Das „neue Sehen“ der Impressionisten

Zwei Impressionismus-Bände setzen einen neuen Standard

Von Klaus HammerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hammer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Keiner der Impressionisten hat die „Haut“ der Landschaft beredter geschildert als Claude Monet, den man auch als Vaterfigur für die zeitgenössische und moderne Malerei bezeichnen kann. Er malte die Bäume, das Meer und den Himmel so, wie Auguste Renoir die Haut der Frauen malte. Und doch strahlen nur wenige der Bilder, die er vor seinem 50. Geburtstag schuf, die gedankliche Durchdringung, die analytische Ruhe innerhalb eines Gartens Eden aus, die seine wirkliche Größe ausmachte. Er wollte in die Tiefe gehen, die tiefer liegenden Interaktionen zwischen Auge und Verstand bloßlegen.

So begann er 1888 mit einem System, in dem das gleiche Motiv seriell immer wieder von Neuem, in Serien, gezeigt wird. Wahrscheinlich regten ihn dazu japanische Holzschnitte an, die unter Pariser Künstlern stark im Umlauf waren und ihnen eine Fülle von Motiven boten. 15 Ansichten von Heuschobern entstanden. Es waren neutrale Motive in wechselndem Licht. Genau das wollte er: 15 der unendlich variierbaren Lichtwirkungen zeigen, die man einem Motiv zu verschiedenen Tageszeiten und bei unterschiedlichem Wetter abgewinnen kann. Jeder Heuschober sollte ein Beispiel für etwas gleichzeitig Alltägliches und immer Wiederkehrendes sein und alle Möglichkeiten ausschöpfen, die ein menschliches Auge erfassen kann

Sein Garten in Giverny, den er von einem Blumengarten zu einem Wassergarten mit seinen Seerosen, den Iris, den Trauerweiden und der grünen glyzinienüberwucherten japanischen Brücke zu entwickeln begann, lieferte ihm die Motive für seine besten Bilder. Vorher entstand eine Reihe von Pappelbildern. Das Motiv ist auf flächige Farbstreifen reduziert, Himmel, Flussufer und Spiegelung im Wasser, die noch durch die leicht gewellten Vertikalen der Baumstämme im Wasser hervorgehoben wird. In den Seerosen von Giverny wurde er dann noch flächiger. Sie entspringen einer langen Beschäftigung mit einer Unterwasserwelt, die sich spiegelt, in der kein Himmel zu sehen ist, außer seiner Spiegelung im Wasser, das die ganze Fläche ausfüllt. Monet hat die Realität mit einem Höchstmaß an Abstraktion eingefangen.

41 Monet-Bilder bildeten den Höhepunkt in der Ausstellung Impressionismus. Die Kunst der Landschaft, mit der im vergangenen Jahr das wieder aufgebaute Palais Barberini in Potsdam als Kunstmuseum seine Pforten öffnete. Der Unternehmer Hasso Plattner, Gründer und langjähriger Leiter des Softwareunternehmens SAP, hat in den vergangenen 20 Jahren eine der bedeutendsten Sammlungen von Landschaftsdarstellungen des französischen Impressionismus zusammengetragen, die den Kern dieser wunderbaren Eröffnungsausstellung in dem von ihm gestifteten Museum bildete. Sie wurden durch Leihgaben aus 32 Museen und Privatsammlungen aus Europa und Übersee ergänzt.

Der die Ausstellung begleitende gleichnamige Sammelband vereinte Beiträge, die auf einem Symposium 2016 gehalten wurden und die der thematischen Ausstellung die wissenschaftliche Fundierung geben sollten. Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini, führt in die Landschaftskunst der Impressionisten ein, die sich in Kontinuität zur älteren Generation der Maler von Barbizon entwickelte. Gerade die Annäherung an die Vorbilder half den Künstlern, mit Neutralität auf die Natur zu reagieren. Farbe wurde als deren Analogie verstanden und eingesetzt, um ihrer Materialität und Temperatur nachzuspüren. Der Natureindruck sollte nachvollziehbar und überzeugend sein und trotzdem nicht davon ablenken, dass es sich um Malerei handelt. So etablierte sich mit der impressionistischen Landschaft eine Naturwiedergabe, die keine Landschaftsmalerei, sondern eine Kunst der Landschaft war.

