bestimmt der vermeintliche und der tatsächliche Zufall. Denn als der herzkranke Bankier Mende bei einem Gesangsvortrag plötzlich zusammenbricht, ist auch sein bester Freund, Prof. Schultes, zugegen. Rein zufällig ist in "Schultes-Klinik" auch ein gesundes, vor allem aber "kompatibles" Spenderherz vorrätig. Dieses hat man einem ebenfalls, nur rein zufällig kur zuvor eingelieferten, plötzlich hirntoten Asylanten entnommen und in einem Kühlgefäß deponiert. Doch als der Brustkorb des Bankiers geöffnet und der defekte Herzschrittmacher entnommen worden ist, schlägt das Explantat nicht mehr. Irgendjemand hatte nämlich zuvor der Kühlbox den Strom abgedreht.

Da denkt man sich natürlich sofort: Bei soviel Zufällen kann es nicht nur einen, da muss es mehrere Täter geben. Und genau so ist es auch. Dass der afrikanische Asylbewerber Joseph Sabri Opfer eines systematischen Organdiebstahls geworden sein muss, ist ebenso schnell klar wie die Tatsache, dass Mende vermutlich wegen eines Nebenbuhlers und Karrieristen sterben musste. Und so bahnen sich Heiland und seine "geliebte" Kollegin Hanna Iglau durch das Beziehungsgestrüpp der Klinik. Die ethisch-moralische Dimension des Organraubs und Schultes Herrenmenschen-Ideologie streift Huby nur am Rand und dann auch nur in stereotyp argumentierenden Dialogen.

Im Zentrum steht eindeutig die Streuung möglichst vieler Verdachtsmomente gegen alle und jeden sowie die Rekonstruktion der potenziellen Tatmotive. Das gehört zweifelsohne zu jedem geschickt verstrickten Krimi dazu. Wieso Huby aber noch weitere, von den Klinikmorden unabhängige Parallelfälle einflicht, wird nicht klar. Weder taugen die kriminellen Machenschaften von Heilands ehemaligem Schulfreund als falsche Fährte, noch wirft die parallele Suche nach einem Frauenmörder ein neues Licht auf den eigentlichen Fall oder den Charakter des Kommissars. Was bleibt, ist ein etwas überfrachteter und mit dem Thema Organhandel überforderter Krimi, der oft vom Zufall und noch öfter vom schwäbischen Temperament Heilands lebt. Aber vielleicht ist das - um mit dem Schwaben Hegel zu denken - einfach nur notwendig gewesen.


Titelbild

Felix Huby: Der Bluthändler. Roman.
Scherz Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
320 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783502180982

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch