Liebe und Qual

Im Roman „Es ist immer so schön mit dir“ schildert Heinz Strunk den alltäglichen Wahnsinn in einer vergifteten Beziehung

Von Steffen KrautzigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Steffen Krautzig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich hat er am Beginn alles selbst kommen sehen. Schon nach der ersten SMS an die jüngere Schauspielerin Vanessa ahnt der mittelalte, namenlose Protagonist, auf ihre Antwort wartend: Eine mehr oder weniger Unbekannte, die einem im Kopf herumspukt, verheißt sowieso nur Schwierigkeiten. Probleme. Ärger. Scherereien. Komplikationen. Heinz Strunks Anti-Held beendet seine aktuelle Beziehung zur tantchenhaften” Julia trotzdem und stürzt sich erregt in eine Affäre, die für beide, ihn und die neue Frau, sehr schnell zur Psychofalle wird. In seinem neuesten Roman schildert Strunk realistisch eine vergiftete, toxische Liebesbeziehung. Etliche aus seinen früheren Büchern bekannte Themen und Motive tauchen in Es ist immer so schön mit dir wieder auf und machen die Geschichte bei aller Tragik lesenswert und unterhaltsam.

Der Romantitel spielt an auf einen Song von Hildegard Knef, die 1966 melancholisch sang:

Bei dir war es immer so schön und es fällt mir unsagbar schwer, zu geh‘n. […] Warum hast du mir denn so weh getan und was fang ich ohne dich an?

Im Unterschied dazu steht der Titel bei Strunk im Präsens. Vanessa behauptet mit diesem Satz im letzten Romandrittel, ihre Beziehung wäre schön, obwohl die bis dahin geschilderten Episoden aus dem Alltag der beiden nüchtern betrachtet genau das Gegenteil beweisen. Von unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen, egoistischen Aktionen und ernst gemeinten Liebesschwüren, die sich mit tagelangen Funkpausen abwechseln, ist alles dabei, was eine Beziehung unendlich kompliziert und quälend macht. An einer anderen Stelle wird Howard Carpendales Lied Fremde oder Freunde aus dem Jahr 1979 zitiert, denn die meisten Schlagertexte stimmen, ob man’s wahrhaben will oder nicht.” In der auktorialen Erzählung aus Perspektive des Helden sind kursiv immer wieder Gedanken in der Ich-Form eingebaut, zum Beispiel: Sie lässt mich zappeln, kocht mich weich, lässt mich am ausgestreckten Arm verhungern.”

Die Hauptfigur ist, wie Strunk, eigentlich Musiker, verdient sein Geld aber mit einem eigenen Studio für Sprachaufnahmen und Audioproduktionen, in dem er unterschiedlichste Aufträge anderer bearbeitet, unter anderem Hörspiele schneidet und vertont. Im Gegensatz zur jüngeren Vanessa, die auf ihren Durchbruch als Schauspielerin hofft, hat er sich damit abgefunden, nicht von der eigenen Kunst leben zu können. Ironisch auf die Spitze getrieben wird dieser Grundkonflikt zwischen künstlerischer Freiheit und lebensnotwendigem Gelderwerb beim Auftritt einer Band, die während einer Messe als sogenannter „Walking Act für Stimmung sorgen soll.“ Die Musiker spielen nervtötende Hits wie Highway to hell und der Funke springt, aus Sicht des Protagonisten, nur bei besoffenen Spießern über.

Heinz Strunk ist ein Meister der Beobachtung. Wie George Grosz in der bildenden Kunst skizziert er unterschiedliche Charaktere in wenigen Zügen, kritisch und mit spitzer Feder. Dabei stecken hinter bösem Humor und Zynismus immer auch Traurigkeit und Melancholie. Zu wissen, dass es keinen echten Ausweg aus dem sich ständig wiederholenden Wahnsinn alles Zwischenmenschlichen gibt, macht echte Freundschaft oder Liebe nur noch kostbarer. Und umso verzweifelter wirken da die unterschiedlichen Anläufe, die Beziehung zu retten, es noch einmal zu versuchen. Strunks Charakterstudien sind gleichzeitig immer auch Mode- und Stilkritiken: Peter hat die lange, unförmige Altherrenbaumwollhose gegen schief abgeschnittene Jeansshorts getauscht, die so eng sind, dass sie seinen Bauch über den Hosenbund quetschen. […] Ab einem gewissen Alter sollten Männer keine Hotpants mehr tragen.”

Neben der Bekleidung wird auch der menschliche Körper, beziehungsweise sein unaufhaltbarer Verfall, genauer untersucht. In einer von vielen skurrilen, letztlich aber traurigen Szenen überrascht Freundin Julia den Protagonisten beim Begutachten seines eigenen welken Körpers vor dem Spiegel: „Ein nacktes Gespenst, das sich aus dem Sarg erhoben hat; der Mann muss vor sich selbst geschützt werden.”

Die gut lesbare Geschichte selbst enthält mit den Stationen Kennenlernen, Verlieben, Streiten und Trennen alle klassischen Elemente eines Beziehungsdramas. Das soll an dieser Stelle aber nicht weiter nacherzählt werden. Die Spannung, ob es ein Happy End gibt oder nicht, ist ohnehin nicht sehr hoch. Wie separate Mikro-Stücke jedoch reiht der Autor die einzelnen Szenen chronologisch in 23 unterschiedlich, lange Kapitel, sodass sie auch als Kurzgeschichten gut funktionieren. Je alltäglicher die jeweilige Begebenheit, desto großartiger der Text: Ob eine Geburtstagsfeier mit der Familie in einem Romantik-Hotel, zwei junge Männer im tiefergelegten BMW auf einem Burger King-Parkplatz, Schlangestehen an der Imbisstheke im Kino oder der Sommerurlaub am Pool, gerade diese vermeintlich nebensächlichen, belanglosen Ereignisse sind beeindruckend gut beobachtet und erschütternd deprimierend. Die Männer etwa, die im BMW stundenlang auf ihre Handys starren, vergeuden auf Einlass in einen Club wartend ihr Leben. Mit der eigentlichen Beziehungsgeschichte haben die kleinen Episoden meistens gar nichts zu tun. Aber als trostlose Nebenschauplätze spiegeln sie die Haupthandlung und schließlich auch die tragikomische Stimmung des ganzen Buches: „Das wird nichts mehr.”

Titelbild

Heinz Strunk: Es ist immer so schön mit dir.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2021.
288 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783498001988

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