Vorbemerkungen zur April-Ausgabe 2020 von literaturkritik.de

Im April 1970 verkündete Paul McCartney, dass er die Beatles verlassen würde. Die Nachricht war zwar für die weltweite Fangemeinde ein Schock, überraschend kam sie indes nicht. Bereits seit Monaten wandelte John Lennon, unterstützt von seiner neuen Liebe Yoko Ono, auf Solopfaden, hatte bereits drei Singles und ein Live-Album mit anderen Musikern veröffentlicht. Tatsächlich plante Lennon längst einen Ausstieg aus der hoffnungslos zerstrittenen Gruppe, doch man hatte ihn noch 1969 dazu überredet, erst einmal nichts in die Öffentlichkeit zu tragen. Umso erboster war der überrumpelte Lennon, als plötzlich McCartney die Band öffentlichkeitswirksam verließ.

Doch auch ihm sollte daraus kein Strick gedreht werden, war es doch vor allem bei der Suche nach einem neuen Management zu Streitigkeiten gekommen. Lennon hatte den mehr als windigen Anwalt Allen Klein, ehemals Manager der Rolling Stones, davon überzeugt, die Geschäfte der Beatles zu übernehmen. George Harrison und Ringo Starr willigten ein, McCartney (der das Management lieber in den Händen seines Schwiegervaters, des weitaus seriöseren Lee Eastman, sehen wollte) lehnte ab. Klein führte jedoch auch ohne dessen Unterschrift plötzlich die Geschäfte. Ein Affront, der nicht nur Pauls endgültigen Ausstieg, sondern auch jahrelange juristische Streitereien nach sich zog. Am Ende sollte McCartney übrigens mit seinen Befürchtungen Recht behalten, aber das ist eine andere Geschichte, die hier nicht erzählt werden soll.

Wir wollen uns vielmehr um das Erbe der Beatles kümmern, deren offizielle Trennung mit dem Ausstieg Paul McCartneys nun ihr 50. Jubiläum feiert. Dafür führten wir ein langes Gespräch mit einem der größten Beatles-Experten hierzulande, Maik Brüggemeyer, seines Zeichens Redakteur des Rolling Stone, Autor zahlreicher Bücher über Rockmusik und nicht zuletzt Übersetzer der großartigen Autobiografie Robert Forsters, Grant und Ich, die von den Go-Betweens, den ‚australischen Beatles‘, handelt. Friedhelm Rathjen nimmt uns mit auf eine Reise durch die literarische Welt der Beatles und zeigt dabei auf, wie oft die Fab Four in internationalen literarischen Texten eine bedeutende Rolle spielen. Jan Süselbeck schreibt über die Bedeutung, welche die Band bis heute in Literatur und Musik hat. Und Manfred Orlick führt uns durch das Beatles-Museum in Halle. Passend dazu präsentieren wir noch Rezensionen zu Frank Goosens gerade erschienenem Buch über die Beatles in der Reihe Kiwis Musikbibliothek sowie einem sehr schönen Band über die ‚schwedischen Beatles‘, ABBA.

Mit dieser Ausgabe möchten wir auch noch einmal die Aufmerksamkeit auf unsere neue Reihe „Lesen in der Corona-Krise“ lenken. Wir alle machen anstrengende Zeiten durch. Auch die Redaktion von literaturkritik.de ist derzeit zum Home-Office genötigt, was nicht selten den Zwang zur Improvisation mit sich bringt. Auch andere Journalisten und Kunstschaffende sitzen zu Hause, oft unter zunehmend prekären Bedingungen, wenn auch aufgrund zwingend notwendiger Maßnahmen, und versuchen, die Situation kreativ zu nutzen. Vor allem auf deren Umgang mit der Situation möchten wir in dieser Reihe hinweisen, die wöchentlich nach Möglichkeit zweimal aktualisiert wird – mit Essays, Interviews, Besprechungen oder einfach auch nur Hinweisen auf laufende Projekte.

Sascha Seiler für die Redaktion