Max Weber Begins
Die Briefe des jungen Max Weber, seine Notizzettel zur Finanzwissenschaft, Beiträge zu seiner Rede über „Wissenschaft als Beruf“ und ein Nach-Ruf auf Horst Baier
Von Dirk Kaesler
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseFür die laufende Berichterstattung über die Max Weber-Gesamtausgabe (MWG) in literaturkritik.de (zuletzt in der November-Ausgabe 2017) kann die Publikation von zwei weiteren Bänden annonciert werden.
Es handelt sich zum einen um die Briefe des Gymnasiasten, Studenten und Anwärters zum Reserveoffizier aus den Jahren 1875 bis 1886. Zum zweiten liegen nunmehr die erstmals edierten handschriftlichen Notizen Max Webers für seine Freiburger Vorlesung über „Finanzwissenschaft“ vor. Darüber hinaus wird hier auf ein kleines Bändchen zu dem vor 100 Jahren gehaltenen Vortrag Max Webers über „Wissenschaft als Beruf“ hingewiesen. Es folgt abschließend eine Notiz zum Tod von Horst Baier, einem der ursprünglichen Hauptherausgeber der MWG.
Briefe eines Jungen aus Charlottenburg
Der erste Brief im ersten Band der Briefsammlung Max Webers stammt aus der (buchstäblich!) Feder des 11jährigen Schülers des Königlichen Kaiserin-Augusta-Gymnasiums in der (selbständigen) Stadt Charlottenburg an seine „Liebe Mama!“, den letzten hier abgedruckten Brief schreibt der 22jährige Student der Jurisprudenz der Universität Göttingen an seine „Liebe Mutter!“.
Vergleichbar dem Film „Batman Begins“ des US-amerikanischen Regisseurs Christopher Nolan aus dem Jahr 2005 kann eine heutige Leserschaft in diesem Band den Beginn der charakterlichen Formation des Jungen aus der Charlottenburger „Villa Helene“ nachvollziehen. Was bei Bruce Wayne – jenem Helden, aus dem „Batman“ werden sollte – die panische Angst vor Fledermäusen war, ausgelöst durch den Sturz in einen alten Brunnen, der die Erinnerung an die Ermordung seiner Eltern reaktivierte, das könnte man im Fall Max Webers die Urangst vor Unglücken und Tod nennen.
Das Gefühl der ständigen Gefährdung des Lebens durch Krankheit, durch physische wie psychische Leiden, durch Tod und Verlust kann als eines der zentralen Motive von Max Webers Leben verstanden werden. Und zugleich die dadurch bedingte ewige Suche nach Sicherheit und Geborgenheit, vor allem bei seiner Mutter.
Um das zutreffend einordnen zu können, ist es sinnvoll, einen Schritt in jene Vergangenheit Max Webers zu machen, die Jahre vor jenen äußeren Abläufen liegen, die die insgesamt 149 hier versammelten Briefe dokumentieren. Dies führt zu einem Erlebnis, das der vierjährige Junge auf einer Bahnfahrt – in Begleitung seiner Mutter – im Jahr 1868 nahe der belgischen Stadt Verviers hatte. Am 20. August 1903 berichtet er seiner Ehefrau davon brieflich aus Brügge: „Bei Verviers erinnerte ich mich des ersten ‚erschütternden’ Ereignisses meines Lebens: der Zug-Entgleisung vor nun 35 Jahren. Das ‚Erschütternde‘ dabei war mir nicht Alles das, was vorging, sondern der Anblick eines dem Kind so erhabenen Wesens, wie einer Lokomotive, wie ein Betrunkener im Graben liegend – die erste Erfahrung von der Vergänglichkeit des Großen und Schönen dieser Erde.“
Solche und viele andere Erfahrungen des Schweren im Leben begannen früh für das Kind und den Jugendlichen Max Weber, wie wir den uns überlieferten Schilderungen der ersten Kindheitsjahre entnehmen können. Es ist hilfreich, auf diese vermutliche Ur-Prägung hinzuweisen, um vieles von dem, was die frühen Briefe dokumentieren, besser einordnen und verstehen zu können. Ungeachtet des teilweise fröhlichen, schnoddrigen und rabiaten Tons kann eine sensible und informierte Leserschaft die charakterliche „Grundierung“ des Menschen Max Weber in seinen Briefen erkennen. Schon darum sind sie überaus lesenswert, zumindest für jene, die sich nicht nur für das wissenschaftliche „Werk“ oder allein für seine (angebliche) „Wissenschaftslehre“ interessieren.
Insgesamt handelt es sich um eine ausschließlich interne Familienkorrespondenz. 64 Briefe sind an die Mutter adressiert, 47 Briefe an den Vater, 5 Briefe an beide. Vier Briefe richten sich an die Großmutter mütterlicherseits, fünf Briefe an den vier Jahre jüngeren Bruder Alfred, ein Geburtstagsbrief an die Schwester Lili. Neben der Kernfamilie schreibt der Junge Max Weber 16 Briefe seinem Cousin Fritz Baumgarten, fünf an dessen Vater, seinen Straßburger Onkel Hermann Baumgarten; an dessen Tochter Emmy, seine Cousine, richten sich zwei Briefe.
Aus der Charlottenburger Gymnasialzeit finden wir 76 Briefe in dem Band, aus der anschließenden Studienzeit an den Universitäten Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen sind 73 Briefe versammelt, wobei diese zudem die Straßburger Zeit seiner militärischen Erlebnisse beim 2. Niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 47 dokumentieren. Sie alle machen uns erneut mit jenem Milieu bekannt, das wir als prototypisch für das deutsch-preußische Großbürgertum jener Zeit einordnen können. Eine wohlhabende, gebildete und einflussreiche Familie bietet ihrem erstgeborenen Sohn sämtliche Möglichkeiten, die einem „Stammhalter“ eines derartigen Familiensystems zuzustehen schienen: eine gründliche und umfassende Schulbildung, eine klassische universitäre Ausbildung, zu der das aufwändige Burschenschaftswesen unverzichtbar dazugehörte, die Privilegien des überaus kostspieligen Einjährig-Freiwilligen Militärdienstes, der zum Traumziel des „Leutnants der Reserve“ führen sollte.
Der Gymnasiast
Die ersten 215 Seiten lassen die heutige Leserschaft einen braven Jungen kennenlernen, der zwar mit „mörderlichem Geschmier“ seiner Mutter, seinen Tanten, seinem Onkel, seinem Vater kontinuierlich aus seinem Leben berichtet, zumindest dann, wenn diese nicht in Charlottenburg weilten. Da wird geschrieben von Einquartierungen von Soldaten, von Ballonfliegern über dem Haus, vom Ertränken der Katzenkinder, von guten Schulleistungen („Im Griechisch habe ich das beste Extemporale geschrieben“, „vorläufig praedestinierter Primus Omnium“), von Problemen mit dem Personal – in der Villa Helene waren durchgängig mindestens zwei Hausangestellte tätig – und ganz besonders viel von seinem Lektürepensum.
Immer wieder ist auch in der biographischen Literatur davon berichtet worden, was dieser altkluge Gymnasiast – über seinen schulischen Lesestoff hinaus – an Literatur verschlang, teilweise auch in der gemeinsamen Lektüre mit seiner Mutter: Herder (Der Cid), Machiavelli („Der Fürst“), Luther, Viktor Hehn („Hausthiere und Kulturpflanzen“), Homer, Vergil, Cicero, Herodot, Livius, Shakespeare, Curtius („Geschichte der Griechen“), Walter Scott („Quentin Durward“), Gustav Freytag („Bilder aus dem Mittelalter“), usw. usw.
Dieser frühreife Knabe scheint alles gelesen zu haben, was ihm in die Finger kam, wie er seinem Vetter während der Sommerzeit 1879 berichtet: „Man schläft, ißt, trinkt, arbeitet, die Zeit vergeht einem unter den Händen wie Butter. Und wenn wirklich einmal die ‚längliche Weile‘ uns beschleichen sollte, – was übrigens bei vernünftigen Menschen nie passiren sollte, – ich weiß was ich thue, ich greife zum äußersten Mittel und lerne Herrn von Varnbülers Zolltarif auswendig.“ Gemeint damit ist die Denkschrift des Vorsitzenden der Zolltarif-Commission des Reichstags, Friedrich Karl von Varnbüler, die Max Weber unzweifelhaft im Bücherbestand seines Vaters vorfand.
Zum scheinbar unersättlichen Hunger nach Lektüre kommt sein grenzenloses Interesse an Münzen, Steinen, Stammbäumen. Es ist geradezu beruhigend, dass er in seinem Brief vom 4. Februar 1879 an seinen Vetter Fritz Baumgarten nicht nur von seiner Livius-Lektüre berichtet, sondern auch darüber, dass er mit seinen Geschwistern „zwei ungeheure Schneemänner“ gebaut hat. Gerade die zahlreichen Briefe an seinen Vetter Fritz Baumgarten berichten ausführlich über die vielfältigen Interessen des Heranwachsenden, wobei dem informierten Leser von heute ein wenig seltsam bei dieser Lektüre zumute sein muss: Sämtliche dieser Briefe wurden von dem Empfänger umgehend an Max Webers Mutter weitergeleitet, ohne dass dieser davon ahnen konnte, dass er auf diese Weise überwacht wurde. So versuchte Helene Weber einen besseren Eindruck vom Gefühls- und Gemütsleben ihres ältesten Sohnes zu gewinnen, wofür sie Fritz Baumgarten auch schriftlich dankte.
Es waren noch jene Zeiten, in denen brave Kinder ihren Großmüttern für die Geschenke zur Konfirmation in einem langen Brief dankten, ausführlich von zu Hause berichteten und dabei nicht vergaßen, die Wetterentwicklung der vergangenen Tage zu rapportieren. Und sogar über die gemeinsamen Aktivitäten mit dem Schulfreund Erdmann Pennmeyer wurde detailliert dem „lieben Papa“ berichtet: „wir kommen abwechselnd ich zu ihm und er zu mir und wir spielen selbanders Croquet.“
Notiert werden sollte, nicht zuletzt um das immer wieder verbreitete Klischee von dem herrschsüchtigen und lieblosen Max Weber senior zu erschüttern, die Tatsache, dass dieser überaus eingespannte Berufspolitiker mit seinen dreifachen Aufgaben im Berliner Magistrat, im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag jeden Sommer mit seinen zwei älteren Söhnen (Max, Alfred) längere Wandertouren mit der Besichtigung kulturell, historisch oder naturgeschichtlich interessanter Orte vor allem in Mitteldeutschland und am Rhein unternahm, von denen dann Max Weber an seine Mutter tagebuchartig berichtete. Viele der Briefe an seinen Vater dokumentieren, wie sehr der Junior sich in dieser Zeit an seinem Senior orientierte und sich dessen Begleitung wünschte („Ich hoffe immer noch sehr, Du wirst kommen, es wäre doch nett.“)
Und ohne es überbewerten zu wollen, sei doch darauf hingewiesen, dass in manchen Briefen überaus dunkle Gedanken eines 15-Jährigen zu erkennen sind, so etwa, wenn er aus dem Gedicht von „Ossian“ zitiert und dazu schreibt: „Ein Memento mori, wie: ‚Hinter Dir steht dämmernd der Tod / Gleich wie die finstre Hälfte des Monds / Hinter seinem wachsenden Licht.‘ werde ich nicht leicht vergessen.“
Der Student
Auch in Max Webers anschließender Station als Student an den Universitäten Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen setzt sich das Muster der tagebuchartigen Berichterstattung fort. Noch am Abend der Ankunft in Heidelberg am 23. April 1882 beginnt der regelmäßige Rapport an die Charlottenburger Familie: Geschrieben wird unablässig von der Zugfahrt, von der Ankunft, dem Absteigen im noblen „Hotel Ritter“, von den Besuchen bei den Verwandten, von der Wohnungssuche, von den ersten Vorlesungen, von seinen Antrittsbesuchen bei den Professoren, von seiner Semesterlektüre, von seinen Unternehmungen in der Burschenschaft Allemannia zu Heidelberg, von seinem beachtlichen Konsum an Zigarren und Bier, von seinen Ausgaben und der Tatsache, dass sein Geld nie reicht und er deswegen ständig von zu Hause – also seinem Vater – Nachzahlungen erbittet.
Bei aller Dankbarkeit – „Übrigens befinde ich mich hier sehr wohl, und bin Dir sehr dankbar dafür, daß Du mich hier studieren lassen hast“ – begegnet eine heutige Leserschaft einem ständig nörgelnden Menschen, der einen nicht zu übersehenden Hang zu Überheblichkeit und Besserwisserei hat und kaum ein gutes Haar an seinen akademischen Lehrern lässt. Die Briefe berichten weniger über Inhaltliches, breiten sich aber ausführlich über die Macken und Schwächen seiner Professoren aus.
Exemplarisch seien die Kommentare erwähnt, mit denen sich das 18jährige Erstsemester über den renommierten schlesischen Philosophen Kuno Fischer äußert: „Heute Morgen ärgerte ich mich über Kuno Fischer, der zwar eine blendende Kritik von Schopenhauers System lieferte, aber auch wieder in höchst unangenehmer Weise Theater spielte und eine neue Art, sich zu putzen, ausfindig gemacht hat. Läuft der Herr doch jetzt gar in einem schwarzen talarartigen Mantel, den er als Toga gefaltet trägt und mit einem Jesuitenbarett. Und anstatt über den Ludwigsplatz in die Plöckstraße zu gehen, wo er wohnt, sehe ich ihn fast jeden Morgen auf dem Wege zum Paukboden die ganze Hauptstraße entlang traben, damit jeder dies täglich Novitäten bringende Modejournal betrachten kann.“ – Im Nachgang zu diesem „Erguß“ räumt Weber zugleich ein, dass ihm dieser Professor auch deshalb so „widerwärtig“ sei, da er um dessentwillen bereits um ¼ 7 Uhr aufstehen müsse – „wenn er nicht mit so erfreulicher Klarheit vortrüge.“ Stellt man die Tatsache daneben, dass der Herr Studiosus erst einen Monat davor zu einem „unglaublich luxuriösem Essen“ bei eben diesem Kuno Fischer zu Hause eingeladen war, so entsteht unschwer der Eindruck eines einigermaßen opportunistischen Verhaltens. Wenig später, wieder nach einem Zusammensein im Haus von Bekker – mit „vorzüglichem Sekt und Bombennummern von altem Burgunder und Bordeaux“ –, charakterisiert er seinen Gastgeber und Professor so: „Er, Bekker, ist ein gemütlicher, witziger alter Junggeselle und Hypochonder, mit dem zusammen zu trinken zunächst entschieden das Beste ist, was man mit ihm anfangen kann.“
Schon diese wenigen Angaben, die unschwer zu ergänzen wären durch ähnliche Ausführungen über weitere seiner Heidelberger Lehrer und seines Professorenonkels Adolf Hausrath, machen deutlich, womit wir es bei diesem arroganten Charlottenburger Muttersohn zu tun haben. Allein seine Schilderung der Gäste bei solchen Zusammenkünften – „ alte Baronessen aus Copenhagen, junge Franzosen, polnische Grafen etc., allerhand Gesindel, welches mich sehr kalt ließ.“ – zusammen mit der sehr speziellen Mischung aus Gespött und fachlicher Anerkennung belegt, wie recht seine Lehrer im Gymnasium hatten, die über ihn zwar berichteten, dass er über „hervorragendes – jedoch leider ohne Schulfleiß – erworbenes Wissen“ verfüge, aber „Zweifel an der sittlichen Reife des unbequemen, innerlich respektlosen Jüngling“ hegten.