Der Beitrag Richard Shiffs, des Leiters des Centre for the Study of Modernism an der University of Texas, Austin, beschreibt die Handschrift des Künstlers im Impressionismus als fragmentierende Erfassung der Welt und zeigt die Verbindungen zum digitalen Bild auf, das aus einzelnen Informationen zusammengesetzt ist. Wenn alles in der Landschaft weiß ist wie die noch unbemalte Leinwand, fragt Nancy Ireson, Kuratorin für internationale Kunst an der Tate Modern, London, was kann dann farbig sein? Die scheinbare Neutralität schneebedeckter Landschaften bot den impressionistischen Malern ein Experimentierfeld für den Umgang mit Reflexionen und farbigen Schatten. Die Autorin stellt eine Verbindung her zwischen frühen impressionistischen Schneelandschaften und zeitgleichen Strömungen wie Symbolismus und Naturalismus und betrachtet dabei sowohl die Bildwelt als auch die Literatur des späten 19. Jahrhunderts.

Während die impressionistischen Bilder der 1870er und 80er Jahre das Faktum Mensch und auch dessen Sozialgeschichte ausblenden oder verschleiern, schreibt Stephen F. Eisenman, Professor für Kunstgeschichte an der Northwestern University in Evanston, konzentrieren sie sich auf die Naturgeschichte, den Wandel in der Natur und die Entwicklung der Landschaft. Die Impressionisten seien die ersten gewesen, die sich kritisch und systematisch mit dem ökologischen Wandel und einem beginnenden Bewusstsein für den Klimawandel auseinandersetzten. Die frühen Landschaften des Impressionismus als Zeugnisse der Industrialisierung untersucht Stefan Koldehoff, Kulturredakteur des Deutschlandfunks, während Christoph Heinrich, Frederick and Jean Mayer Director des Denver Art Museums, Monets Serien und dessen Arbeit an der Abstraktion in den Blick fasst. Schon der Impressionismus hatte die Realität mit einem Höchstmaß an Abstraktion eingefangen.

Der zweite Teil des Sammelbandes enthält den mit Kurztexten kommentierten Katalog der ausgestellten Arbeiten. Sie sind nach bestimmten Themen (Meer- und Flusslandschaften, Panoramen, Wiesen, Wälder und Lichtungen, Felder, Berge, Gärten, wechselnde Tages- und Jahreszeiten, Über- und Unterwasserwelten, Landschaften des Nordens und Südens) geordnet und reichen vom idealisierten Bild bis zu einer Darstellung, die auf dem genauen Studium der Natur beruht. Das Gesehene sollte naturtreu und wahrhaftig wiedergegeben werden und in das Porträt einer realen Landschaft münden. Es etablierte sich zudem die Naturstudie vor Ort mit einer Konzentration auf die Phänomene Licht, Schatten und Atmosphäre. Denn gerade die Wandelbarkeit eines Naturausschnitts bei wechselnder Tages- und Jahreszeit war ein Hauptthema der französischen Impressionisten. Sie verstanden Licht und Schatten als farbige Phänomene und setzten die Reflexe des Sonnenlichts auf den Dingen mit Farben und kurzen, nebeneinander liegenden Pinselstrichen um. Die Palette hellte sich immer mehr auf, Schwarz verschwand als Farbe bald völlig. Erst eine solche Gruppierung der Werke nach Themen zeigt, wie planvoll und methodisch die Künstler vorgingen.

Wasser und Himmel waren für die Maler des Impressionismus die wesentlichen Faktoren, um das Licht ins Malerische umzusetzen. Die Brechungen und Spiegelungen des Lichts konnten auf der Wasseroberfläche genau studiert werden. Blättert man in diesem wunderbar aufbereiteten Katalogteil, dann kann man erkennen, wie Eugène Boudin das Beobachten des Wassers und des Himmels in seinen Seestücken und Küstenlandschaften die Möglichkeit zur Darstellung von „formloser Masse“ bot (Le Havre. Sonnenuntergang am Meer, 1885). Camille Pissarro wiederum tupfte die Farbe auf die Leinwand. Aus dem Neben- und Übereinander der Farbflecken entsteht eine vibrierende Atmosphäre, die die Konturen auflöst und den Formen ihre Festigkeit nimmt. Die strenge konstruktive Ordnung seiner Bilder, die perspektivische Gestaltungsmittel zurücknimmt, steht dieser Tendenz entgegen und gibt der Darstellung ein klares Gefüge (Die Hügel von Le Chou, Pontoise, 1882). Später malte er solide, farbenfreudige Bilder, auf denen jedoch die Lichtschwingung innerhalb des Farbtons durch eine Knetbewegug des Pinsels erzielt wird, die manchmal ein System von Schraffierungen erzeugt. Die Formen, die zu jener Zeit bei Monet zum Verfließen tendieren, bleiben hier jedoch scharf umrissen.

