Böse Welt

Robert Coover erzählt, Art Spiegelman zeichnet – „Street Cop“ als Kooperation zweier amerikanischer Größen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn zwei Heroen der amerikanischen Popkultur zusammenarbeiten, darf man schon mal hinschauen, vor allem wenn wenigstens der eine gerade ein wenig ins Gerede gekommen ist. Immerhin hatte es Art Spiegelmans Holocaust-Comic Maus (über den man kein Wort oder sehr viele Worte mehr verlieren sollte) zur amerikanischen Schullektüre geschafft und wurde jüngst, wenigstens in einigen Staaten wieder mit großer Verve aus den Schulen verbannt. Man weiß nicht so recht, ob man ein Land, in dem so etwas geschieht, schlimmer noch, in dem Michelangelos David mit dem Pornoetikett versehen wird, wirklich noch ernst nehmen kann, anglikanisch hin oder her. Aber den mittlerweile 75-jährigen Spiegelman wird wohl kaum noch etwas erschüttern. Die späten Sechziger waren am Ende doch noch von anderem Kaliber.

Produktiv ist er immerhin wie eh und je, was ja der enorme Vorteil dieser konventionell erzogenen, wie es mal hieß, anal geprägten Generation ist, sie bleibt eben immer dran. Selbst Corona hat Spiegelman nicht wirklich gehindert, weshalb es zu der bemerkenswerten Kooperation zwischen ihm und Robert Coover gekommen ist.

Coover, nochmals ein Jahrzehnt älter als Spiegelman, hat mit Street Cop eine hübsche kleine, dystopische Erzählung vorgelegt, die derart aus dem Rahmen fällt, dass sie zugleich wieder höchst realistisch scheint. In der Kooperation mit Spiegelman hat Coover sicher eher die Vorhand, legt er doch die Geschichte vor, zu der Spiegelman Illustrationen vorlegt. Was wiederum die Frage nach der Qualität der Beziehung zwischen Text und Bild aufwirft, die es in diesem Fall zu konstatieren gibt. Die etwa 130, allerdings kleinformatige Seiten umfassende Geschichte um einen Streifenpolizisten, der nur aus Zufall vom Kleinkriminellen zum Gesetzeshüter konvertiert ist, lebt nicht nur von den fast üblichen Ausstattungsmerkmalen des Genres: Der Street Cop treibt sich, wie es sich gehört, in recht dubiosem Gelände herum, kennt die Kleinganoven seines Bezirks, ist mit den heruntergekommenen Prostituierten der Gegend auf vertrautem Fuß, während er mit den eigenen Leuten und deren Gepflogenheiten eher fremdelt. Das umso mehr, als bis hin ins Revier sich so ziemlich alles grundlegend verändert hat. Gesteuert wird der Street Cop nämlich nicht mehr von einem korrupten Lieutenant, sondern von einer App, die Elektra heißt und von der nicht klar ist, ob sie denken kann, oder eben von genervten Telefonistinnen, für die er eher ein dysfunktionaler Appendix als der Arm des Gesetzes auf der Straße ist. Sein Einsatz zielt irgendwie auf irgendwas ab (er ist auf der Suche nach einem Mordopfer), was ihn dazu führt, alle möglichen Hausbesuche abzustatten, die aber immer irgendwie ins Leere führen. Zumal dann, wenns in einen Laden geht, der mit Hauszombies handelt, die sich die Leute als Maskottchen oder Haustiere halten. Auch wenn sie immer noch gern Menschenfleisch futtern, das man dann beim Spezialhändler bekommt.

Insgesamt ist diese unschöne neue Welt ein wenig unübersichtlich geworden, spätestens seitdem sich das Straßenbild permanent ändert, weil es immer aufs Neue neu aus dem 3 D-Drucker entspringt. Wenn Städtebilder keine Haltbarkeit mehr haben, dann wird’s ein bisschen eng mit der Ortskenntnis. Und wenn der Verlust des Orientierungsprogramms den Helden zu Tränen rührt, weil sie – Elektra – immerhin das einzige war, das immer gegenwärtig war, dann ist es weiter mit der Welt gekommen. Sie beängstigt, wie Coover im Gespräch mit Art Spiegelman meint, das dem kleinen Band beigegeben ist.

Spiegelman hat die kleine abstruse und beunruhigende Geschichte nun nicht in einen eigenen durchgängigen Metatext übersetzt, sondern sich  mit einigen Standbildern begnügt, die der Erzählung beigegeben sind und deren Motive jeweils zusammenfasst. Das ist auch Illustration, und reicht doch darüber hinaus, eben nicht nur indem Spiegelman, wie es jeder gute Illustrator tut, dem Text ein „Gesicht“ gibt, eine konkrete Form, die die je subjektive Imagination sistiert. Darüber hinaus komprimiert Spiegelman die iterative Narration Coovers in ein komplexes, mehrfach inverses Bild, das eben auch anderes oder Erzähltes anders erkennen lässt. Insofern bietet die Zusammenarbeit Coovers mit Spiegelman eben auch einen ästhetischen Mehrwert, den eine einfache Erzählung ebenso wenig erbracht hätte wie ein gleichnamiger Comic.

Titelbild

Art Spiegelman: Street Cop.
Aus dem Englischen von Clemens Meyer.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2023.
132 Seiten , 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783103975291

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