Wer sich heute über die Sozialisationsetappen des universitären Studiums vor Beginn der Weimarer Republik und deren Ergebnisse detaifreudig informieren möchte, dem sei – neben der Lektüre von Heinrich Manns „Der Untertan“ – die Vertiefung in diese Semesterberichte Max Webers ans Herz gelegt. Es gibt wenig Grund, der damaligen Heidelberger Studentenfröhlichkeit nachzutrauern.
Der Offiziersanwärter
Ähnliches gilt für die tagebuchartigen Briefe, in denen Max Weber über seine Zeit im Militär nach Hause berichtete. Sie stellen ein grandioses Dokument der Sozialisationspraktiken des preußischen Heereswesen dar, das als hervorragende Materialsammlung der schon bisher reichlich vorliegenden Literatur über „Die kasernierte Nation“ (Ute Frevert) und das Verhältnis von Zivilgesellschaft und Militärdienst hinzugefügt werden sollte.
Max Weber musste diese Etappe des freiwilligen Militärdienstes nehmen, denn noch war die standesgemäße Erziehung zum deutschen Mann seiner Kreise für ihn noch nicht abgeschlossen. Der „Einjährig-Freiwilligen Dienst“, ein Relikt der preußischen Befreiungskriege, war eine im Königreich Preußen 1814 eingeführte und im Deutschen Reich 1871 sowie in Österreich-Ungarn 1868-1918 mögliche Form des Wehrdienstes für einen ausgewählten Kreis junger Männer. Für sie wurde die aktive Dienstzeit statt der früheren drei Jahre verkürzt auf ein Jahr. Vor allem „ehrenhafte Bürgerliche“ hatten auf diese Weise eine Chance, als Offiziere zugelassen und damit quasi gleichrangig in dieses Reservat des Adels aufgenommen zu werden. Die Bedeutung dieser Einrichtung lag schon lange nicht mehr in ihrem militärischen Wert, sondern vor allem im politisch-gesellschaftlichen Bereich: Die Söhne des wohlhabenden preußischen Bürgertums wurden in die soziale Welt der aktiven Offiziere und deren Werteuniversum integriert – falls sie aufgenommen wurden.
Die erste Voraussetzung für eine solche Aufnahme war eine Bildungsqualifikation, denn der Einjährig-Freiwillige musste bereits eine wissenschaftliche Bildung erworben haben, d.h. er musste zumindest die Sekundarreife vorweisen können; mit seinem bestandenen Abitur an einem Humanistischen Gymnasium und bereits einigen Studiensemestern war Max Weber eindeutig überqualifiziert. Weiterhin musste er sich selbst ausrüsten, einkleiden und verpflegen: Voraussetzungen, die eindeutig vom Vermögen und Einkommen der Eltern abhängig waren. Bei den verschiedenen Teilstreitkräften ergaben sich sehr unterschiedlich hohe Kosten: Neben der ansonsten notwendigen Ausrüstung waren bei der Kavallerie zumeist zwei einsatzbereite Pferde und ein eigener Pferdeknecht mitzubringen, bei der Infanterie, zu der Max Weber jun. ging, gestaltete sich das zwar etwas preiswerter, aber die Kosten für mehrere Uniformen, Bewaffnung, Unterkunft, Verpflegung und den eigenen „Burschen“ waren immer noch beträchtlich. Diese hohen materiellen Anforderungen führten dazu, dass beispielsweise in den Jahren 1906 bis 1910 von den über 180 000 nach ihrer Ausbildung Berechtigten weniger als ein Drittel das Privileg des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes wirklich nutzen konnte, da die Eltern die Mittel nicht aufbringen konnten oder wollten. Der Charlottenburger Sohn zählte zur Minderheit jener, deren Eltern sich den Einjährigendienst für ihre Söhne leisteten.
Wofür sollte dieser ganze Aufwand an Lebenszeit und Geld von Nutzen sein? Aus Sicht der jungen Männer und ihrer Familien lohnte er sich vollkommen, zählte doch vor allem die Militärzeit – neben Familie und Schule – zu den wichtigsten Erziehungsinstitutionen des Kaiserreichs, denen ein bedeutender Einfluss auf die soziale Militarisierung der Gesellschaft zugemessen wird. Der „endlose Zeittotschlag“ und der „entsetzliche Stumpfsinn“, von denen Max Weber jun. in ständiger Wiederholung nach Hause berichtet, das Leiden unter den Schikanen seiner Ausbilder und das Klagen über die hohen Kosten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er – als Sohn seiner Zeit und seiner Gesellschaftsschicht – brennend gerne Reserveoffizier werden wollte, um damit als vollwertiges Mitglied der Männergesellschaft des Wilhelminischen Kaiserreichs angesehen zu werden. Herr und Offizier zugleich zu sein, war eines jener Ideale, die für einen anständigen deutschen Mann „aus gutem Haus“ galten.
Der Dienstantritt der Einjährig-Freiwilligen fand stets zum 1. Oktober eines Jahres statt, und so begann Max Weber jun. seinen Dienst am 1. Oktober 1883 in Straßburg beim 2. Niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 47. Wieso seine Wahl auf Straßburg und dieses Regiment fiel, ist nicht mehr aufzuklären. Drei Motive jedoch könnten den Ausschlag dafür gegeben haben: Zum einen spricht die enge Verbindung zu seinem Heidelberger „Leibburschen“, Otto Lubarsch, dafür, da dieser nach dem erzwungenen Abschied von Heidelberg zur Fortsetzung seines Medizinstudiums nach Straßburg ging, wo er im Wintersemester 1883/84 Examen machte. Zum anderen könnte ihn die erwünschte Nähe zu den Familien seiner beiden Tanten – den Schwestern seiner Mutter: Ida Baumgarten und Emilie Benecke – in jene Stadt geführt haben, in der die beiden Onkel als Professoren an der Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg (1871-1919) lehrten. Als dritter, möglicherweise entscheidender Gesichtspunkt könnte gelten, dass das elsässische Straßburg noch weiter weg als das badische Heidelberg vom preußischen Charlottenburg lag und der gerade erst gewonnene Freiheitsraum dem nunmehr 19-Jährigen sehr zusagte, so dass er ihn nicht ohne weiteres wieder aufgeben wollte.