Monet malte während seiner wiederholten Aufenthalte in Etretat jenen ins Meer hineinragenden zerklüfteten Kalkfelsen in drei Gemälden, in denen unterschiedliche Phasen der sinkenden Sonne festgehalten sind, die den Himmel in einem intensiven Rot aufleuchten lässt, während die Klippen des Felsen als dunkle Silhouette aufragen und das ruhige Meer die Farben des Himmels reflektiert. Nicht das sich wiederholende Landschaftsmotiv steht im Zentrum, sondern das langsam schwindende Tageslicht, die in einer kurzen Zeitspanne sich verändernden Farben von Steilküste, Meer und Himmel. Hier bietet sich das Schauspiel einer in ihrer materiellen Tatsächlichkeit zurücktretenden, in eine reine Lichterscheinung verwandelte Meeres- und Küstenlandschaft. Den Bilderreihen Monets, wie sie sich in Etretat schon ankündigen, liegt ein Totalitätsanspruch zugrunde, der sich nicht mit momentanen Teilaspekten einer Landschaft begnügt, sondern vielmehr einen Gesamteindruck anstrebt, in den gleichsam alle zeitlichen und räumlichen Eindrücke eingeschlossen sind. Monets Gemälde sind Belege für eine Welt, die sich in Farben, Tönen und Klängen unendlich differenziert, ohne die Erfahrung des Ganzen zu vermitteln. Seine Bilderreihen der 1890er Jahre, die sich in Etretat vorbereiten, hingegen arbeiten der impressionistischen Tendenz entgegen, eine wenig verbindliche „Momentaufnahme“ zu verabsolutieren und suchen nach gültiger Ganzheit. Sie sind letztlich der Versuch, über sich immer weiter zergliedernde Eindrücke wieder zur Vorstellung des Ganzen zu gelangen. Monets Sommerlandschaft in Giverny wird dann jene Heiterkeit und Gelöstheit charakterisieren, die Merkmal der lichtdurchfluteten Landschaften der Impressionisten sind und dem Betrachter die Vorstellung eines irdischen Paradieses vermitteln.

Für Théodore Rousseau bildet die Luftperspektive die Grundlage seiner Kompositionen.

Alfred Sisley arbeitet mit „verschwimmenden“, übergänglichen Gegenstandsgrenzen und steigert auch die Wirkungsmöglichkeiten von Farbe und Bildlicht. Mit verhaltenen Buntwerten lässt er auch die Dunkelheiten der Farben zur Geltung kommen, fasst die Farben also zugleich als Buntheiten und Valeurs, und gewinnt aus diesem Kontrast eine Lichtwirkung über das spezifische Farblicht hinaus. Hat Renoir als Figurenmaler und Porträtist schon durchweg das Hübsche, Gefällige und „Charmante“ vermieden, so haben seine Landschaften etwas geradezu Wildes, Chaotisches, Abgründiges, das er in den Begriff der „Irregularität“ fasste (Allee mit Blätterdach, 1866–69). Renoirs Landschaften sind erstaunliche Studien über gefiltertes Licht, das die Farben im Halbschatten schillern lässt.

Wird auch Monets Beobachtung immer systematischer, seine Technik bleibt immer spontan. Sie entwickelt sich in einer Richtung, die ihn von der Division des Farbtons wegführt und zu immer größerer Undurchsichtigkeit und materieller Dichte führt. Während im Zyklus der Seerosen die Farbschicht ganz undurchsichtig wird und sich in eine Art Farbwand verwandelt, erhöhen sich die Wirkungen der Oberflächenreflexion, die die Bilder beleuchtet. Die Materialität der Dinge interessiert den Künstler nicht, allein die Lichtphänomene ziehen ihn an; das Licht an sich selbst kommt jedoch am besten in der undurchsichtigen Technik zum Ausdruck, wobei es als ein Erschauern an der Oberfläche erfasst wird, während die transparente Malerei der Farbe eine kosmische Tiefe verleiht. So ermöglicht dieser Band unter kundiger Anleitung eine Vielzahl von Beobachtungen und Entdeckungen.

