Dunkle Fee mit Mutterherz

Die Rache liebender Frauen kann teuflisch sein, wie Disneys jüngstes Meisterwerk „Maleficent“ zeigt

Von Daniela OttoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniela Otto

Der Film erzählt das bekannte Dornröschen-Märchen aus der Perspektive der Antagonistin Maleficent, die bereits in der Zeichentrickversion jedem Kind Angst und Schrecken eingejagt hat. Die Rolle ist Angelina Jolie auf den Leib geschrieben: Die Oscar-Preisträgerin läuft zur Hochform auf.

Doch der Film besticht nicht nur durch Jolies fantastisches Spiel, ihre ätherische Schönheit oder die vielen Action- und Animations-Einlagen, die mitunter an das Naturparadies Pandoras aus „Avatar“ erinnern, sondern auch durch den durchaus gelungenen neuen Dreh der Story: Wir erfahren, warum Maleficent böse wird. Und wir können mit ihr fühlen, wie selten mit einer Figur. Denn sie wird es aus Liebe.

So wird Maleficent vom zukünftigen König Stefan und Prinzessin Auroras Vater betrogen. Um auf den Thron zu kommen, stiehlt er ihre mächtigen Flügel – natürlich erst, nachdem er ihr einen Kuss aus vermeintlich wahrer Liebe gegeben hat. Ein gebrochenes Herz also ist die blutende backstory wound der Protagonistin und „Maleficent“ beweist einmal mehr, dass die bösen Figuren noch immer die spannendsten waren.

Zweifelsohne ist die Verwandlung der betrogenen Geliebten in die zürnende Rachegöttin das Highlight des Filmes. Wenn Maleficent das Baby Aurora verflucht und ihrem einstigen Geliebten König Stefan mit diabolischer Verve ein „well, well… what an awkward situation“ ins Gesicht haucht, ist die Heldin am Höhepunkt ihrer Attraktivität angelangt. Unendlich cool ist diese nun böse Fee, und fast erwischt man sich als Zuschauer dabei, wie man ihr – freilich politisch unkorrekt – alles Gute für den Fluch wünscht. So tragisch es klingen mag, aber wenn dabei solche Geschichten herauskommen, scheint sich Liebeskummer eben doch zu lohnen.

Schade also, dass die dunkle Fee in ihrer Boshaftigkeit bald schon wieder einknickt. „Maleficent“ spielt nicht zuletzt mit einer zutiefst nachvollziehbaren weiblichen Urangst – der Angst, dass der geliebte Mann ein Kind mit einer anderen Frau zeugt. Zuneigung zu genau jenem Kind zu empfinden, das den Schmerz der verlorenen Liebe symbolisiert, scheint zuviel verlangt. Dass Maleficent jedoch genau dazu bereit ist, zeugt letztlich von ihrer charakterlichen Stärke.

Aber was soll man auch machen, wenn einem die guten Feen das Glücklichsein in die Wiege gelegt haben? Maleficent erliegt schließlich – wie alle – dem Charme Auroras. Zu liebreizend ist das Prinzesschen – von Elle Fenning mit solch überschwänglicher Fröhlichkeit gespielt, dass einem fast schwindlig wird – als dass die dunkle Fee sie nicht ins Herz schließen könnte.

Und so ergibt sich letztlich eine matriarchalisch gefärbte Version des alten Märchens: König Stefan ist der Loser. Und überhaupt: Wer braucht schon Männer? So scheint die neueste Disney-Botschaft zu lauten. Denn sie tun einem ja doch nur weh. Und nicht einmal zum Wachküssen taugen sie. Well, well… what an awkward situation.

„Maleficent“ (USA 2014)
Regie: Robert Stromberg
Darsteller: Angelina Jolie, Elle Fanning, Sharlto Copley, Sam Riley
Laufzeit: 97 Minuten

Weitere Filmrezensionen hier