Das 2. Niederschlesische Infanterie-Regiment Nr. 47 war 1859 im Rahmen der großen Reorganisation der preußischen Armee von 1859 gegründet worden und spielte während der Teilung des ehemaligen Wahlkönigreichs Polen eine prominente militärische Rolle auf polnischem Boden. Erst im Zuge der ethnischen (Stichwort: „Bedrohung des Deutschtums“) und der konfessionellen (Stichwort: „Kulturkampf“) Konflikte in Preußen entstand allmählich ein immer tiefer werdender Gegensatz von Polen und Preußen, der einen maßgeblichen Einfluss auf die Formation des preußisch-deutschen Nationalismus ausübte. Sowohl Max Weber sen. als auch Max Weber jun. waren in ihrem jeweiligen politischen und wissenschaftlichen Werk von diesen Konflikten erheblich geprägt. Das 2. Niederschlesische Infanterie-Regiment Nr. 47 wurde in den unruhigen Jahren zwischen 1846 und 1863, nach den Aufständen in Krakau, den Revolutionen von 1848, dem Krimkrieg und dem „Januaraufstand“ von 1863, an die preußisch-russische Grenze kommandiert, wo es bei seinem Eintreffen jedoch nur noch unbedeutende Kämpfe der polnischen Revolutionäre gegen das zaristische Militär erlebte. Seine erste wirklich bedeutsame militärische Aufgabe sollte das 2. Niederschlesische Infanterie-Regiment Nr. 47 im Krieg Preußens und seiner Verbündeten gegen den Deutschen Bund unter der Führung des Kaiserreichs Österreich übernehmen. Das Regiment, in dem Max Weber jun. seinen Wehrdienst ableistete, hatte seinen Einsatz in diesem „Preußisch-Deutschen Krieg“ ab der Mobilmachung zum 4. Mai 1866; es nahm an der entscheidenden Schlacht gegen Österreich am 3. Juli 1866 bei Königgrätz in Böhmen teil und ab 1870 am Feldzug gegen Frankreich. Da das Regiment nach Versailles verlegt wurde, erlebten seine Soldaten die Geschehnisse im politischen und militärischen Zentrum der deutschen Besetzer aus großer Nähe.
Wir können davon ausgehen, dass die anekdotenhafte Wiederholung solcher Ereignisse während seiner Zugehörigkeit zum 2. Niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 47 einen nicht unbedeutenden Einfluss auch auf Max Weber hatten, beginnend mit seiner Zeit in Straßburg ab Oktober 1883 über die Jahre seiner dortigen militärischen Übungen (1885, 1887) und seiner anschließenden Offiziers-Übungen in Posen (1888, 1891). Alle Stationen, mit denen er auf diese Weise sehr persönliche Erfahrungen machte, sollten auch für seine wissenschaftlichen und politischen Arbeiten von Bedeutung werden. Die Grenze zwischen Preußen und Russland auf ursprünglich polnischem Territorium, die Entscheidung über eine klein- oder großdeutsche Lösung, der Krieg gegen Frankreich, die Installation eines Deutschen Kaiserreichs, der Spiegelsaal des Versailler Schlosses: all dies begegnet uns nicht nur im Leben dieser militärischen Einheit, sondern auch in Leben und Werk dieses deutschen Gelehrten.
Es ist in Heidelberg und in Straßburg, wo sich die allmähliche Metamorphose des ehemals schwächlichen, schmächtigen Bürschchens, des altklugen Münzensammlers und in sich verschlossenen Bücherwurms in einen schneidigen, schmisseverzierten und bierbäuchigen Mensurenfechter und anschließend in einen keuchenden und schwitzenden Jungmann abspielt, der sich seines großen und unförmigen Körpers immer bewusster wird. Die exemplarische Schilderung einer „Felddienstübung“ an seine Mutter vom 6. Februar 1884 vermittelt davon einen plastischen Eindruck:
Morgens bei noch fast vollkommener Dunkelheit tritt man in Helm, Tornister, Kochgeschirr, Brotbeutel und Mantel an und marschiert ab. Anfangs geht alles ganz gut. Den Helm, der in der ersten Woche sich unangenehm bemerkbar macht, ist man schon gewohnt, ebenso die centnerschweren Commissstiefel – hat man statt des Helms die Mütze, und statt der Commissstiefel gewöhnliche an, so hat man, – ich wenigstens – , stets das Gefühl, barhaupt und auf Strümpfen zu gehen. Ebenso ist der, zunächst noch leere Tornister, anfangs kaum zu merken. Auf die Dauer aber macht sich zunächst der als Wurst um Brust und Tornister geschlungene Mantel unangenehm fühlbar […]. Dann fangen die beiden, schwer mit Platzpatronen gefüllten Patronentaschen, die bei jedem Schritt stark gegen die Leistengegend drücken, an, sich bemerklich zu machen. Schließlich empfindet man doch auch den Druck der unteren Tornisterkante gegen die Kreuzgegend […]. Nachdem man dann noch eine Weile abwechselnd getrabt und sich im Dreck gewälzt hat, ist man endlich so nahe heran, daß man sich unter dem Schutze des Feuers zum Angriff mit aufgepflanztem Seitengewehr formieren kann. Unter einförmigem Schlagen eines Tambours, bum-bum-bum-bum, geht es zuerst langsam, dann schneller vor, schließlich mit gefälltem Gewehr [Anmerkung des Rezensenten: Hier sollte die Redaktion der Briefausgabe ihre Transkription erneut überprüfen. Marianne Weber zitiert an dieser Stelle „gefälltem“, die MWG hat sich für „gefülltem Gewehr“ entschieden. Der Rezensent vermutet „gefälltem Gewehr“, das heißt ein Gewehr, bei dem das Bajonett beim Sturmlauf nach unten gehalten wird.] stürzt sich der ganze Schwarm mit viehischem Geheul, was „hurra!“ bedeuten soll, auf den Feind, wobei man natürlich regelmäßig entweder umgerannt und auf die Hand getreten oder mit dem Gewehrlauf auf den Schädel geschlagen, oder mit dem Seitengewehr vom Hintermann in die Kniekehle gestochen wird. Dabei reiten dann die betr. Offiziere hinterher und geben mit rasender Wut tausend Commandos, die natürlich absolut nicht verstanden werden und schließlich in ein gräßliches, Elephanten-artiges Gebrüll ausarten. Das Resultat ist natürlich, daß die Attacke abgeschlagen wird und man den ganzen Spaß noch einmal von vorn macht. Nach einigen Stunden solchen Vergnügens tritt man dann endlich den Rückmarsch an, vollkommen taub auf beiden Ohren, mit einem blaugeschlagenen Auge, summendem, klingendem, halb zerschlagenem Schädel, Blasen an den Füßen, blutig gerissenen Händen, Beulen am ganzen Leib, halbzertreten, gebadet in Schweiß und Pfützenwasser und, im Glücksfalle, Mistjauche, die einzelnen Montierungsstücke vor Dreck kaum unterscheidbar und mit Beinen, die wie diejenigen eines Nilpferdes nach unten zu dicker werden und in einem Klumpen von zähem Lehm endigen. Nachdem man mit Stöcken das Gröbste abgekratzt, wird man dann in diesem Zustande wieder in die Stadt und den Bewohnern und Bewohnerinnen Straßburgs vor Augen geführt.