Einen monografischen Impressionismus-Band, der die Vorzüge einer hohen Buchkultur mit dem neuesten Stand der Impressionismus-Forschung verbindet, hat nach Bänden über Jugendstil, Salonmalerei und Art déco der Kunsthistoriker Norbert Wolf vorgelegt. Impressionismus. Eine Welt aus Farbe und Licht ist kein Überblickswerk, sondern will „ausführlich auf Aspekte eingehen, die den Stil auf seine Charakteristika, seine Optionen, seine Chancen, aber auch seine Aporien zu durchleuchten erlauben“. Der Autor fragt nach der Typologie des impressionistischen Stils und stellt ein zweipoliges Spannungsfeld vor: den „optischen Impressionismus“ und den „synthetischen Impressionismus“. Werner Hofmanns sensualistischer „Harmlosigkeit“ des impressionistischen Stils – dem Impressionismus als Utopie eines irdischen Paradieses – widerspricht der Autor und verweist auf die zeitkritischen Tendenzen der Impressionisten.

Wie wir wissen, gab Monets Bildtitel Impression. Sonnenaufgang (1872) der Bewegung ihren bis heute gültigen Namen. Der Begriff fasste sofort Fuß, sowohl bei Édouard Manet als auch bei Jean-Baptiste Camille Corot, als erster Eindruck, der der Erfassung eines Phänomens in einem bestimmten homogenen Licht entsprang. Impressionen haben laut Wolf nichts mit Objektivitätsansprüchen zu tun, sie verweisen vielmehr in den Bereich gesteigerter Subjektivität, in den psychologischen Bereich der Selbstreflexion, den die Impressionisten dann verkörpern. Diese benutzten neben „impression“ noch das Wort „sensation“ (Empfindung). Das erklärt, warum zwei Impressionisten, wenn sie ein identisches Motiv malten, oft vollkommen unterschiedliche Stimmungen einfingen. So legte Renoir in Monet beim Malen in seinem Garten (1873) den Akzent auf die Figur seines Freundes, er „erzählt“ mehr und reichert das Motiv mit Details an, während Monet in Garten in Argenteuil (1873) ein Menschenpaar zur Marginalie verkleinert und sich stattdessen auf das variable Kolorit der ausgedehnten Blütenpracht konzentriert. Monet sieht die Natur ungezügelter, wildwüchsiger, ins Unermessliche gedehnt, bei Renoir dagegen wirkt sie domestizierter, im Sinne einer Nah-Idylle.

Farbe oder Linie – sprengt ihre jeweilige Bevorzugung die „Geschlossenheit“ des impressionistischen Stils oder existiert ein gemeinsamer Nenner für den Impressionismus? Argenteuil ist in der Kunstgeschichte zum Synonym für den optischen Impressionismus geworden – mit seinem Gefüge aus flirrenden Farbtupfern, seinen hellen, „heiteren“ Farben, seiner Bemühung um wechselnde Lichtstimmungen und transparente Atmosphäre, was den Verzicht auf Linearperspektive und modellierte Körperlichkeit bedeutete. Wolf führt aus, dass der optische Impressionismus keineswegs auf jeden zeichnerischen Akzent verzichtet wie umgekehrt der synthetische Impressionismus auch nicht auf jede malerische Farbbehandlung. In der „impression“ treffen unweigerlich die objektive Außenwelt und die Subjektivität sowie Individualität der Künstler zusammen.

Der Autor geht dann auf den Japonismus und die – die Sehgewohnheiten aufbrechende – „fotografische“ Bilddisposition der Impressionisten ein. Denn die sich aus der Bewegung ergebende Unschärfe oder die bis zur radikalen Fragmentierung gehenden Randüberschneidungen bei außergewöhnlicher Kameraposition fanden ihr Analogon immer häufiger in der Bildordnung der Impressionisten. Viele von ihnen nutzten auch Fotografien zu Studienzwecken.

Monet wollte, nachdem er sich in der Normandie, beim Malen am Strand von Etretat, auf ein Motiv und dessen temporäre Situation festgelegt hatte, die Impression sofort auf die Leinwand bringen, „dem Augenblick Dauer verleihen“. Die Intuition, der memorierte und fortgeschriebene Zeitfluss im Augenblick – und all das im Wechselspiel mit der „objektiven Welt“ – das sind die Kriterien, die nach Wolf den Impressionismus in seinen beiden Erscheinungsformen charakterisieren.

