Misogyn oder doch radikal feministisch?

Elisabeth Wilhelmine Strauß über Margaret Cavendishs Naturphilosophie

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Margret Cavendish? Wer soll das gewesen sein, eine Philosophin? Nie gehört! - Mit solcher Unkenntnis findet man sich in prominenter Gesellschaft. So weiß etwa auch der "Ziegenfuß" nichts von der englischen Denkerin des 17. Jahrhunderts - und bei ihm handelt es sich immerhin seit mehr als fünfzig Jahren um das "Handwörterbuch der Philosophie nach Personen". Man greift also zu einem feministisch orientierten Lexikon - hier wird man vielleicht eher fündig werden. Und richtig, in Marit Rullmanns "Philosophinnen von der Antike bis zur Aufklärung" ist Margret Cavendish mit einem 15-seitigen Eintrag vertreten, der allerdings wenig dazu anregt, sich weiter mit der Philosophin und Autorin einer Utopie mit dem Titel"The Blazing World" zu befassen. Denn dort kann man nicht nur lesen, dass es ihr "in jeder Beziehung" an der notwendigen Ausdauer gemangelt habe, "um ein eigenes philosophisches System" zu entwickeln, sondern dass sie auch nur eine "eher unbedarfte" Kritik an Hobbes "Leviathan" zustande gebracht habe. Ihre Ansichten seien zudem "zum Teil haarsträubend" und selbst dort, wo sie die zeitgenössische Frauenerziehung kritisiert, misogyn und ließen "politische oder soziale Komponente" vermissen.

Wieso aber wurde sie dann unlängst mit einer Dissertation gewürdigt? Und weshalb setzt sich Elisabeth Wilhelmine Strauß in ihrem Buch "Die Arithmetik der Leidenschaften" mit Cavendish und ihrer Naturphilosophie auseinander? Nun, vielleicht unter anderem, damit der englischen Philosophin künftig etwas mehr Gerechtigkeit widerfährt. Denn ganz anders als das zitierte Philosophinnen-Lexikon zeigt sich Strauß von Cavendishs "barocke[m] Riesenwerk" und der "Radikalität ihrer feministischen Analyse" beeindruckt.

Kern und Ziel ihrer Untersuchung ist jedoch weniger die Rekonstruktion von Cavendishs (prä-)feministischer Kritik, als vielmehr eine "von Empathie getragene Rekonstruktion" ihrer "philosophischen Intentionen" und deren atheistisch bzw. deistisch zu deutender Naturtheorie, in deren Verlauf Strauß die "Unbeirrbarkeit" aufweist, mit der die erste scientific lady "die Natur gegen den Machtanspruch der Neuen Wissenschaft verteidigte".

Titelbild

Elisabeth Wilhelmine Strauß: Die Arithmetik der Leidenschaften. Margaret Cavendishs Naturphilosophie. Ergebnisse der Frauenforschung Bd.53.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 1999.
152 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 347601732X

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