Man registriert es: Die erste Zeit des Rekrutendaseins war für den Charlottenburger Jüngling hart, selbst die Zeit in der Burschenschaft Allemannia hatte ihn nicht auf diese körperlichen und seelischen Strapazen vorbereitet. Solche Erlebnisse in seinen ersten Straßburger Wochen führten jedoch auch dazu, dass er zum ersten Mal seiner Mutter gegenüber polemisch wird: Er streitet ihr schlechterdings alle Kompetenz in jenen Angelegenheiten ab, die in diesen Monaten sein Leben bestimmen. In seinen Briefen nach Hause wird deutlich, dass sich hier Entscheidendes im Leben des Max Weber jun. ändert. Noch im ersten Brief an den Vater gibt er sich als einer, der in die Fußstapfen des Angeschriebenen tritt; schon beim zweiten Mal bezieht er Distanz, indem er signalisiert: Ich bin ich. Das ist meine Erfahrung, Ihr braucht mir nicht zu erklären, was ich hier erlebe. Dabei bringt Max Weber jun. vor allem Körperliches ins Spiel, über das er nie zuvor geschrieben hatte. Das Neue am Soldatenleben ist für ihn die körperliche Selbsterfahrung, die auch dazu führt, dass er die Dickleibigkeit, die er in seiner Heidelberger Zeit erlangt hatte, wieder einbüßt: „meine Miteinjährigen rechnen mich jetzt zu den ‚Wohlproportionierten‘, während ich früher von ihnen den ‚Dicken‘ beigerechnet wurde.“
Verständlicherweise ist Max Weber überaus froh, als die Dienstzeit an ihr Ende kommt, wie er am 29. September 1884 seinem Vater schreibt: „dies Jahr neigt sich seinem wünschenswerthen Ende zu […]. Die letzte Zeit […] ist mir doch lediglich eine widerwärtige Erinnerung […]. Indessen […] melden wir uns endlich zur Reserve ab, ein Tag, von dem ich vor elf Monaten nur in dunklen Nächten träumte und kaum glaubte, daß ich ihn erleben würde. Man tritt, Gott sei Dank, nur einmal im Leben ‚freiwillig‘ ein.“
Mit diesem Band ist nun – vorerst – die Reihe der Briefbände abgeschlossen. „Vorerst“ verweist auf die Ankündigung der Herausgeber, dass in einem nachfolgenden Band (MWG II/11 „Nachträge und Gesamtregister“) jene Briefe aufgenommen werden sollen, die bei Abschluss der bisherigen zehn Briefbände nicht vorlagen. Gerade weil Marianne Weber nachgewiesenermaßen zahlreiche Dokumente aus ihrem Besitz an ihre diversen Heidelberger Besucher großzügig verschenkte und zudem möglicherweise noch in bislang nicht durchsuchten Nachlässen von Empfängern mancher Briefe Webers mit weiteren Funden zu rechnen ist, könnte sich die bisherige Sammlung noch erweitern. Immer wieder verwunderlich ist es ja, dass eine Vielzahl von Briefen, auf die sich Max Weber selbst bezieht, als „nicht auffindbar“ oder „nicht nachweisbar“ rubriziert wird. Auffallend sind auch erkennbare Lücken, so etwa jene, dass in keinem der Briefe nach dem 27. Dezember 1877 der Tod von Webers vierjähriger Schwester Helene erwähnt wird, außer ein Besuch des Grabes („wir brachten eine Rose dahin“); auffallend schon deswegen, weil Max Weber ein ganz besonders liebevolles Verhältnis zu seinen drei jüngeren Schwestern (Helene, Clara, Lili) hatte. Mysteriös bleibt außerdem die Tatsache der versuchten Zerstörung von 23 Briefen und einer Postkarte, die in der Mitte durchgerissen worden waren und erst später wieder zusammengeklebt wurden: Wer hat sie zerrissen, und warum? Und wer hat sie wieder zusammengeklebt?
Finanzwissenschaft
Die Finanzwissenschaft bildete neben Allgemeiner oder Theoretischer Nationalökonomie und Praktischer Nationalökonomie die dritte Säule des im 19. Jahrhundert gültigen Lehrkanons der Volkswirtschaftslehre an deutschen Universitäten. Mit seiner Berufung nach Freiburg auf einen Lehrstuhl für „Nationalökonomie und Finanzwissenschaft“ war Max Weber verpflichtet, eine Vorlesung über „Finanzwissenschaft“ zu halten. Dies tat der gelernte Jurist und prominent gewordene Bearbeiter und politische Interpret der Landarbeiterstudien in den beiden Freiburger Wintersemestern 1894/95 und 1896/97. Mit dem nun vorliegenden Band kann die wissenschaftliche Öffentlichkeit erstmals im Blick auf die handschriftlichen Notizen, die Weber als Gedächtnisstütze für den freien Vortrag niederschrieb, nachvollziehen, in welcher Weise und mit welchen Schwerpunkten er seine Lehraufgabe auf diesem ihm fremden Gebiet meisterte. Mit erkennbar großer Mühe versuchen die Editoren – allen voran Cornelia Meyer-Stoll in ihren „Editorischen Berichten“ – den intendierten Gedankengang des Autors zu rekonstruieren und herauszufinden, an welchen Stellen er den bekannten und weitgehend standardisierten Lehrstoff lediglich rezipierte und wo eventuell eigene, auf die spätere Herrschaftssoziologie und Sozialökonomik hindeutende Gedanken zu erkennen sind.
Selbst der Herausgeber Martin Heilmann, Emeritus der Universität Rostock und ausgewiesener Fachmann für die Theoriegeschichte der Volkswirtschaftslehre, räumt in seinem informativen und erfreulich sachlich-kritischen Vorwort ein, dass die hinterlassenen Notizzettel allenfalls für die werkbiographische Forschung aufschlussreich sein könnten und weniger bedeutsam für die Fachgeschichte der Finanzwissenschaft. Es dürfte nicht sehr häufig sein, dass ein Herausgeber derart kritisch dem von ihm bearbeiteten Text gegenübersteht, wie Heilmann das tut: „Auch in den nachfolgenden, dem eigentlichen Standardstoff der damals gelehrten Finanzwissenschaft gewidmeten Kapiteln bestätigt sich der Eindruck, dass dem Autor offenbar das Minimum an Muße nicht zur Verfügung stand, um die zusammengestoppelten Lektürefrüchte zu einer ausgewogenen, genügend reflektierten und im Ergebnis dann eigenständigen Darstellung zu verarbeiten.“ Heilmanns nüchternes Fazit lautet, dass die Lektüre der Notizen zu dem Schluss führen könnte, „dass Weber zwar unter größter Kraftanstrengung bemüht war, sich in kurzer Zeit oder eben noch rechtzeitig, das für eine große Vorlesung erforderliche Grundwissen anzueignen, ihm aber die Finanzwissenschaft […] eigentlich fremd blieb.“
Der Rezensent vermag nicht abzuschätzen, welchen Ertrag die sorgfältig edierten Notizen einer heutigen Forschung zu erbringen in der Lage sind. Dennoch ist es verdienstvoll, dass nun auch diese Texte aus Webers Hand im Rahmen der MWG vorliegen. Damit fehlt aus der Abteilung III (Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften) nur mehr der Band 2 „Praktische Nationalökonomie. Vorlesungen 1895-1899“.