Das „irdische Paradies“ gilt dem Großteil der Impressionismus-Literatur als das Sehnsuchtsziel impressionistischer Malerei schlechthin. Doch kommt die Lebensfreude auch in den Darstellungen von Vergnügungs-, Kultur- und Sportstätten, dem Flanieren auf dem Boulevard sowie den Aufenthalten in der Landschaft zum Ausdruck. Der Impressionismus war in weiten Bereichen keine bohèmehafte, vielmehr eine bourgeoise Kunst. Doch anfangs sahen sich die Impressionisten schon in die Rolle gesellschaftlicher Außenseiter gedrängt. Aus solcher Ambiguität lassen sich jene Momente der Entfremdung und Isolation erklären, die die urbanen Szenen eines Edgar Degas oder Gustave Caillebotte bestimmen. Bei Manet blicken die Figuren in einen Raum, der jenseits der Bildgrenzen liegt und den wir nicht einsehen können. Der Blick macht die Menschen einsam (Un Bar aux Folies-Bergère, 1881/82). Dass das Moment der Irritation nicht nur ein Merkmal der Manetschen Kunst war, sondern eine durchgehende Option der impressionistischen Malerei, belegt Degas. Bei ihm wird die Stätte des Vergnügens zum Ort individuellen Rollenspiels. Degas’ Eingehen auf die „fleurs du mal“ der Moderne, schreibt Wolf, gipfelte in der Serie von 200 Bordell-Monotypien zwischen 1876 und 1878. Ansonsten dominieren freundlichere Darstellungen des bürgerlichen Vergnügens. Renoirs Tanz im Moulin de la Galette (1876) ist Gruppenporträt, Genrebild und Landschaftsbild in einem. Im Frühstück der Ruderer (1880/81) hat Renoir dann die narrativen Komponenten ausgebaut. Hier scheint der Impressionismus seine Utopie im schönen Schein eingelöst zu haben. Großstadt und Arbeitswelt werden als Themen von Wolf genauso behandelt wie die private Welt.

Wie ist der französische Impressionismus entstanden? Der Autor stellt die wichtigsten französischen Impressionisten vor – die des optischen und die des synthetischen Impressionismus. Er beginnt mit einem Künstler, den die Zeitgenossen zur „Vatergestalt“ des Impressionismus erhoben, den man heute allerdings nur eingeschränkt diesem Stil zu rechnet – Manet. Es folgen Monet, Renoir, Camille Pissarro, Caillebotte und Degas, auch die Malerinnen Berthe Morisot, Mary Cassatt, Marie Bracquemond und Eva Gonzalès werden nicht vergessen. Den Galeristen, Sammlern und Museumsleute wird ein ganzes Kapitel gewidmet, denn sie trugen zu einem nicht unwesentlichen Teil zur Ausbreitung und Popularisierung des Impressionismus bei. Die Berührungspunkte zwischen dem französischen Impressionismus und der amerikanischen Kunstszene werden genauso erörtert wie die Rezeption des französischen Impressionismus in Deutschland, Skandinavien und Russland, wobei dem praktizierten deutschen Impressionismus (Max Liebermann, Max Slevogt, Louis Corinth unter anderen.) ein besonderer Raum eingeräumt wird.

Wolf geht auf das Verhältnis des Impressonismus zu anderen Kunstformen, zur Fotografie und zur plastischen Bildnerei ein: Was haben die Neoimpressionisten (Georges Seurat und Paul Signac) mit dem Impressionismus zu tun und wie nutzt die Moderne die im Impressionismus präformulierten Intentionen, um weiter in Richtung Abstraktion vorzustoßen? Seine Schlusseinschätzung lautet:

Im Ganzen bleibt gültig, dass der Impressionismus eine der bedeutendsten und anregendsten Strömungen zwischen Tradition und Avantgarde war, wenn nicht gar die bedeutendste. In dieser Einschätzung trifft sich […] das wissenschaftliche Urteil mit der immensen Beliebtheit des Impressionismus beim kunstbegeisterten Publikum.

Der Betrachter und Leser beider Bild-Text-Bände sieht sich einem beeindruckenden Spektrum gegenüber. Dieses bunte Kaleidoskop von Bestandteilen einer ganzen Stilrichtung vermittelt Kunstgenuss und Erkenntnisgewinn und auch etwas von der Begeisterung für diese Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die den kunsthistorischen Sachverstand wohltuend ergänzt.

Titelbild

Norbert Wolf: Impressionismus. Eine Welt aus Farbe und Licht.
Prestel Verlag, München 2015.
272 Seiten, 69,00 EUR.
ISBN-13: 9783791349770

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Ortrud Westheider / Michael Philipp (Hg.): Impressionismus. Die Kunst der Landschaft.
Prestel Verlag, München 2017.
248 Seiten, 39,95 EUR.
ISBN-13: 9783791356280

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