Barock ausufernde Fabulierlust und purer Aberwitz
Salman Rushdies Roman "Der Boden unter ihren Füßen" stellt die Geschichte auf den Kopf
Von Ulrich Karger
Am 14. Februar 1989 wird das Rockidol Vina während eines fürchterlichen Bebens von einer Erdspalte verschluckt. Nachdem sich ihr Freund und heimlicher Geliebter Rai wieder einigermaßen gefangen hat, hält er Rückschau auf Vinas Werdegang. Dieser ist er sehr eng mit seinem eigenen, insbesondere aber auch mit dem Werdegang von Ormus verbunden. Vina und Ormus galten auf der Bühne wie im Leben als Traumpaar.
Rai, vom selben Jahrgang wie der Autor Salman Rushdie, blickt in seiner Rückschau auf Kindheit und Jugendzeit im Indien der 50er und 60er Jahre zurück - und Ende der 80er auf Selbstbetrug und verlorengegangene Ideale. Wie schon die früheren Romane von Salman Rushdie lebt "Der Boden unter ihren Füßen" von barock ausufernder Fabulierlust und purem Aberwitz. Rushdies Sinn für Komik ist hierbei noch am ehesten mit dem von Woody Allen zu vergleichen. Bilden bei Allen Psychologie, Judentum und New York die literarische Klammer, reibt sich bei Rushdie immer wieder das indische Bombay mit seinen vielfältigen religiösen Kulten an der Zivilisation der einstigen Kolonialmacht England - wobei Rushdie stets betont, völlig areligiös zu sein.
Der neue Roman verbindet nun sogar das diesseitige Rockgeschäft mit uralten Mythen, verweist mit Vina und Ormus auf Orpheus und Eurydike, erzählt selbst über Rai eine ouverturehafte Geburtslegende und verweist damit zugleich auf das Auf- und Abbauen von Stars durch die Boulevardjournaille. Rushdie stellt diese Scheinwelt zudem in Science-Fiction-Manier auf den Kopf. So überlebt J. F .Kennedy das Attentat von 1963, und Ormus hört als Jugendlicher in sich Hits, die erst Jahre später komponiert werden - jedoch von anderen als den uns bekannten Stars. Das eröffnet eine Unzahl doppelter Böden: So war der 14. Februar 1989 der Tag, an dem über Rushdie die Fatwa ausgesprochen wurde.
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