(Zwischen)Bilanz des Unternehmens MWG, (hoffentlich) kurz vor Abschluss
Wen, so mag die abschließende Frage gestellt werden, sollten nun die beiden hier rezensierten Bände der MWG interessieren? Für den (immer kleiner werdenden) Kreis der Weber-Forscher sind sie naturgemäß von großem Interesse und unverzichtbarem Wert. Selbst die beiden Schüler-Ausätze, die dem Briefband im Anhang beigegeben sind – einer des 13jährigen Max Weber „Der Hergang der deutschen Geschichte im Allgemeinen namentlich in Rücksicht auf die Stellung von Kaiser und Papst“ und einer des 15jährigen „Betrachtungen über Völker-Charakter, Völker-Entwicklung und Völker-Geschichte bei den Indogermanischen Nationen“ – sind nicht ohne Erkenntniswert, lassen sich doch schon in so frühen Phasen sowohl der Stil als auch die Argumentation des späteren Gelehrten deutlich erkennen. Die Weber-Forschung hat auch in diesem Fall den Editoren erneut sehr zu danken.
Für den darüber hinausgehende Kreis von (Sozial)Wissenschaftlern im weitesten Sinne dürften sowohl die Briefe des Teenagers, Studenten und Wehrdienstleistenden Weber als auch die Vorlesungsnotizen von eher geringem Interesse sein. Nachdem es im deutschsprachigen Raum bis heute nicht zur Formation einer „Historischen Soziologie“ gekommen ist, die mit der im anglophonen Bereich existierenden vergleichbar wäre – man denke allein an die Arbeiten von Charles Tilly, Theda Skocpol und Michael Mann –, fehlt es hier an einem entsprechenden Resonanzraum.
Umso mehr sei jedoch erneut sowohl der gegenwärtigen Neueren Geschichtswissenschaft als auch der psychohistorischen und der damit verbundenen Gender-Forschung vor allem das nun (fast) vollständig vorliegende Briefwerk empfohlen: Wer sich mit den inneren und äußeren Befindlichkeiten des preußisch-deutschen Bürgertums beim Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert aus der Perspektive einer Mentalitäts- und Milieuforschung beschäftigt, wird in den insgesamt zehn Bänden überaus reichliches Anschauungs- und Forschungsmaterial finden. Das Mammutunternehmen der MWG – das nun seit Jahrzehnten eine beeindruckende Fülle an zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen in Anspruch genommen hat – ließe sich unschwer vor allem mit dem Briefwerk rechtfertigen. Von Anfang an wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei den wissenschaftlichen Texten im engeren Sinn fast ausschließlich um den kommentierten Reprint der seit 1920 vorliegenden gedruckten Ausgaben handelt, bedingt durch den fast vollständigen Verlust von Manuskripten. Dennoch kann auch von den entschiedensten Kritikern des enormen Gesamtaufwands nicht geleugnet werden, dass mit der MWG nun „endgültig“ eine Fassung aller Texte Max Webers vorliegt, die ab nun als einzig relevante Zitationsquelle gelten sollte. In der Hoffnung, dass wenigstens alle Universitätsbibliotheken die MWG vollständig erworben haben, sollten ab nun – und nach Abschluss des gesamten Unternehmens erst recht – alle diejenigen, die Weber zitieren, auf die einschlägigen Bände der MWG zugreifen. Das bisher herrschende Tohuwabohu der Zitation – und die damit verbundenen Mühen des überprüfenden Nachsehens – würde damit ein Ende haben. Das allein wäre schon ein großer Gewinn.
Wissenschaft als Beruf: revisited
Wenn auch wenig verfrüht, nämlich bereits im April 2017, veranstaltete die „Società Nazionale di Scienze, Lettere e Arti“ eine Tagung in Neapel zum Thema „100 Jahre Wissenschaft als Beruf“. Mit dieser Tagung – und einer vergleichbaren Tagung an der Universität Freiburg Schweiz – wurde an die Tatsache erinnert, dass Max Weber am 7. November 1917 im Kunstsaal der Münchner Buchhandlung Steinicke seinen legendären Vortrag über „Wissenschaft als Beruf“ gehalten hatte. Dessen – erheblich erweiterte – Druckfassung stellt bis zum heutigen Tag eines der Monumente der Weber-Rezeption dar. In ihrer anhaltenden Wirkung ist sie nur vergleichbar mit seinen Studien zur Kulturbedeutung des Protestantismus und der Druckfassung seiner Rede über „Politik als Beruf“, die Weber im gleichen Rahmen am 28. Januar 1919 hielt.
In dem hier zu würdigenden Bändchen, das aus der Tagung in Neapel entstand, werden – neben dem erneuten Abdruck des Textes von 1919 – eine Reihe von Texten versammelt, die sich alle – mehr oder weniger – mit dieser famosen Rede auseinandersetzen. Dass sie berühmt und viel besprochen wurde und wird, kann wohl kaum bestritten werden. Wohl jeder, der auch nur kurz ein sozialwissenschaftliches Fach studiert hat, wird den klassischen Passagen über den „inneren Beruf zur Wissenschaft“, über „intellektuelle Rechtschaffenheit“ und „rücksichtslose Sachlichkeit“, über die notwendige Verbannung von „Propheten“ vom Katheder und über den Weberschen Auftrag, den „Dämon“ zu finden, der unseres Lebens Fäden hält, und ihm zu gehorchen, begegnet sein.
Max Weber hielt diesen Vortrag in einer Situation, die sowohl für ihn als auch für seine Zuhörer nicht einfach war. Nach seinem Ausscheiden aus dem militärischen Dienst zum 30. September 1915 war er wieder an seinen Heidelberger Schreibtisch zurückgekehrt und hatte sich erneut sowohl in die Materialberge seiner Studien über die Wirtschaftsethik der Weltreligionen – deren vorläufige Veröffentlichung als Aufsätze inzwischen bis zum antiken Judentum fortgeschritten war – als auch in die Notizen seiner geplanten Beiträge über „Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte“ für den „Grundriss der Sozialökonomik“ vertieft. Neben diesen inhaltlichen Studien und seiner unermüdlichen Organisationsarbeit für eben dieses Sammelwerk beschäftigten ihn zunehmend seine öffentlichen Stellungnahmen zu Fragen der deutschen Innen- und Außenpolitik und zu seinen Überlegungen über die Verfassungsgestaltung des zukünftigen Deutschlands nach dem Ende des Krieges. Außerdem engagierte Weber sich in jenen Monaten immer mehr als Mitglied und politischer Redner für die „Deutsche Demokratische Partei“ (DDP). Die Einladung des Freistudentischen Bundes, vor dem er diesen Vortrag halten sollte, traf ihn also inmitten vielfältiger und strapaziöser Aktivitäten, die er alle miteinander zu verbinden suchte.
Auch darum konnte ihn das Münchner Publikum gleich zwei Mal innerhalb von drei Tagen jenes November 1917 hören: zuerst am 5. November im Restaurant „Wagnersäle“ in der Münchner Sonnenstraße mit einer Rede für einen „Verständigungsfrieden“ und gegen die „alldeutsche Gefahr“ und zwei Tage später über „Wissenschaft als Beruf“. Ohne dass es seine Münchner Zuhörer bereits wissen konnten: Es war dieser 7. November 1917 ausgerechnet jener Tag, an dem die Bolschewisten auf dem Zweiten Allrussischen Sowjetkongress eine knappe Mehrheit im Bündnis mit den linken Sozialrevolutionären errangen, woraufhin die menschewistische Fraktion den Kongress verließ und die Bolschewisten unter Führung von Wladimir I. Lenin und Leo Trotzki die bürgerliche Regierung stürzten und die Macht übernahmen.
Die Welt, zumindest die abendländische, von der Max Weber so viel geschrieben hatte, war in krisenhaftem Umbruch, als er seine Rede im streikgeschüttelten und unruhigen München hielt. Aber auch Webers eigenes Leben befand sich in einer heftigen Umbruchsituation: Gerade war er von Berufungssondierungen aus Wien nach München zurückgekommen und schwankte zwischen seinen beiden eigenen, inneren Berufungen, der Wissenschaft und der Politik. Zudem stand er vor schwerwiegenden Entscheidungen, was sein privates Leben betraf.
Diese Ambivalenzen traten auch in beiden Münchner November-Reden zutage. Betonte er gleich zu Beginn der ersten, der politischen Rede, dass er „nicht als Mann der Wissenschaft, sondern rein als Politiker spreche“ und als Hochschullehrer keine besondere Autorität in Fragen der Politik für seine Äußerungen beanspruche, so stand in seinem zweiten Vortrag über „Wissenschaft als Beruf“ ganz unverkennbar ein Mann der Wissenschaft vor seinen Zuhörern. Von Beginn an präsentierte er sich als Universitätsprofessor, so etwa, wenn er einleitend davon berichtete, „daß ein bei mir promovierter Gelehrter sich bei einem andern als mir und anderswo legitimieren und habilitieren müsse.“ So konnte nur ein deutscher Professor sprechen, der noch dazu an vielen Stellen seiner Rede gewissermaßen „aus dem Nähkästchen“ des akademischen Betriebs plauderte, wenn er etwa vom mühseligen Weg des Privatdozenten zur Professur berichtete und dabei zudem jene legendären autobiographischen Anmerkungen zum „Hazard“ einflocht, den er selbst bei seiner Berufung nach Freiburg empfunden hatte.
Max Webers Publikum, dem er solche Interna berichtete, setzte sich, soweit wir wissen, vor allem aus jungen Männern zusammen, die Orientierung in schwieriger Zeit suchten. Sie hatten sich bewusst gegen eine Mitgliedschaft in einer „farbentragenden“, einer „schlagenden“ Studentenverbindung entschieden, gehörten als „Freistudenten“ zu jenen (angehenden) Akademikern, die an der Idee der Universität als einer primär wissenschaftlichen Ausbildungs- und Bildungsanstalt orientiert waren und die daran glaubten, dass eine Erziehung zu Mündigkeit durch den Umgang mit wissenschaftlichen Fragen führen könne.
Weber, der ein Jahr später aus seiner ehemaligen Heidelberger Burschenschaft „Allemannia“ austreten sollte, muss mit dieser Münchner Gruppe sympathisiert haben, sonst hätte er deren Einladung sicherlich nicht angenommen. Sein Vortrag war Teil einer Reihe, die unter dem Obertitel „Geistige Arbeit als Beruf“ stand und für die Vorträge über den Beruf des Gelehrten, des Künstlers, des Erziehers und des Priesters geplant waren. Webers freigehaltener Vortrag wurde mitstenographiert, die Veranstalter übersandten ihm anschließend die Niederschrift, von der er meinte, dass vieles „noch genauer formuliert werden“ müsse. Die Endfassung der überarbeiteten Version ließ auf sich warten; erst im Sommer 1919 wurde sie vom Verlag Duncker & Humblot publiziert, zusammen mit der Druckfassung seiner Rede über „Politik als Beruf“.
Viele seiner Zuhörer waren junge, fronterfahrene Soldaten, die sich Gedanken darüber machten, was sie beruflich machen sollten. Wir können zu Recht annehmen, dass viele von ihnen erwarteten, dass ihnen ein leibhaftiger Professor sagen würde, ob sie sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden sollten, was dagegen und was dafür spreche. Dass er als Nationalökonom, als der er sich bereits im zweiten Satz präsentierte, davon zu sprechen begann, wie sich Wissenschaft als Beruf im materiellen Sinne gestaltet, dürfte seinen Zuhörern gefallen haben: „Wie gestaltet sich die Lage eines absolvierten Studenten, der entschlossen ist, der Wissenschaft innerhalb des akademischen Lebens sich berufsmäßig hinzugeben?“
Was findet die Leserschaft in dem vorliegenden Bändchen, neben dem Text der Rede selbst? Eine lesenswerte Einleitung des Herausgebers Matthias Bormuth, in dem dieser seine bereits früher publizierte Überzeugung erneut demonstriert, dass Weber vor allem „im Lichte Nietzsches“ zu lesen sei. Ganz besonders bei dieser Rede zeige sich Weber, dieses „Genie der Neugier“, als einer, hinter dem „der lange marginalisierte Philosoph“ Friedrich Nietzsche stehe. Ähnlich wie schon früher Wilhelm Hennis, sieht Bormuth Max Weber als einen „gelehrigen Schüler Nietzsches“. Bormuth charakterisiert Weber als einen „desillusionierten Idealisten“, bei dem „durch die asketische Maske des reinen Sachsinnes“ dennoch „die Leidenschaft für das Wechselspiel der ihn treibenden Ideen und Interessen“ töne. Gerade bei Webers Begrifflichkeit der „Entzauberung der Welt“, dem Begriff der „Wahrhaftigkeit“ und der Forderung nach „intellektueller Redlichkeit“ sieht Bormuth Weber als in der „Nachfolge Nietzsches“ stehend: „Wissenschaft als Beruf ist vielleicht der in seiner dramatischen Exposition schönste Beleg für diese von Nietzsche her zu verstehende Wertphilosophie eines Mannes, der in der Maske der Nüchternheit aufzutreten liebte, um sein leidenschaftliches Naturell zu schützen, das immer wieder aus ihm hervorbrach, wenn Wert und Sinn des Lebens wissenschaftlich und politisch zur Debatte standen.“
Auch wenn man, wie der Rezensent, dieser Lesart nicht zustimmt, sondern gerade bei den Passagen über die „Forderung des Tages“ und die dahinter stehenden „Dämonen“ sehr viel mehr an Goethe als an Nietzsche denkt, lohnt sich die aufmerksame Lektüre dieser Einleitung. Ebenso lohnend ist auch die Lektüre der anschließenden Texte, bzw. Textausschnitte, wenn auch recht unterschiedlicher Qualität. Die erst im Jahr 1963 formulierten Erinnerungen Helmuth Plessners an ein „Heidelberg 1913“, die neben recht anschaulichen Anekdoten doch auch aufzeigen, wie sehr spätere Erinnerungen trügen können (Alfred Weber war nicht der Nachfolger auf dem Lehrstuhl seines Bruders, Weber war kein „Schüler“ Theodor Mommsens, die Selbstaussage über die „religiöse Unmusikalität“ äußerte Weber Ferdinand Tönnies und nicht Friedrich Naumann gegenüber). Was Plessner jedoch als das eigentliche Programm Webers formuliert, kann man auch heute ohne Einschränkung unterschreiben: „Soziologie als Instrument der Selbsterkenntnis und Entzauberung, durchgeführt mit den Mitteln historischer Analyse, war ihm wohl eine Alterskunst.“
Die Ausführungen von Ernst Robert Curtius aus dem Jahr 1920 über Webers Gedanken zu Wissenschaft als Beruf beinhalten eine entschiedene Kritik an dessen Grundpositionen, die vor allem von einem Verständnis von Wissenschaft bestimmt sei, das sich an der „mechanischen Naturwissenschaft der drei letzten Jahrhunderte“ orientiere, und somit ein „zu enger und unaufgeklärter“ sei, der philosophisch „nicht genügend durchdacht“ sei. – Die Gedenkrede von Karl Jaspers, die dieser im Juli 1920 für sein zu diesem Zeitpunkt noch zutiefst verehrtes, wenn nicht geradezu vergöttertes Idol hielt, war immer schon ein Monument einer vollkommen unkritischen Annäherung an den „Mythos von Heidelberg“. Die Skizzen Siegfried Kracauers über eine „Wissenschaftskrisis“ aus den Jahren vor 1926 hingegen zeigen der heutigen Leserschaft, wie kritisch manche schon damals Weber begegnet sind: Kracauer moniert, dass Weber „die von ihm angestrebte Objektivität de facto nicht zu verwirklichen vermag“ und dass dessen Methode „einer abschlußlosen Hetzjagd im Schattenreich der Empirie“ gleiche. – Die sehr persönlichen Erinnerungen Karl Löwiths, der an jenem Vortrag persönlich teilgenommen hatte, gehören zu den bekanntesten Illustrationen der öffentlichen Erscheinung Max Webers: „Ich sehe ihn noch vor mir, wie er bleich und abgehetzt mit raschen Bewegungen durch den überfüllten Saal zum Vortragspult schritt […]. Sein von einem struppigen Bart umwachsenes Gesicht erinnerte an die düstere Glut der Bamberger Prophetengestalten. […] Der Eindruck war erschütternd.“ – Warum die kurzen Passagen aus dem Buch „Die Zerstörung der Vernunft“ von Georg Lukács in die Sammlung aufgenommen wurden, erschließt sich dem Rezensenten nicht, außer dass man erneut demonstrieren wollte, wie denunziatorisch dieser von Weber persönlich sehr geförderte und anerkannte ungarische Emigrant seinen Heidelberger Förderer als eine zentrale Figur der „imperialistischen Periode“ der deutschen Soziologie einordnete. Da kann man dem diagnostischen Urteil von Karl Jaspers nur erneut zustimmen, dass uns mit diesem Text der „Hofphilosoph des Kremls“ als eine „apparathafte Intelligenz“ begegnet.
Neben Altbekanntem dürfte von hervorgehobenem Interesse das Interview sein, das Matthias Bormuth, Ulrich von Bülow und Georg Hartmann im Jahr 2014 mit dem Münchner Philosophen Dieter Henrich geführt hatten. Der renommierte Philosoph, 1927 in Marburg geboren, wurde nach Studien in Marburg, Frankfurt am Main und Heidelberg bei Hans-Georg Gadamer im Jahr 1950 mit einer Arbeit „Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers“ promoviert. Insofern war die Frage naheliegend, wie er zu Max Weber gekommen war. Im Interview wird deutlich, dass es vor allem sein Interesse an methodologischen Fragen war, weswegen dem jungen Philosophen die einschlägigen Texte Max Webers von großem Interesse waren. Schon sehr früh sah er in ihnen nicht nur methodologisch anregende Arbeiten, über die dann seine bis heute maßgebliche Arbeit handelt, sondern zugleich den Ausdruck eines „Leidens an einem Menschheitsgeschick, in das man gebannt ist. Ich spürte ein Leiden am Leben, das sich in gedankliche Klarheit übersetzen wollte. […] Es gibt eine Leidenschaft der Vernunft!“ Neben den erfreulich persönlich gehaltenen Ausführungen des heute über 90-Jährigen über seinen Weber-Zugang bietet das lesenswerte Interview auch einen erstaunlichen Einblick in die wissenschaftliche Praxis der 1950er Jahre in der alten Bundesrepublik. Welchem heutigen 23jährigen Studenten der Philosophie an der Heidelberger Universität würde wohl ein Ordinarius sagen: „Sie werden sicher Professor der Philosophie. Sie müssen allerdings zuerst promovieren. Sie schließen, sagen wir mal, am 15. Dezember Ihre Promotion in Heidelberg ab.“? Gesagt, getan, es kam genau so, wie es Gadamer der Nachwuchshoffnung Henrich diktiert hatte. Tempi passati…
Horst Baier gestorben
Mitten in die Arbeit an dieser Rezension fällt die Todesanzeige für Horst Baier, der am 2. Dezember 2017 in Konstanz im Alter von 84 Jahren verstarb. Der ursprüngliche Mediziner, der als Mitarbeiter von Helmut Schelsky zur Soziologie fand und sich mit einer (nie veröffentlichten) Studie über Max Weber in Münster habilitierte, gehörte von Anfang an zum Kreis der Hauptherausgeber der MWG.
1975, vor also nunmehr 43 Jahren, konstituierte sich der „Beauftragte Editorenkreis“, dem ursprünglich die Soziologen Horst Baier, M. Rainer Lepsius und Wolfgang Schluchter, der Philosoph Hermann Lübbe, der Historiker Wolfgang J. Mommsen und der Privatgelehrte Johannes Winckelmann angehörten. Sieht man auf die Liste der Namen der Herausgeber in den beiden hier besprochenen Bänden, so muss konstatiert werden, dass die Zahl der Kreuze hinter den Namen nunmehr auf vier vermehrt wurde (Baier, Lepsius, Mommsen, Winckelmann), so dass nur mehr der (nachgerückte) Historiker Gangolf Hübinger und der Soziologe Wolfgang Schluchter aktiv dieses Gesamtunternehmen zu verantworten haben.
Noch im Dezember 1985 schrieb mir Horst Baier: „Mit zwei Mitarbeitern sitze ich Tag und manche Nächte an der Edition der beiden Bände zur Methodenlehre Max Webers im Rahmen der Gesamtausgabe. Wir hoffen sehr, vor Ihnen und den anderen scharfäugigen Kritikern der Edition bestehen zu können.“ Nun war es ihm während der seitdem vergangenen 33 Jahre nicht vergönnt, auch nur einen der beiden Bände vorzulegen. Man darf weiterhin gespannt darauf sein, wann und wie die Bände 7 (Zur Logik und Methodik der Sozialwissenschaften) und 12 (Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit) erscheinen werden. Auch hier kann man nur hoffen, dass das vor dem Jahr 2020 sein wird, dem hundertsten Todestag Max Webers.
|
||||||